Familienplanung und Karriere: Kind und Arbeit: Alles ist möglich
Die BVG-Chefin Sigrid Nikutta bekommt ihr viertes Kind. Immer mehr Frauen verbinden Karriere und Familie.
Eine komplette Auszeit will sich Sigrid Nikutta nicht gönnen. Einen „ausgedünnten Terminplan“ hat sich die BVG-Chefin bei ihrem Aufsichtsratschef, dem Finanzsenator, ausbedungen, wenn im September ihr viertes Kind zur Welt kommen soll. Und die 42-Jährige lässt keinen Zweifel daran, dass sie das Verkehrsunternehmen mit seinen 13.000 Beschäftigten genauso weiterführen wird wie bisher. Sie kann auf die Unterstützung ihres Mannes zählen, der zu Hause die Kinderbetreuung übernimmt und seinen eigenen Wiedereinstieg in den Beruf verschiebt.
Es sei leider immer noch nicht normal, dass Managerinnen oder Politikerinnen schwanger werden oder Kinder haben, sagt Regina Michalik, die in Berlin als Beraterin für Führungskräfte arbeitet: „Noch weniger normal ist es aber, dass wie im Fall von Frau Nikutta der Mann zu Hause bleibt, die Kinder betreut, seine Karriere um ein paar Jahre verschiebt.“
Wie schwer sich die Gesellschaft noch mit weiblichen schwangeren Führungskräften tut, wird am Beispiel Kristina Schröders (CDU) deutlich. Als bekannt wurde, dass die Bundesfamilienministerin ein Kind erwartet, hieß es sofort: „Wie will sie das schaffen?“ Dabei haben es Ministerinnen in Spanien und Frankreich schon in Ressorts wie Verteidigung und Justiz vorgemacht. Schröder kann sich sicher sein, dass die Öffentlichkeit genau hinschauen wird, wie sie ihre Mutterrolle mit ihrem Ministeramt verbindet.
Skepsis ist BVG-Chefin Nikutta ebenfalls gewohnt. Als sie vor einem Jahr vorgestellt wurde, gaben Mitarbeiter gegenüber Journalisten zu bedenken, ob die „junge Mutter“ – damals dreier Kinder – dem „harten Job“ bei der BVG gewachsen ist. Nikutta hat schon einige Änderungen eingeführt; der Arbeitstag wird straffer organisiert, Sitzungen dauern nicht mehr bis spät in den Abend. „Es mag ja auch nett sein, abends gemeinsam ein Bier trinken zu gehen, aber noch netter ist es, mit den Kindern Abendbrot zu essen“, sagt die 42-Jährige. Auch Ministerin Schröder wird inzwischen nicht müde, familienfreundliche Arbeitszeiten für Spitzenkräfte zu propagieren. Das sei nicht nur ein Problem für Frauen, sagt Thomas Letz von der IHK. Auch für Männer werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wichtiger.
Dass Frauen, die Kinder und Karriere wollen, gesellschaftlich akzeptiert sind, empfindet die brandenburgische Bildungsministerin Martina Münch (SPD) als sehr wichtig. Sie hat sieben Kinder im Alter zwischen 19 und 6 Jahren und ist promovierte Medizinerin. 1995 zog sie mit ihrer Familie nach Cottbus, nahm dort Erziehungsurlaub, begann aber bald, sich zunächst in der Kommunalpolitik zu engagieren. „Der Osten war in dieser Hinsicht für mich ein Segen“, sagt sie: „Nicht nur, dass es dort selbstverständlich Ganztagsschulen, warmes Mittagessen und Nachmittagsbetreuung für meine Kinder gab – es war auch völlig normal, dass Frauen mit Kindern arbeiteten.“ In Cottbus müsse sie selten erklären, wie sie das alles unter einen Hut bringe, sagt die Ministerin. Sie versucht, sich den Sonntag für die Familie freizuhalten und fährt fast jeden Tag von Potsdam nach Cottbus, um die Kinder täglich zu sehen. „Manchmal muss man einfach da sein, um zu merken, wenn ein Kind besondere Zuwendung braucht“, sagt sie. Die Zeit auf der Autobahn nutzt sie für Büroarbeit und Anrufe. „Frauen haben nicht nur in Führungspositionen Probleme, Familie und Beruf zusammenzubringen“, sagt der Berliner Wirtschafts- und Frauensenator Harald Wolf. Der Linkspolitiker will vor allem die Männer mehr mit einbinden: Die Elternzeit soll für Väter obligatorisch werden. Bisher erhalten Paare 14 Monate Elterngeld, wenn der oder die Partner/-in ebenfalls mindestens zwei Monate lang in Elternzeit geht. „Der Pflichtanteil in dem Fall für Männer muss erhöht werden“, sagte Wolf.
KaDeWe-Chefin Ursula Vierkötter hatte schon mit 26 Jahren ihre erste Geschäftsführungsposition bei der Warenhauskette Karstadt übernommen, vier Jahre später wurde sie Mutter. Die Karriere beeinträchtigte das nicht: Der Sohn „wurde schon als Baby immer von den Großeltern mitbetreut“, sagt die 45-Jährige, die vor ihrem Umzug nach Berlin das Karstadt-Haus in Köln geleitet hatte und das KaDeWe seit Anfang 2009 führt. Ihr Partner, ein Unternehmensberater, blieb mit dem Kind in Köln.
Erleichterungen bei der Doppelbelastung können Kindergärten mit langen Öffnungszeiten bringen, wie sie die Fröbel-Gruppe in Kooperationen mit Unternehmen betreut – zum Beispiel für Pfizer und Sanofi-Aventis am Potsdamer Platz. Jetzt plant auch die Dienstleistungsgruppe Dussmann „betriebsnahe Kindertagesstätten“ in ganz Deutschland. Die Kitas sollen „Öffnungszeiten bis zu 24 Stunden pro Tag“ bieten. Ein Pilotprojekt startet im Juni auch im Unfallkrankenhaus Berlin in Marzahn.
Bei Alexandra Knauer, die schon mehrmals zur Berliner Unternehmerin des Jahres gekürt wurde, dürfen Kinder auch in den Betrieb mitgebracht werden. In der Wissenschaftliche Gerätebau Dr. Ing. Herbert Knauer GmbH in Zehlendorf gibt es einen Raum zum Spielen – und die Betreuung übernehmen wechselnde Mitarbeiter. Die Chefin selbst hat zwei Kinder. Auch um mehr Zeit für sie zu haben, holte Alexandra Knauer 2007 einen Geschäftsführer an ihre Seite.
Eine weibliche Kaderschmiede im öffentlichen Dienst ist seit Jahren schon die Richterschaft. Neun Gerichtspräsidentinnen zählt die Stadt. Immer wieder verweisen Richterinnen darauf, dass sie Beruf und Familie gut miteinander verbinden können. Die richterliche Unabhängigkeit ermöglicht ihnen nämlich in vielen Fällen, sich ihre Arbeitszeit frei einzuteilen.