Stadtgrün und Trockenheit: Berlins Stadtbäume müssen gegossen werden – aber von wem?
Wegen Dürre und Hitze sterben in Berlin jährlich Hunderte Straßenbäume. Die SPD, die Grünen und die Bezirke streiten, wer fürs Gießen zuständig ist.
Die Straßenbäume sind den Berlinern lieb – und immer teurer: Im vergangenen Jahr wuchs die Spendensumme für die Stadtbaumkampagne des Senats von zuvor 290 000 auf fast 430 000 Euro. Das reicht rechnerisch für 860 Neupflanzungen zusätzlich zum regulären Budget – aber auch die genügen nicht annähernd, um den Schwund durch die zunehmend dramatischen Wetterkapriolen auszugleichen.
In fast allen Bezirken starben wegen der Dürre und Hitze der vergangenen beiden Jahre Hunderte Straßenbäume. Die exakte Zahl ist nicht bekannt, weil die Daten teils mit langer Verzögerung gesammelt und die Todesursachen vieler Bäume nicht klar einem Anlass zuzuordnen sind. Sicher ist aber, dass Tod durch Vertrocknen nicht mehr akzeptabel ist – weder politisch noch ökologisch.
Angesichts der schon wieder völlig ausgetrockneten Böden erneuerte SPD-Umweltpolitiker Daniel Buchholz seine Forderung nach einem „Sommerdienst“, also einer dauerhaften Infrastruktur aus Technik und Personal, um bei Trockenheit rechtzeitig zu wässern. Die Ressourcen könnten von Landesunternehmen wie der BSR, von den Bezirksämtern oder von Privaten vorgehalten werden, vergleichbar dem seit 2011 klar geregelten Winterdienst.
Warum der seit 2018 kursierende Sommerdienst-Plan nicht umgesetzt wird? „Vorsichtig gesagt stoßen wir da auf nicht ganz offene Türen bei unseren Koalitionspartnern“, sagt Buchholz.
Eichen halten Trockenheit gut aus
Eine Behauptung, die insbesondere die Grünen allmählich nervt. Die monieren, dass die SPD nur ein wohlklingendes Etikett auf eine vor allem von ihnen forcierte Initiative kleben wolle. Umweltpolitiker Georg Kössler sagt, die Debatte des Vorjahres habe ergeben, dass die Bezirke vor allem mehr Geld brauchen – was sie nun auch bekämen. Je nach Berechnung komme man auf fast 50 Millionen Euro. „Wenn wir nach einem oder zwei Jahren sehen, dass die Strukturen trotz des Geldes nicht ausreichen, müssen wir dann darüber reden“, sagt Kössler.
Auch aus der Umweltverwaltung ist zu hören, dass der Aufbau einer zentralen Logistik falsch wäre, sondern lieber gut ausgestattete Bezirksämter sich um die Bäume in ihren Kiezen kümmern, die sie selbst am besten kennen. Wie von den Bezirken gefordert sei der Pflegezuschuss pro Baum und Jahr von 48 auf 82 Euro erhöht worden.
Zusätzlich gelte eine 2019 geschlossene Vereinbarung zur „Notfallbewässerung“ etwa durch die BSR weiterhin. Im vergangenen Jahr hatten allerdings mehrere Bezirke lieber private Firmen engagiert, weil ihnen der Service der BSR schlicht zu teuer war.
Bäume brauchen besonders im Frühjahr Hilfe
Christian Hoenig, Baumreferent beim Umweltverband BUND und gelernter Förster, hält den dezentralen Ansatz für den richtigen. „Mit 80 bis 100 Euro pro Jahr kann man einen Straßenbaum vernünftig pflegen.“ Während nur große Bäume im Urstromtal das Grundwasser erreichen könnten, bräuchten die anderen vor allem in den trockenen Frühjahren dringend Hilfe.
„Vor allem Eichen halten Trockenheit gut aus, sofern sie im Frühling ordentlich versorgt wurden.“ Wichtiger als ein Sommerdienst wäre also ein Frühlingsdienst, der den Bäumen außer viel Wasser auch Kalium spendieren sollte, das als Dünger wirke und die Konzentration des Tausalzes im Wurzelbereich verringere.
„Ein Baum kann sich seine Nahrung nicht aussuchen, und das über die Jahre im Boden angereicherte Tausalz war bisher Baumkiller Nummer eins.“ Dieses Problem betrifft vor allem Bäume an Hauptstraßen; im Nebennetz und auf Privatgrundstücken sowie Gehwegen ist Tausalz in Berlin verboten.
Bäume mindern Auswirkungen des Klimawandels
Trockenheit im Frühjahr lässt Bäume schlechter in die Saison starten: Sie bilden kleinere und weniger Blätter aus, was sowohl ihre eigene Versorgung als auch ihren Effekt fürs Stadtklima schmälert. „Bäume sind das effektivste Mittel zur Anpassung an den Klimawandel“, sagt Hoenig: Das Straßenland sei in ihrem Schatten bis zu zehn Grad kühler – und die nächtliche Hitzeabstrahlung entsprechend geringer. Man stelle sich die coronabedingten Ausgangsbeschränkungen im Hochsommer vor, sagt Hoenig: In vielen Wohnungen würde es wegen der Hitze unerträglich und für Risikogruppen womöglich lebensgefährlich.
Nach Auskunft von Felix Weisbrich, Grünflächenamtsleiter von Friedrichshain-Kreuzberg, fehlt es nicht mehr an Geld, sondern an Personal: Mit jährlich schwankenden Zuweisungen könne man keinen dauerhaft ausreichenden Personalstamm aufbauen.
Auch Weisbrich lehnt eine zentrale Infrastruktur ab: „Für die nächsten Jahrzehnte eine Flotte aus Tankwagen zu betreiben, ist nicht nachhaltig.“ Mobile Bewässerung sei als Notlösung gut, aber besser wäre auf Dauer, die Baumstandorte aufzuwerten – durch tiefer gegrabene Pflanzlöcher und eingebaute Bewässerungssysteme und die Zuleitung von Regenwasser, das bei heftigen Güssen bisher zusammen mit Hausabwässern die Spree verdreckt.