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Planespotter auf einem Dach am Kurt-Schumacher-Damm.
© Florenz Gilly

Ein Flughafen, sie zu versöhnen: Berlins Planespotter-Community und der BER

Nah, markant, nostalgisch – unter Planespottern ist der Flughafen Tegel sehr beliebt. Kann der BER da mithalten?

Von Florenz Gilly

Plötzlich geht alles ganz schnell, ein immer lauter werdendes Dröhnen, dann taucht sie auf: strahlend weißer Rumpf, roter Schriftzug und auf der Flosse das Schweizerkreuz.

Ein gutes Dutzend Planespotter ist auf die Wiese vor der Julius-Leber-Kaserne in Tegel gekommen, um die 14-Uhr-Maschine aus Zürich abzupassen. Eine Swiss B777. Sie soll Schweizer Staatsbürger aus dem Corona-Risikogebiet Berlin zurückholen. Luftbrücke reloaded.

Die Spotter, bis auf eine Frau alles Männer, richten ihre Kameras auf den Himmel. Wie beim Tontaubenschießen ziehen sie mit. Klick, klick, klick. Und schon ist der Flieger wieder verschwunden.

Man kennt sich. Man hat schon oft hier zusammengestanden und Flugzeuge fotografiert. Für die Sammlung – so wie andere Briefmarken sammeln. Doch in zehn Tagen wird der bei Planespottern so beliebte TXL endgültig schließen.

Für die Community stellt sich die Frage: Was dann? „Wir müssen uns arrangieren, dass da unten ein Flughafen aufmacht, der keinen von uns großartig interessiert“, sagt Planespotter und Journalist Tommy Pfeiffer, während er in einem Treppenaufgang des Tegeler Hexagons steht – unter ihm die Besucherdachterrasse.

Gute Ausbeute. Tommy Pfeiffer im sogenannten Glasturm des Flughafens Tegel.
Gute Ausbeute. Tommy Pfeiffer im sogenannten Glasturm des Flughafens Tegel.
© Florenz Gilly

Viele Highlights hat Pfeiffer von dort aus gesehen: die Air Force One von US-Präsident Donald Trump, die Boeing 747, die die Nationalelf nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 aus Brasilien einflog, die letzte Maschine von Air Berlin. Als die verabschiedete wurde – mit einer doppelten Wassertaufe –, „musste ich schon ein Tränchen verdrücken“, erzählt Pfeiffer.

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Am 8. November, wenn in Tegel das allerletzte Flugzeug startet – eine Air France, wie schon 1960 –, wird Pfeiffer auch vor Ort sein. Und danach? Nach Schönefeld zum BER zieht es ihn nicht. Was soll er da, an diesem Allerweltsflughafen?

Nicht so schlecht, wie alle immer sagen

Positiver sieht es Planespotter Oliver Pritzkow aus Weißensee – aber auch er hat Vorbehalte. Klar, wenn er nicht mehr 20, sondern 50 Minuten fährt, und das durch die Innenstadt, im Berufsverkehr, überlegt man es sich zweimal, ob man den Weg nach Schönefeld auf sich nimmt. Aber das Hobby aufgeben? Dazu bewegt Pritzkow das Thema schon viel zu lange.

Oliver Pritzkows Motto: Erstmal haben und dann in Schön.
Oliver Pritzkows Motto: Erstmal haben und dann in Schön.
© Florenz Gilly

Sogar seine Diplomarbeit hat der studierte Ethnologe dem Sammeln von Flugzeugfotos gewidmet. Sein Motto beim Fotografieren: „Erstmal haben und dann in Schön.“ Das Wetter schlecht, der Winkel nicht optimal – egal, Hauptsache, das Ding ist im Kasten. Später kann man dann Experimente machen. Nahaufnahmen von Bug, Nase, Flügel.

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Auch der BER hat eine Besucherterrasse, aber die ist nach Westen ausgerichtet. Ab Mittag scheint einem die Sonne direkt in die Linse. Im Sommer flimmert die Luft. Da könne dann zwar mal „Tante Hiltrud winken“, sagt Pritzkow, aber außer für Stimmungsbilder sei das nichts.

Sicherheit vor Klarsicht

Größter Wermutstropfen: eine zentimeterdicke Glasscheibe, ideal für Fingerabdrücke, Schlieren und Wasserränder. Der Flughafengesellschaft ist das Problem bewusst: „Ich weiß, dass die Verglasung nicht bei allen gut ankommt, aber anders war das sicherheitstechnisch nicht machbar“, erklärt BER-Pressesprecher Daniel Tolksdorf.

Planespotter Pritzkow am Saatwinkler Damm. Er betreibt die Plattform berlin-spotter.de.
Planespotter Pritzkow am Saatwinkler Damm. Er betreibt die Plattform berlin-spotter.de.
© Florenz Gilly

Dabei war das Versprechen, das der BER für die Berliner Spotter-Gemeinde bereithielt, groß: Endlich sollten auch volumigere Kaliber in Berlin landen, statt den Umweg über Frankfurt oder München zu nehmen. Mit der Corona-Pandemie wurde diese Hoffnung gedämpft. Der doppelstöckige A380 – von der Lufthansa ausgemustert – und auch der Jumbo-Jet A370 wird am BER nur selten zu Gast sein.

[Endlich fertig! Aus der Dauerbaustelle BER wird ein internationaler Flughafen. Doch viele Probleme bleiben. Lesen Sie alle Beiträge zum neuen Hauptstadtflughafen auf unserer Themenseite.]

Getrübte Aussichten also für die Berliner Spotter-Community, die scheinbar heute noch in zwei Lager geteilt ist: in Tegel-Nostalgiker und Schönefeldianer. Oft hat das mit der Tradition zu tun.

Zaungäste. Schaulustige und Planespotter stehen rund ums Tegeler Flughafengelände.
Zaungäste. Schaulustige und Planespotter stehen rund ums Tegeler Flughafengelände.
© Florenz Gilly
Ein Flughafen wie kein anderer. Tommy Pfeiffer vor dem alten TXL.
Ein Flughafen wie kein anderer. Tommy Pfeiffer vor dem alten TXL.
© Florenz Gilly

Oliver Pritzkow zum Beispiel ist an der Bornholmer Straße aufgewachsen. Als Kind hörte er die Westflieger über seine Wohnung donnern. Und an Wochenenden zeltete er mit seinen Eltern in der Einflugschneise von Schönefeld.

[Adieu TXL: 46 Jahre flog Berlin auf Tegel, im November ist Schluss im Hexagon. Wir erinnern an Kofferberge, Prominenz im Provinz-Flair und schauen, wer in Zukunft im Berliner Norden landet. Die Themenseite TXL]

Tommy Pfeiffer wiederum wohnt keine fünf Minuten von Tegel entfernt und ist schon unzählige Male von dort abgeflogen, von dem „Flughafen der kurzen Wege“.

Vielleicht hat der BER das Zeug, das zu schaffen, was in 30 Jahren nicht gelungen ist: die Planespotter-Community zu einen. Wer weiter Flugzeuge gucken will, hat in Zukunft jedenfalls nur eine Möglichkeit: den BER.

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