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Dauerproblem. Erst vor sieben Jahren ist die Fahrbahn an der Potsdamer Straße/ Ecke Pohlstraße in Tiergarten erneuert worden. Nun ist die Kreuzung erneut gesperrt. Für wie lange weiß niemand.
© Kai-Uwe Heinrich

Auf Sand gebaut: Berlins schlechte Straßen

Der Asphalt auf der Potsdamer Straße ist abgesackt – mal wieder. In den Bezirken fehlt einfach das Geld für die Instandhaltung.

Unter Berlins Asphalt schlummert der Sand. Wenn der weggespült wird, bricht die Straße darüber einfach ein. So geschehen mal wieder am Donnerstagabend  auf der Potsdamer Straße in Tiergarten. Polizei und Verkehrsinformationszentrale warnen vor der „Gefahrenstelle“ auf der Kreuzung Pohlstraße, statt zwei Fahrbahnen pro Richtung gibt es nur noch eine, deshalb: Staugefahr. Auf derselben Kreuzung war der Asphalt vor Jahren schon einmal abgesackt, nachdem die Wasserbetriebe dort 2006 die Rohre erneuert hatten. Im August 2007 war die Fahrbahn auf der Kreuzung ein weiteres Mal erneuert worden – gehalten hat auch das keine sieben Jahre. Am Freitag sagte eine Sprecherin der Wasserbetriebe, dass die Rohre intakt seien. Die Ursache des Absackens sei völlig unklar. Sie versichert aber, dass das Tiefbauamt streng kontrolliere, wenn Straßen nach Tiefbauarbeiten neu asphaltiert werden.

Die Potsdamer Straße ist nicht das einzige Beispiel dieser Art. Vor wenigen Jahren wurde das Reichpietschufer zwischen Schöneberger Straße und Köthener Straße tipptopp saniert, mit glattem Asphalt.  Allerdings sackte vor allem die linke Spur vor der Köthener Brücke kurz danach wieder ab. Schnell fahrende Autos heben an dieser Stelle regelrecht ab. Diese Riesenwelle traf selbst den Papst, der bei seinem Besuch in Berlin die Stelle passierte – und kräftig ins Schaukeln kam. Wieso diese Gefahrenstelle nicht als Gewährleistung von der ausführenden Tiefbaufirma repariert wurde, konnte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg am Freitag nicht sagen.

Dass allein Frost und Schneefall den Straßen zusetzen, ist nur ein Teil der Wahrheit. Voraussetzung für größere Schäden sind Risse in den Fahrbahnen. Und die entstehen durch lang anhaltenden Verschleiß. In diese Risse dringen Regen und Schnee ein, gefrieren und zerreißen die Fahrbahn anschließend regelrecht. Für diese „Frostsprengung“ haben Straßenbauexperten ein schönes Bild: „Das Prinzip Wasserflasche im Tiefkühlfach“ – dem Druck des sich ausdehnenden gefrorenen Wassers hält Asphalt auch nicht stand.

2,5 Millionen Euro hat Mitte jedes Jahr aus dem „Schlaglochprogramm“

„In der Größenordnung wie wir Straßen reparieren, entstehen an anderer Stelle neue Schäden“, sagt Thomas Schuster, Fachbereichsleiter Straßenaufsicht und -unterhaltung im Bezirk Mitte. Zwar verfüge der Bezirk jährlich über 2,5 Millionen Euro aus dem „Schlaglochprogramm“ des Landes. Eine Grundinstandsetzung von Straßen sei damit aber nur bedingt möglich und eigentlich mit Straßenunterhaltungsmitteln auch nicht angezeigt. Vielmehr bräuchte es Investitionen – doch die wurden schon vor Jahren gestrichen. „Nun rennen wir den Problemen hinterher“, sagt Schuster.

Denn mit dem Schlaglochprogramm können die Bezirke im besten Fall zwei der drei Asphaltschichten einer gerissenen Straßendecke auf einer begrenzten Fläche erneuern. Diese „Unterhaltungsmaßnahme“ hält dann bis zu zehn Jahre. Und es ersetzt keine Grundinstandsetzung, die bei vielen Straßen längst erforderlich wäre. Deshalb schiebt allein der Bezirk Mitte einen Sanierungsstau in Höhe von 50 Millionen Euro vor sich her. Der ADAC beziffert den Sanierungsstau stadtweit auf etwa 500 Millionen Euro. Geld, das weit und breit nicht in Sicht ist. Die Fachgemeinschaft Bau warnt seit Jahren davor, dass hier auf Verschleiß gefahren werde. Die Straßenschäden seien mittlerweile auf besorgniserregendem Niveau, sagte der Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft, Reinhold Dellmann. Er war früher Verkehrsminister in Brandenburg. „Statt Sonderprogrammen brauchen wir eine nachhaltige Strategie zur Erhaltung der öffentlichen Infrastruktur, deren Kern die Erhöhung der öffentlichen Mittel sowie die Bereitstellung von mehr qualifiziertem Personal in den zuständigen öffentlichen Verwaltungen sein muss“, sagte Dellmann. Ein weiteres Problem stelle die mangelnde Koordination von Bauarbeiten der Leitungsunternehmen in der Vergangenheit dar, was immer wieder dazu geführt habe, dass Straßen mehrfach aufgerissen und immer wieder repariert worden seien. Die Fachgemeinschaft unterstütze daher das Wiedereinführen des „Aufgrabeverbots“ durch Stadtentwicklungssenator Müller.

Auch der Personalmangel in den Ämtern ist ein Problem

„Wir sind so weit wie einst die DDR“, sagte ein Tiefbauexperte. Man lebe vom Substanzverzehr und nehme ihn in Kauf, um jetzt den Haushalt einigermaßen auszugleichen. Ein Tiefpunkt war 2010 erreicht, als die Arnulfstraße in Tempelhof wegen der immer größer werdenden Schlaglöcher nur noch mit Tempo 10 befahren werden durfte. Sogar auf der Bundesstraße B 2 in Malchow musste jahrelang wegen des schlechten Zustandes ein Limit von 10 km/h verhängt werden.

Hinzu kommt das mangelnde Personal in den Ämtern – ausgelöst durch seit Jahren andauernde Sparrunden im Lande. Selbst wenn der Senat ein Investitionsprogramm für das marode Berliner Straßenland auflegen würde, könnten die wenigen verbliebenen Mitarbeiter der Tiefbauämter in den Bezirken die zusätzlichen Aufgaben kaum bewältigen.

Einige Bezirke setzen auf die Mithilfe von Auto- und Radfahrern und bieten einen „Schlaglochmelder“ im Internet an, so Steglitz-Zehlendorf, Spandau, Treptow-Köpenick und Lichtenberg. Zu finden sind die Formulare oder E-Mail-Adressen unter www.berlin.de und der Suche „Schlaglochmelder“.

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