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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) spricht beim Tagesspiegel Wirtschaftsclub am 9. Mai 2019.
© Christoph Assmann/Berlin/Tagesspiegel

Michael Müller im Tagesspiegel-Wirtschaftsclub: „Berlins Baumaßnahmen werden Schmerzen auslösen“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat die Berliner aufgerufen, stolz auf ihre wachsende Stadt zu sein. Aber: „Wir müssen bauen.“

Müller sprach am Donnerstagabend im Verlagshaus am Askanischen Platz als Gast beim Tagesspiegel Wirtschaftsclub zum Thema "Innovationsstadt Berlin – Smartes Wissen für die Wirtschaft". In dem Zusammenhang bekannte er sich zur wachsenden Stadt Berlin, die in den vergangenen Jahren einen Nettozuzug von rund 40.000 Menschen erfahren habe.

"Wenn wir wollen, dass die Leute weiter hierher kommen – und ich will es – müssen wir bauen", sagte der SPD-Politiker. "Und sie werden Schmerzen auslösen, diese ganzen Baumaßnahmen". Denn die Stadt werde verdichtet, es würden Dachgeschosse ausgebaut werden, Brachen verschwinden, auch einzelne Kleingärten – und in der kommenden Legislaturperiode werde auch die Randbebauung des Tempelhofer Feldes wieder "eine Rolle spielen", sagte er voraus.

Michael Müller äußerte Verständnis für die Anliegen der Berliner, die davon unmittelbar betroffen seien, appellierte zugleich an die Bevölkerung, stolz zu sein, dass Berlin mittlerweile seine Rolle als Hauptstadt gefunden habe und international als "Stadt der Freiheit" bezeichnet werde. Hier könne man ohne staatliche Eingriffe forschen und leben – anders als aktuell zum Beispiel in Ungarns Hauptstadt Budapest, in der Türkei oder sogar der britischen Universitätsstadt Oxford – wegen des Brexits.

"40.000 Menschen kommen hier an – und nicht in Wuppertal", sagte Müller weiter. "Wer nicht will, dass Berlin auf dem Niveau der 90er-Jahre stehenbleibt, der muss Baumaßnahmen zulassen", erklärte er vor rund 150 Gästen beim Wirtschaftsclub. Es sei wichtig, "dass wir Berlin nicht runterreden, sondern stolz darauf sind, dass Berlin etwas geschafft hat, wofür andere Metropolen Jahrhunderte gebraucht haben".

Berlin sei endlich "wirklich Hauptstadt"

Berlin habe die Phase erreicht, in der die Stadt aus ihren guten Grundlagen endlich mehr machen könne. Zugleich sei es keine Selbstverständlichkeit, "dass wir da sind, wo wir sind". Man sei endlich wirklich Hauptstadt. Auch daher würden Wissenschaftsinstitutionen wie das Deutsche Internet-Institut oder das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG) in dieser Stadt angesiedelt. Auch im Siemens-Konzern habe man die Entscheidung vom vergangenen Oktober, in Siemensstadt rund 600 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 zu investieren, nicht getroffen, "weil Berlin so ein schöner Traditionsstandort ist".

Siemens sei bei dieser Investition von vielen Städten weltweit heiß umworben worden – auch mit viel Geld – habe sich aber nicht trotz, sondern auch wegen der Berliner Verwaltung und Politik für diesen Standort entschieden. Berlins Verwaltung sei zwar weit davon entfernt, eine "digitale Verwaltung" zu sein. Das werde Zeit brauchen. "Das weiß ich, aber wir gehen Schritte dahin."

Müller zeigte sich auch erfreut darüber, dass mittlerweile rund 200.000 Studierende aus aller Welt an den Hochschulen der Stadt lernen würden. Nicht alle würden hier bleiben, was auch gut sei. Aber alle Studierenden würden etwas von Berlin mit in ihre späteren Orte und Unternehmen tragen, bei denen sie beschäftigt seinen – oder die sie einmal gründen würden.

Michael Müller hielt am Donnerstagabend beim Tagesspiegel Wirtschaftsclub eine emotionale Rede.
Michael Müller hielt am Donnerstagabend beim Tagesspiegel Wirtschaftsclub eine emotionale Rede.
© Christoph Assmann/Berlin/Tagesspiegel

Der Regierende Bürgermeister warb für das Senatskonzept der sogenannten "Zukunftsorte", an denen Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten sollen. Dabei habe man von Adlershof, heute Deutschlands größer Technologiepark mit 1200 Unternehmen, gelernt. "Erstens: Die Entwicklung eines solchen Zukunftsortes dauert." Im Falle von Adlershof etwa 15 bis 20 Jahre. Und zweitens brauche es eine Mischung aus Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen. So sei es ja auch künftig auf dem Areal des heutigen Flughafens Tegel geplant.

Siemens-Managerin: Viele "crazy Leute" in Berlin

Karina Rigby, Projektleiterin für den Siemens-Campus bei der Siemens AG, bedankte sich bei Müller für dessen emotionale Einführung. "Davon kann ich jedes Wort unterschreiben", erklärte sie. Und Siemens habe die besagte Absichtserklärung tatsächlich gern unterschrieben. In ihrer Karriere habe sie auch am MIT (Massachusetts Institute of Technology) nahe Boston gearbeitet, wo schon vor 20 Jahren "crazy people" unterwegs gewesen seien, die mit 3-D-Brillen und Elektrofahrzeugen experimentiert hätten, als die noch niemand gekannt habe. Sie sei viel herumgekommen in der Welt, habe aber noch keine Stadt gesehen, wo so viel "crazy Leute" unterwegs seien, die etwas voranbringen wollten, wie in Berlin.

Siemens-Managerin Karina Rigby, Projektmanagerin für den neuen "Siemens-Campus" in Berlin, stellte das Vorhaben beim Wirtschaftsclub am 9. Mai vor.
Siemens-Managerin Karina Rigby, Projektmanagerin für den neuen "Siemens-Campus" in Berlin, stellte das Vorhaben beim Wirtschaftsclub am 9. Mai vor.
© Christoph Assmann/Berlin/Tagesspiegel

Siemens-Managerin Rigby zeigte einen aufwändig produzierten Imagefilm zum Siemens-Campus und skizzierte die nächsten Schritte. Im Juni oder August werde es einen städtebaulichen Wettbewerb geben. 15 Architekten würden bis Ende des Jahres Entwürfe vorlegen. Dann solle gebaut werden. Im Jahre 2023 sollten die ersten Mieter einziehen, ab 2030 sollte das Areal bautechnisch fertiggestellt sein. "Und wir wollen auch in einem Wettbewerb die Bürger fragen, wie es am Ende heißen soll", kündigte Rigby an.

Philipp Bouteiller , Projektmanager für die Urban Tech Republic am Flughafen Tegel beim Wirtschaftsclub.
Philipp Bouteiller , Projektmanager für die Urban Tech Republic am Flughafen Tegel beim Wirtschaftsclub.
© Christoph Assmann/Berlin/Tagesspiegel

Bis zu 6000 neue Wohnungen in Tegel

Als Impulsgeber der Veranstaltung geladen war auch Philipp Bouteiller, der seit 2012 als Geschäftsführer Tegel Projekt GmbH die Nachnutzung des dortigen Flughafens nach dessen Schließung vorantreibt. Unter dem Projektnamen "The Urban Tech Republic" solle dieses fünf Quadratkilometer große Areal entwickelt werden. Unter anderem soll dort die Beuth Hochschule für Technik Berlin einziehen und weitere universitäre Einrichtungen, Firmen und Berliner. In Tegel sollten auch mehr Wohnungen als ursprünglich geplant entstehen – in einem ersten Schritt 5000 bis 6000 Wohneinheiten für 10.000 bis 12.000 Menschen.

Bouteiller warb für eine enge Kooperation mit dem geografisch recht nahe gelegenen Siemens-Campus – und für eine verkehrstechnische Anbindung, zum Beispiel durch eine Verlängerung der S-Bahn-Trasse ("Siemens-Bahn"). "Wir werden uns gegenseitig stärken", sagte der Stadtmanager voraus.

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