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Heizer bis wolkig. Das Heizkraftwerk Reuter West mit dem markanten Kühlturm wurde in den 1980ern direkt neben dem kleineren Kraftwerk Reuter gebaut.
© picture-alliance/ dpa

Kraftwerk Reuter West von Vattenfall: Berlins größter Energielieferant wird 25

Vor 25 Jahren ging Berlins größtes Heizkraftwerk in Betrieb. Es versorgt fast die halbe Stadt mit Strom und Wärme - und ist zugleich der größte Luftverschmutzer in Berlin.

Der heißeste Berliner wird 25: Am 3. Februar 1989 ging das Heizkraftwerk Reuter West nach erfolgreichem Probelauf offiziell in Betrieb. Neun Monate vor dem Mauerfall war die „Strom- Insel“ West-Berlin in ihrer Energieversorgung ein großes Stück unabhängiger geworden – abgesehen davon, dass die Steinkohle fürs Kraftwerk durch die DDR nach Spandau transportiert wurde.

An kalten Tagen reicht eine Schiffsladung von 500 Tonnen für nicht einmal zwei Stunden: In einem 1100 Grad heißen Höllenfeuer verbrennt die zu Staub zermahlene Kohle in den beiden Kraftwerksblöcken. In einem System aus Rohren wird Wasser mit gigantischen 200 Bar gedrückt und zu mehr als 500 Grad heißem Dampf. Der schießt durch Turbinen, die nach demselben Prinzip funktionieren wie Fahrraddynamos. Mit dem Unterschied, dass ihr Strom den Bedarf von einer Million Haushalten deckt. Damit ist Reuter West bis heute das größte Kraftwerk der ganzen Stadt.

Dass zum Kraftwerk auch der dickste Berliner gehört, schmerzt die Ingenieure: Wegen der Nähe zum Flughafen Tegel durfte die Bewag den Kühlturm nur knapp 100 Meter hoch bauen. Dabei sind kurze Dicke weniger effizient als lange.

Wäre die Mauer ein paar Jahre früher gefallen, hätte das Kraftwerk in Nachbarschaft des 1931 errichteten „Reuter“ wohl eine Nummer kleiner werden dürfen. Aber seine arg zentrale Lage hat bis heute den Vorteil, dass sich die Abwärme als Fernwärme auf kurzem Weg zu mehr als 400 000 Wohnungen transportieren lässt. In diesem Punkt hängen die Berliner Vattenfall-Kraftwerke allesamt ihre Kollegen in der Lausitz ab, die ihren Brennstoff mangels Fernwärmeabnehmern nur etwa halb so effektiv nutzen.

Doch auch für effiziente Kohlekraftwerke haben sich die Zeiten geändert, seit an sonnigen Tagen eine Riesenwelle Solarstrom aus dem Umland nach Berlin schwappt und an windigen der aus den Windrädern. Weil der Ökostrom laut Gesetz Vorrang im Netz hat, müssen die konventionellen Kraftwerke gedrosselt werden. Da allerdings im Winter der Fernwärmefluss nicht versiegen darf, lässt sich Reuter West nicht einfach abschalten. Um Schwankungen zu dämpfen, will Vattenfall in diesem Jahr mit dem Bau eines Fernwärmespeichers auf dem Kraftwerksgelände beginnen. Der Heißwasserbehälter wird etwa halb so hoch wie der Kühlturm und soll jährlich bis zu 100 000 Tonnen CO2-Ausstoß vermeiden.

Bauchgefühl. Im Raum nebenan wird Kohle bei 1100 Grad verbrannt.
Bauchgefühl. Im Raum nebenan wird Kohle bei 1100 Grad verbrannt.
© Doris S.-Klaas

Eine Modernisierung dieser Art ist auch deshalb angebracht, weil Reuter West trotz zeitgemäßer Rauchgasreinigung der größte Luftverschmutzer in Berlin ist: Auf dem globalen Klimasündenkonto schlägt es laut Umweltbundesamt mit 2,6 Millionen Tonnen CO2 zu Buche (Stand: 2011). Das entspricht fast 15 Prozent aller in Berlin entstehenden Emissionen des Treibhausgases.

Lokal noch interessanter sind die 1700 Tonnen Stickoxide, 774 Tonnen Schwefeloxide sowie 28 Kilo Arsen und 25 Kilo Quecksilber. Letztere sind teils in chemischen Verbindungen fixiert und dank Verteilung über den Schornstein kein Grund, gleich wegzuziehen. Aber sie zeigen, dass es gute Gründe gibt, eines Tages ohne Kohlekraftwerke auszukommen.

Im Vergleich zu den Lausitzer Braunkohlekraftwerken hat Spandaus Steinkohleriese fast eine weiße Weste. So bringt es das Kraftwerk Jänschwalde bei Cottbus bei fünffacher elektrischer Leistung (Wärme erzeugt es kaum) auf rund 24 Millionen Tonnen CO2, 350 Kilo Quecksilber und mehr als 120 Kilo Arsen.

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