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Umkämpft: Das besetzte Haus an der Liebigstraße 34.
© Kai-Uwe Heinrich
Update Exklusiv

"Die Liebig 34 könnte ein Positivbeispiel werden": Besetzer-Anwalt setzt auf den Senat

Das Haus "Liebig 34" in Berlin-Friedrichshain muss nicht geräumt werden, sagt der Anwalt des Hausprojekts. Ein SPD-Politiker kritisiert den Kuschelkurs von R2G.

Berlins linksradikale Hausprojekte beschäftigen die Stadt – und erstmals hat sich in der Debatte um das Friedrichshainer Haus „Liebig 34“ der Anwalt der Bewohner geäußert. „Wir begrüßen die Absicht, dass das Land oder der Bezirk das Haus übernehmen will“, sagte Moritz Heusinger dem Tagesspiegel. „Der Umgang der Stadt mit der Liebig 34 könnte ein Positivbeispiel werden, einen Konflikt zu deeskalieren.“

Klare Signalwirkung

Heusinger ist ein seit Jahrzehnten in ähnlichen Fällen aktiver Rechtsanwalt aus Berlin. Er vertritt die bisherigen Pächter des Altbaus in der Liebigstraße 34, den eingetragenen Verein „Raduga“. In der Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain wohnen in der autonomen Szene bekannte Feministinnen.

Nach der Wende gehörte die „Liebig 34“ der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF). Die WBF schloss mit den Besetzern, die 1990 eingezogen waren, einen damals üblichen Vertrag ab. Vor Jahren kaufte Gijora Padovicz, ein stadtweit aktiver Unternehmer, das Haus. Padovicz gilt als umstritten, „Liebig 34“-Anwalt Heusinger sagte: Der Eigentümer habe schlicht von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Pachtvertrag ab diesem Jahr nicht zu verlängern. Dem Anwalt zufolge zahlen die Bewohnerinnen weiter ihre Pacht.

„Nun hängt es alles vom politischen Willen des Senats ab“, sagte Heusinger. „Die Signalwirkung ist klar.“ Derzeit suchen Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) ein Tauschgrundstück für Padovicz. Einem Kenner der Vorgänge zufolge befasse man sich intern schon mit einer "augenscheinlich mindestens angemessen" guten Immobilie, die der Liebig-34-Eigentümer dann als Ersatz bekäme. Schmidt hatte, wie berichtet, den rot-rot-grünen Senat und das Abgeordnetenhaus aufgefordert, "sich mit dem Haus zu beschäftigen".

Das tun im Landesparlament einige, allen voran Tom Schreiber, Innenpolitiker der SPD-Fraktion. Er beobachtet die Situation im Kiez rund um die Rigaer Straße seit Jahren, legte 2017 einen „10-Punkte-Plan zur Befriedung der Rigaer Straße“ vor und wird seitdem dafür von der autonomen Szene angefeindet.

Schreiber kritisierte die nun erneut am Beispiel „Liebig 34“ aufkommende Debatte darüber, wie mit bedrohten Hausprojekten umgegangen werden soll. „Rot-Rot-Grün hat nicht von Anfang an Tempo gemacht bei dem Thema“, sagte Schreiber. Dabei sei das Auslaufen des Pachtvertrages lange absehbar gewesen.

„Die Probleme können nicht durch Aussitzen gelöst werden“, erklärte Schreiber. Statt sich auf eine allgemeingültige Linie zu einigen und diese im Zweifel einfach auszuprobieren, werde sich immer erst dann gekümmert, „wenn es eskaliert“. In der „aufgeheizten Stimmung“, wie sie aktuell herrsche, könnten Lösungen nur schwer gefunden werden.

Schreibers Kritik richtet sich vor allem gegen Baustadtrat Schmidt. Der wolle kurz vor dem 1. Mai bei den Anhängern der linksextremen Szene „punkten“, sein Vorstoß sei „klar und offensichtlich“ strategischer Natur. „Es hat einen Mobilisierungseffekt, das Thema jetzt auf die Tagesordnung zu bringen“, warf der SPD-Innenpolitiker dem Baustadtrat vor. Schreiber zeigte sich davon überzeugt, dass die Ankauf-Pläne des Baustadtrats auch auf der am kommenden Mittwoch voraussichtlich durch den Rigaer-Kiez ziehenden revolutionären 1. Mai-Demonstration eine Rolle spielen werden.

Während sich am Dienstag Vertreter aller Koalitionsfraktionen – auch aus der SPD – dafür ausgesprochen hatten, eine Räumung der „Liebig 34“ verhindern zu wollen, machte Schreiber klar, dass ein Räumungstitel auch umgesetzt werden müsse. „Am Ende sind wir ein Rechtsstaat. Wenn geräumt werden muss, wird geräumt“, sagte er. Schreiber sprach von einem „absolut legitimen Mittel“, das durch- und umgesetzt werden müsse.

Schreiber wollte nicht ausschließen, dass in diesem Fall ein Einsatz wie der aus dem Jahr 2011 wiederholt werden müsse. Damals waren 2500 Polizeibeamte im Einsatz, um die Räumung eines besetzten Hauses in der Liebigstraße 14 durchzusetzen. Eine erneute Räumung hätte „einen nationalen und internationalen Effekt, die Mobilisierung wäre bedeutsam“, zeigt sich Schreiber überzeugt und meint: „Allein mit Berliner Einsatzkräften ist das nicht zu meistern.“

Der für seine Vorkaufspolitik über Friedrichshain-Kreuzberg hinaus bekannte Baustadtrat war zuvor von den "Liebig 34"-Bewohnern kritisiert worden. Sie hatten ihm vorgeworfen, "im stillen Kämmerlein" und an der Seite von Gijora Padovicz über den Altbau zu verhandeln. In dem als Hausbesetzerkiez bekannten Viertel gab es immer wieder Streit mit der Polizei. Mit Razzien in Hausprojekten in der Rigaer Straße befassten sich nicht nur Polizeiführung und Innensenator Andreas Geisel (SPD), sondern die gesamte Koalition. Am 1. Mai wollen Linksradikale durch den Kiez demonstrieren.

Hannes Heine, Robert Kiesel

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