Berlin: Bern grüßt Berlin
Zwischen Dreh und Kinosaal steht die Post-Production – ein Besuch im Kopierwerk Schwarzfilm
Neben all dem Hightech-Equipment in den anderen Räumen der Firma Schwarzfilm wirken die alten Filmprojektoren im Vorführraum geradezu antiquarisch – schmuckloses, funktionales Design, Stahlmantel, Modell unverwüstlich. „Alles voll funktionstüchtig“, sagt Thomas Mulack und streicht mit der Hand über das Metall, öffnet eine Klappe und zeigt das karge Innenleben der Maschinen.
Trotzdem werden die Apparate demnächst gegen digitale Projektoren ausgetauscht. In dem alten AEG-Gebäude am Hohenzollerndamm, in dem die Firma Schwarzfilm ansässig ist, soll einer der größten Arbeitsräume für digitale Lichtbestimmung in Deutschland entstehen. Auf dem Gebiet ist Schwarzfilm zu Hause. Das 1945 gegründete Schweizer Kopierwerk, das seit 2000 eine Dependance mit 15 Mitarbeitern in Berlin unterhält, ist im Filmbereich Spezialist für die Bildbearbeitung in der Post-Production – also für die Arbeitsschritte, die nach dem eigentlichen Dreh anfallen: Entwicklung, Schnitt, Farb- sowie Lichtoptimierung und – immer wichtiger – Digitalisierung. Die Fernsehserie „Edel und Starck“ erhielt hier ihr visuelles Feintuning. Ebenso die Kinofilme „Good bye, Lenin!“, „Sommer vorm Balkon“ oder „Heimatklänge“, eine Dokumentation über Schweizer Musiker, die auf der heute startenden Berlinale gezeigt wird. Derzeit läuft unter anderem der neue Film von Leander Haußmann „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ durch die Maschinen.
„Die Auswechslung der Projektoren ist bezeichnend für den Technologiewandel der letzten Jahre“, sagt Christiane Joël, Leiterin der Administration bei Schwarzfilm in Berlin. „Schließlich wurden hundert Jahre lang mehr oder weniger die gleichen Apparate und Materialien für die Filmproduktion verwendet.“ Bei der Filmbearbeitung gehe ohne digitale Technologie inzwischen aber so gut wie nichts mehr. Die Vorteile der digitalen Arbeit liegt für Mulack auf der Hand: Digitale Bilder könnten viel präziser bearbeitet werden als herkömmliches Material“, erzählt er. Trotzdem sei die Technik, mit der derzeit im Filmgeschäft gearbeitet wird, noch ein Kompromiss. Um an die Qualität von Zelluloid heranzureichen, fehle es momentan schlicht an Speicherplatz. Für eine vergleichbare Qualität bräuchte ein einziges digitales Bild rund 60 bis 70 Megabyte Festplattenkapazität. Für einen 90-minütigen Kinofilm mit rund 135 000 Bildern würden so mehr als 8 Millionen Megabyte benötigt. Die würden mehr als 11 000 CDs füllen. Bis Kinofilme also per Satellit oder Glasfaserleitung in die Kinos geschickt werden, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen. „Doch auch dann wird der klassische 35-Millimeter-Film nicht verschwinden“, sagt Mulack. „Schon aus Gründen der Ästhetik.“ Aufnahmen auf Zelluloid haben eine größere Tiefenschärfe und sind deshalb bei vielen Regisseuren beliebt. So beginnt auch die Arbeit im Postproduktionshaus meist noch mit dem klassischen Material. Und das verursacht mitunter eine Menge Krach. Im Entwicklungsraum laufen gerade Filmstreifen durch eine gut fünf Meter lange, lärmende Maschine. „Hier wird ’Transsiberian’, der neue Film mit Ben Kingsley entwickelt“, schreit Mulack gegen den Lärm an. „Das funktioniert wie bei Fotos“, erklärt er auf dem Weg in den nächsten Raum. Hier findet fast völlig geräuschlos die Digitalisierung der entwickelten Filmstreifen statt. „Das Prinzip dabei ist das- selbe wie in den fünfziger Jahren“, erklärt Mulack. „Damals wurden Filme von der Leinwand mit der Fernsehkamera abgefilmt, um sie senden zu können. Heute macht das eine einzige Maschine.“ Das so eingelesene und auf Festplatten gespeicherte Material kann dann von den Technikern optimiert werden. Im Dunkel sitzen sie vor riesigen Monitoren an Pulten, die wie die futuristischen Armaturen von Raumschiffen aussehen. Nur der bei Kinoproduktionen noch notwendige Rücktransport von der Festplatte auf Zelluloid findet in der Firmenzentrale in Bern statt.
Dort sitzt Geschäftsführer Philipp Tschäppät. Als Sohn des ehemaligen Berner Bürgermeisters Reynold Tschäppät, der zusammen mit dem damaligen Berliner Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt die Städtefreundschaft „Bern grüßt Berlin“ in die Wege leitete, verbindet ihn eine lange Geschichte mit der Hauptstadt. Der Aufbau der hiesigen Dependance hatte für Tschäppät jedoch mehr als nur nostalgische Gründe. „Berlin ist die Stadt mit der größten Kinoperspektive in Deutschland“, sagt er. „In Berlin gibt es die besten Drehorte und das zu Preisen, die in Köln oder München nicht möglich wären.“ Ein weitere Grund sei darüber hinaus die Wirtschaftsförderung des Landes gewesen (siehe Text unten).
Durch Schwarzfilm ist auch Filmgerätehersteller Arri wieder mit einem Postproduktionshaus in Berlin vertreten. Seit November 2006 ist Schwarzfilm eine Tochter der in München ansässigen Firma, die bis März 2000 ein eigenes Kopierwerk in Spandau unterhielt. Schwarzfilm freue sich über den starken Partner, sagt Thomas Mulack. Ohne Arri wäre es auf Dauer schwerer geworden, sich auf dem Markt zu behaupten. Da Berlin bei Filmproduzenten so beliebt sei, steige die Konkurrenz in der Stadt täglich.
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