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Im Sommer war alles besser - wie wird es der Gastronomie Berlins im Herbst und Winter ergehen?
© imago images/Seeliger

Heizpilze im Corona-Winter: Bezirke fordern einheitliche Lösungen für die Gastro

Wie kommen Berlins Gastro-Betriebe Corona-konform durch Herbst und Winter? Wirte und Politik ringen um Lösungen. Am Freitag tagt der „Gastro-Gipfel“.

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Stichwort: „Kneipengipfel“. Am heutigen Freitag geht es um eine der wichtigsten Corona-Baustellen Berlins, um jene, an der zehntausende von Arbeitsplätzen und die internationale Attraktivität der Stadt hängen.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hat eingeladen, die Bezirksbürgermeister sowie Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), der Stadtvermarkter von Visit Berlin und der Gastronomeninitiative „Bars of Berlin“ kommen mit ihr zusammen, um über Herbst und Winter zu reden – kein gemütliches Thema, denn das bevorstehende Wetter macht das Ausweichen auf Terrassen, Biergärten und an improvisierte Gehwegtische schwierig; drinnen muss es nun so sicher sein wie möglich sein. Oder kann die Saison durch Heizpilze bis in den Winter verlängert werden?

Eine vom Tagesspiegel erbetene Erklärung der Senatorin beschreibt die Quadratur der Kneipe und beginnt mit einer Aufmunterung: Der ständige Austausch aller Beteiligten habe die Gastronomie „bisher sicher durch die Krise geleitet“. Nun ja: Daran war zweifellos auch das durchweg günstige Wetter beteiligt. Aber, so heißt es bei Pop weiter, man wolle den sicheren Betrieb der Gastronomie gewährleisten, andererseits aber sicherstellen, dass sie ein Ort bleibe, „der nicht zu den Hotspots der Verbreitung des Virus wird“. Sicherheit und Vertrauen für die Gäste, vernünftige wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Wirte – das ist das Ziel.

Einer, der dieses Thema ernst nimmt und schon seit geraumer Zeit an vorderster Front kämpft, ist Roberto Manteufel von der Marietta-Bar in Prenzlauer Berg. „Bars of Berlin” heißt die Initiative, die er schon vor Monaten gegründet hat, und die den Senat mit einer Reihe von Forderungen konfrontiert. „Die erste ist schon mal erfüllt“, sagt er nun, „die nach dem runden Tisch.“ Er ist – die Lockdown-Zeit ausgenommen – ganz gut über den Sommer gekommen, weil er viele Plätze im Freien hat, „doch bei schlechtem Wetter waren es dann auch nur 60 Prozent des normalen Umsatzes“.

Manteufel schaut aber nicht nur auf dem Umsatz, sondern hat auch höhere Personalkosten, weil er Gästelisten führen und Gäste verteilen muss. Für die kommenden Monate setzt er darauf, den Sommer verlängern zu können – er hat zwei Infrarotstrahler angeschafft, weil er sie klimafreundlicher findet als die gasbetriebenen Heizpilze.

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Die Webseite der Initiative geht in ihren Forderungen weiter. Das höchste Konfliktpotenzial liegt im Vorschlag, den Lärmschutz für die Corona-Zeit weitgehend auf Eis zu legen: „Das Bedürfnis nach Ruhe darf nicht über dem Schutz der Gesundheit stehen“, heißt es dort nicht ganz ohne inneren Widerspruch. Gemeint ist: Restaurants und Bars sollen Außenbereiche auch noch nach 22 Uhr nutzen dürfen.

Heizpilze ja oder nein? Bislang machen alle Bezirke, was sie wollen

Ebenfalls abgeschafft sehen wollen Manteufel und seine rund 70 Mitstreiter die Regel, nach der die so genannte „Gehwegunterseite“, der Bereich zwischen Gehweg und Straßenrand, nicht zur Bewirtung genutzt werden darf. Zudem müsse es erlaubt sein, „trotz erhöhter Lärmbelästigung Türen und Fenster zum Zweck der Belüftung die Nacht über offen zu lassen“. Gefordert wird auch eine Garantie auf weitere finanzielle Unterstützung für Corona-bedingte Umsatzausfälle, ohne bürokratische Hürden.

Schon am Donnerstag haben sich Vertreter der zwölf Bezirke im Rat der Bürgermeister getroffen. Sie fordern vom Senat einheitliche Lösungen für die Gastronomie – insbesondere in Bezug auf die Debatte um den Einsatz von Heizpilzen oder Infrarotstrahlern. Aktuell ist die Benutzung von Wärmequellen auf öffentlichem Straßenland in acht Bezirken ohne Ausnahmen verboten. In Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf durften sie mit einer Sondergenehmigung schon vor der Pandemie aufgestellt werden.

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Charlottenburg-Wilmersdorf und Reinickendorf haben jüngst angekündigt, nun ebenfalls zeitweise den Einsatz von Heizstrahlern zu erlauben – dies ist als „Vorpreschen“ dem Vernehmen nach von anderen scharf kritisiert und heftig diskutiert worden. Denn etliche Bezirksvertreter haben aus Umweltschutzgründen Bedenken. „Es darf doch in dieser Zeit keinen Unterschied machen, ob du als Gastwirt in einem Bezirk mit einem Bezirksbürgermeister von den Grünen oder von der CDU dein Lokal hast“, sagte der Lichtenberger Wirtschaftsstadtrat Kevin Hönicke (SPD) im Anschluss an das Treffen. Die Bürger brauchten eine einheitliche, klare Ansage. Der Wunsch an den Senat, eine Haltung für ganz Berlin zu dem Thema zu zeigen, sei im Rat deutlich geworden.

„Wir entscheiden zwischen Pest und Cholera“, sagt eine Bezirksbürgermeisterin

Martin Hikel, Bürgermeister in Neukölln (SPD), hofft, dass beim Gipfel am Freitag eine gesamtstädtische Strategie gefunden wird. „Heizpilze können ein Baustein dieser Strategie sein, sind aber auch kein Allheilmittel. Gerade kleinere Betriebe mit wenig Fläche brauchen Unterstützung“, sagte Hikel.

Die Steglitz-Zehlendorfer Bürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) plädiert dafür, dass der Senat stadtweit temporär Heizpilze erlaubt. Man dürfe gerade jetzt nicht zusätzliche Hürden schaffen. „Wir müssen uns zwischen Pest und Cholera entscheiden, aber wenn sich die Leute selbst organisieren und Lösungen finden, wie sie ihr Geschäft am Laufen halten, sollten wir sie dabei unterstützen“, sagte Richter-Kotowski.

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