IHK Berlin und Brandenburg: Bessere Stimmung - aber weiter Unbehagen der Firmen mit der Berliner Politik
Zum Jahresauftakt dreht das Konjunkturbarometer der Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg leicht ins Plus. Die Kritik an der Politik bleibt.
„Die Stimmung ist etwas besser – doch die Skepsis bleibt“. An anderer Stelle heißt es: „Leichte Erholung – aber noch keine Trendumkehr.“ Die Autorinnen und Autoren der immerhin schon 26. Auflage des gemeinsamen Konjunkturberichts der vier Industrie- und Handelskammern (IHK) in Berlin und Brandenburg haben sich sichtlich schwer getan bei Formulierung ihrer Überschriften für die einzelnen Kapitel.
Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, versuchte bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag, das sehr uneinheitliche Bild, das die Umfrage zu Jahresbeginn unter den regionalen Unternehmen ergeben hat, so zusammenzufassen: „Es steht nicht zu befürchten, dass die Region in die Rezession rutscht, aber es ist auch nicht zu erwarten, dass wir bald zurückkehren zu der Hochkonjunktur vergangener Jahre.“
Berlin und die Umlandgemeinden in Brandenburg haben mehr als zehn Jahre lang fast ununterbrochenen Wirtschaftsaufschwung erlebt mit Wachstumsraten über dem Durchschnitt aller deutschen Länder, teilweise sogar mit Rekordraten. Dementsprechend war auch der Konjunkturklimaindex im Jahr 2018 auf einen Rekordwert von 139 geklettert.
Zum Vergleich: Der Wert 100 deutet eine neutrale Stimmung der Unternehmen an, alles unter 100 bedeutet, dass man die Gesamtlage in den Unternehmen mehrheitlich negativ einschätzt.
2019 war das Barometer auf 117 Punkte stark eingebrochen – was man bei den Kammern sowohl auf überregionale Gründe (Donald Trump, Handelsstreit, Brexit-Ängste) zurückgeführt hatte wie auch auf regionale (Mietendeckel, Enteignungspläne für die Wohnungswirtschaft).
Im nun vorliegenden Bericht auf Basis einer Onlineumfrage, an der sich seit Jahresbeginn 2020 insgesamt 1566 Unternehmen der Region beteiligt haben, ist das Barometer wieder leicht um fünf Punkte auf 122 gestiegen – „womit man nicht unbedingt hätte rechnen konnte“, wie Eder sagte. Insgesamt liefen die Geschäfte gut, aber weniger schwungvoll als vor einem Jahr.
Der Berliner Kammerchef schreibt das vor allem der Dienstleistungbranche zugute, während die 2019 vorangetriebenen „Eingriffe auf dem Markt wie der Mietendeckel, das erratische Aufkaufen von Wohnungsbeständen oder die wettbewerbsverzerrende Bevorzugung des landeseigenen Stromhändlers“ nicht nur tief in die unternehmerische Freiheit eingreifen würden, sondern am Ende dem Wachstum und der ganzen Stadt schaden würden, sagte Eder.
Er forderte eine „kluge“ Standortpolitik: „Der Ausbau der digitalen Infrastruktur und den Aufbau einer effizienten und kundenorientierten Verwaltung, die Ausweisung und Entwicklung von mehr Gewerbeflächen sind da nur einige Punkte“.
Die Kritik ist nicht neu. Die genannten Punkte zählen zu dem Kanon praktisch aller Wirtschaftsvertreter. Eder verzichtete am Dienstag – anders als bei anderen Gelegenheiten – darauf, ausführlich die unter Unternehmensverantwortlichen verbreitete Verunsicherung zu beschreiben, die seit gut einem Jahr herrscht, als die Berliner Koalitionäre SPD, Linke und Grüne erstmals ernst gemacht haben mit ihren Plänen für den Wohn- und Immobilienmarkt. Er beließ es bei Andeutungen in Nebensätzen.
In Berlin mehr Frust über zu wenig digitale Behörden
Das oft dokumentierte Unbehagen mit dem rot-rot-grünen Senat ist eine Besonderheit der Berliner Unternehmenskreise, ebenso wie die deutlich geringere Zufriedenheit mit dem Angebot des digitalen Dienstleistungen von Behörden: 70 Prozent der Berliner Firmen haben in der aktuellen Umfrage ihren Frust mit dem mangelhaften Angebot begründet, in Brandenburg waren es nur 40 Prozent.
Auch äußern die Unternehmen in der Hauptstadt deutlich öfter (58 Prozent) ihre Unzufriedenheit über die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren. In Brandenburg, das neuerdings von SPD, CDU und Grünen regiert wird, sind es 37 Prozent. In der Mark ist man gleichwohl deutlich unzufriedener angesichts der Internet-Infrastruktur – eine Dauerbaustelle in dem Flächenland.
Die jüngsten Ankündigungen rund um die Fabrikbauten des Autoherstellers Tesla östlich von Berlin und des Chemiekonzerns BASF im Süden Brandenburgs so wie die erwartete Eröffnung des BER hellen die Stimmung der Kammerchefs erwartungsgemäß auf. Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der Kammer in Ostbrandenburg, möchte sich jedoch nicht zu früh freuen. „Es wird spannend, sobald Tesla mehr über die Produktionstiefe bei der Herstellung verrät“. Wird der Hersteller also nur Teile aus aller Welt für die Endmontage ins Werk bringen – oder kommen auch regionale Zulieferer zum Zuge?
Marcus Tolle, Chef der IHK Cottbus, benannte den Fachkräftebedarf als wichtigen Faktur „für eine weiterhin gute Geschäftsentwicklung“, wobei sich die Kammerchefs einig waren, dass Tesla und BASF weniger Probleme bei der Rekrutierung haben dürften als überregional kaum bekannte Mittelständler.
In dem Zusammenhang äußerte Mario Tobias, Chef der Kammer im Bezirk Potsdam, der den gesamten Westen Brandenburgs umfasst, die Hoffnung, dass die Willkommenskultur Fortschritte macht – auch in Behörden bei der Anmeldung ausländischer Arbeitnehmer. „Das schlimmste wäre, wenn es Menschen gäbe, die zwar hier arbeiten wollen, aber die ein Jahr auf die entsprechende Genehmigung warten müssen.“
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