Zu viel Arbeit, zu wenig Potenzial: Berlins Bürgerämter sind überlastet
Die Bürgerämter schaffen ihre Arbeit kaum noch und schließen die Wartenummern-Ausgabe immer öfter nur eine Stunde nach Öffnung der Ämter. Die ersten stellen schon auf die Terminvergabe um.
Manfred Brünner ist genervt. Am Dienstag um halb eins steht er vor der Wartenummer-Ausgabe im Bürgeramt des Rathauses Mitte und kann auf dem Bildschirm nur noch lesen, dass die Ausgabe der Wartenummern abgebrochen wurde. "Dabei brauche ich dringend einen Express-Reisepass für eine geschäftliche Amerikareise", sagt Brünner. So wie ihm geht es derzeit vielen Berlinern. "Als wir das Bürgeramt um viertel vor elf geöffnet haben, war die Eingangshalle schon voll mit Menschen. Um zwölf mussten wir die Wartenummern-Ausgabe aufgrund des Andrangs einstellen", sagt ein Mitarbeiter. "Derjenige, der die letzte Wartenummer um zwölf gezogen hat, wird wohl um 18.30 Uhr drankommen."
Um die Situation zu entspannen, stellen die ersten Bezirke darauf um, nur feste Termine zu vergeben. Bisher gab es die Terminvereinbarung per Telefon oder Internet nur als Zusatzservice. Je nach Bezirk muss man unterschiedlich lange Vorlaufzeiten in Kauf nehmen. Bei einem Tagesspiegel-Test dauerte es, wie berichtet, am längsten im Rathaus Spandau (sieben Wochen), am schnellsten ging es im Reinickendorfer Ortsteil Heiligensee (vier Tage). Seit Jahresbeginn testet Tempelhof-Schöneberg das neue System im Bürgeramt an der Lichtenrader Briesingstraße. Mit Ausnahme von Notfällen werden hier nur noch Klienten, die Termine vereinbart haben, abgefertigt - zur Zufriedenheit aller Beteiligten, wie der zuständige Stadtrat Oliver Schworck (SPD) feststellte. Die Vorlaufzeit lag bei durchschnittlich einer Woche. Deshalb werden ab 1. August auch die beiden anderen Bürgerämter des Bezirks in den Rathäusern Schöneberg und Tempelhof umgestellt. Damit ist Tempelhof-Schöneberg Vorreiter in Berlin. Ganz so weit will Schworcks Kollege Stephan von Dassel (Grüne) in Mitte nicht gehen. Montags kann man es dort noch spontan versuchen. An den übrigen Wochentagen geht in den Rathäusern Mitte, Tiergarten und Wedding dagegen ab 1. August nichts mehr ohne Termin.
Am Sonnabend gilt schon jetzt in der einzigen an diesem Tag geöffneten Außenstelle Tiergarten Terminpflicht. In Lichtenberg muss während der Sommerzeit wegen der anhaltend schlechten Personalsituation je eines der vier Bürgerämter geschlossen werden. Bis 27. Juli ist das die Filiale in Friedrichsfelde (Center am Tierpark), vom 30. Juli bis 31. August stellt das Bürgeramt in Alt-Hohenschönhausen (Große-Leege -Straße) seinen Betrieb ein. "Davon verspreche ich mir, dass der Service wieder erhöht und der gewohnte Standard wieder erreicht werden kann", sagt Stadtrat Andreas Prüfer (Linke). Auch wenn sich der Bezirk noch nicht auf reinen Terminbetrieb einlassen will, empfiehlt er diesen Service. In Marzahn-Hellersdorf hat Stadtrat Stephan Richter (SPD) "angesichts der teilweise dramatisch veränderten Situation" ebenfalls die Notbremse gezogen. Ab August entfällt die stark genutzte Sprechstunde am Sonnabend, die bisher im Biesdorf-Center stattfindet. Dafür werden die Sprechstunden der vier Bürgerämter dienstags und donnerstags um eine Stunde nach hinten verschoben, um Klienten bis 19 Uhr Gelegenheit zum Besuch der Behörde zu geben.
Berlins schlechtesten Service bietet weiter Spandau, wo es nur noch ein funktionstüchtiges Bürgeramt im Rathaus gibt. Die Filiale in Kladow wurde dauerhaft geschlossen, die in der Wasserstadt Oberhavel läuft wegen personeller Engpässe nur noch im Notbetrieb für Terminkunden und zur Ausgabe von Dokumenten. Sie soll nach den Plänen von Stadtrat Stephan Machulik (SPD) ebenfalls in absehbarer Zukunft aufgegeben werden. Von den Schließungen in Spandau besonders betroffen sind die Bürgerämter in Charlottenburg. Da diese von Spandau aus direkt mit der U7 erreicht werden können, kommen viele Spandauer hierher. "Dadurch müssen unsere Mitarbeiter viel mehr Anfragen bearbeiten", sagt der stellvertretende Bezirksbürgermeister Klaus-Dieter Gröhler. "Die Situation ist nicht mehr akzeptabel. Wartezeiten von vier Stunden sind nicht vertretbar." Die große Nachfrage erklärt Gröhler so: "Das liegt zum einen an der Ferienzeit, zum anderen aber auch an den neuen Ausweisregeln für Kinder." Doch das Kernproblem sei, dass zu wenig Personal da sei. "Wir brauchen mehr Mitarbeiter, anders ist der Ansturm nicht zu bewältigen."
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