Berliner Staatsanwaltschaft: Betreiber krimineller Pflegedienste angeklagt
Durch Abrechnungsbetrug verschafften sie sich mindestens 3 Millionen Euro: Die Staatsanwaltschaft erhebt nun Anklage gegen zwei Berliner Pflegedienste.
Wieder geht es um Abrechnungsbetrug, um kriminelle Pflegedienste, um Schäden in Millionenhöhe. Berlins Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag zwei Pflegedienstbetreiber angeklagt. Sie sollen drei Millionen Euro durch falsche Abrechnungen bei Krankenkassen und Sozialämtern ergaunert haben. Mindestens, denn Beamte und Kassenexperten gehen davon aus, dass der Schaden bis zu 15 Millionen Euro betragen dürfte.
Hintergrund der Differenz sind die komplexen Abläufe im Gesundheitswesen, die beweissicheres Nachvollziehen erschweren. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, zwischen 2011 und 2015 in 844 Fällen nicht erbrachte Leistungen eines ambulanten Dienstes abgerechnet zu haben. Wie in solchen Fällen üblich waren auch Patienten und Helfer eingeweiht, sie werden gesondert von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Die Eingeweihten sollen gar die kompletten drei Millionen Euro als Beteiligungshonorar – man könnte auch Schmiergeld sagen – erhalten haben.
Ein ausgeklügeltes System
Die zwei Angeklagten selbst dürften zwar auch illegale Profite gemacht haben, doch eine gerichtsfeste Höhe konnten die Ermittler nicht nachweisen. Denn grob vereinfacht funktioniert die Masche wie folgt: Ein findiger Unternehmer gründet einen Pflegedienst und fragt eigentlich noch agile Senioren, ob sie dazuverdienen wollen. Diese Senioren werden instruiert, wie sie sich als vermeintlich Pflegebedürftige bei Kontrollen durch die Krankenkassen verhalten sollen.
Gelegentlich gehört auch ein Arzt zu den Eingeweihten, der den Senioren pflichtwidrig Pflegebedürftigkeit bescheinigt. Oft brauchen die Senioren tatsächlich Hilfe ambulanter Dienste, werden durch die Betrüger aber in eine deutlich höhere Pflegestufe eingruppiert – weil von Kassen und Ämtern dann mehr Geld gezahlt wird. Um wie viel die Bedürftigkeit zu welchem Zeitpunkt aus Profitgier übertrieben wurde, lässt sich Jahre später jedoch kaum feststellen. Die beiden Beschuldigten stammen aus der früheren Sowjetunion – dies sei deshalb erwähnt, weil es sich bei Abrechnungsbetrug in der Pflegebranche überwiegend um Verdächtige, später oft auch Verurteilte ukrainischer, russischer und kasachischer Herkunft handelt.
Bundeskriminalamt: 230 betrügerische Dienste bundesweit
Für Betreiber betrügerischer Pflegedienste sind betriebswirtschaftliche, zuweilen medizinische Kenntnisse von Vorteil – die Beteiligten stammen also meist aus Staaten mit funktionierenden Bildungssystemen. Vergangenes Jahr hatte das Bundeskriminalamt festgestellt, dass Netzwerke russischsprachiger Männer und Frauen aus Berlin auch in Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit verdächtigen Pflegediensten aktiv sind.
Bundesweit soll es 230 betrügerische Dienste gegeben haben. Vor einigen Monaten waren dann in Düsseldorf neun Mitarbeiter solcher Dienste zu Haftstrafen verurteilt worden. Auch diese Angeklagten waren in vergleichsweise geschlossenen russischsprachigen Gemeinden in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen aktiv und sollen bei Krankenkassen und Sozialämtern systematisch Geld für gar nicht oder unvollständig erbrachte Leistungen ergaunert haben. Schaden: 8,5 Millionen Euro. Das meiste Geld erwirtschafteten die Männer und Frauen offenbar in Nordrhein-Westfalen, ihre Arbeit gesteuert hatten sie aber von Berlin aus. Hier gab es entsprechende Ermittlungen.