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© Mike Wolff

Stadtentwicklung: Die Kantstraße steigt im Kurs

Designer statt Ramsch: Mit der Eröffnung des Stilwerks vor zehn Jahren begann der Wandel auf der westberliner Kantstraße. Die IHK erwartet noch "einen großen Schub nach vorne".

Freude und Sorge liegen an der Kantstraße zurzeit nah beieinander. Guter Dinge sind die Betreiber und Mieter des Designcenters Stilwerk, das jetzt sein zehnjähriges Bestehen feiert. Außerdem loben Anrainer den Abriss des Schimmelpfeng-Hauses, der die Straße optisch näher an den Breitscheidplatz rückt, und den Neubau des „Zoofenster“-Hochhauses mit einem Luxushotel der Marke Waldorf-Astoria. Doch in den S-Bahnbögen am Savignyplatz fürchten die Händler, dass ihre Passage „kippt“ und bald nur noch von Gastronomie geprägt sein könnte. Denn die Deutsche Bahn hat den Mietvertrag der weltweit bekannten Architekturgalerie Aedes nach Tagesspiegel-Informationen gekündigt.

Ende November sollen die Galerie Aedes, das untervermietete Café darin und das benachbarte Modegeschäft der Designerin Esther Thomas ausziehen. So würden vier Bahnbögen frei. Nachbarn wie die „Bücherbogen“-Chefin Ruthild Spangenberg fürchten, dass eine US-Restaurantkette einziehen könnte – was Senatskanzlei-Chefin Barbara Kisseler nach einem Treffen mit Bahnvertretern aber bezweifelt: „Es soll kein McDonald’s werden“, habe man ihr versichert. Nun seien Gespräche zwischen dem Vermieter und den Mietern geplant. Von der Bahn gab es am Dienstag keine Stellungnahme.

Aedes-Direktor Hans-Jürgen Commerell bestätigte die Kündigung nach 24 Jahren. Er hofft noch auf eine Einigung und hält sich deshalb mit Äußerungen zurück. Die Gründerin des ersten privaten Architekturforums in Europa, Kristin Feireiss, wurde 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Seit 2006 hat Aedes seinen Hauptsitz im Pfefferberg in Prenzlauer Berg, der Standort Charlottenburg ist nun auf Landschaftsarchitektur spezialisiert.

Laut Designerin Thomas hatten die Mieter eine Option zur Vertragsverlängerung vergessen und nicht pünktlich genutzt. Versuche, dies nachzuholen, blockte die Bahn ab. Stattdessen erhielt Thomas die Neuausschreibung – einziehen soll der Meistbietende. Die Senatskanzlei hatte Bahnvertreter und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher am vorigen Freitag zum Krisengespräch eingeladen. Um Kompromisse bemühen sich auch IHK-Stadtentwicklungsexperte Jochen Brückmann und Bezirkswirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD).

Neben dem Savignyplatz, dem Theater des Westens, dem Delphi-Filmtheater und den Kant-Kinos zählt das Stilwerk an der Ecke Uhlandstraße mit 52 Einrichtungsgeschäften zu den Anziehungspunkten der Kantstraße. „Uns geht es sehr gut und wir sind nach wie vor vom Standort überzeugt“, sagt Geschäftsführerin Sylvia Nielius. Das bestätigt Kay Behrendt vom Lichthaus Mösch, das 1999 unter den ersten Mietern war. „Durch den Wegzug aus der Tauentzienstraße haben wir Touristen als Laufkundschaft verloren, aber die Qualität der Kunden ist gestiegen.“ In der Straße sieht Behrendt einen guten Trend, seit sich viele weitere Einrichtungsläden angesiedelt haben. Das Luxushotel im Zoofenster werde „die Krönung“. Dessen Klientel seien potenzielle Stilwerk-Kunden.

Haghshenas Kourosh zog vor drei Jahren mit seinem Teppichhaus Kourosh aus der Fasanen- in die Kantstraße. Nun sei er „mitten im Zentrum“ der Einrichtungsbranche, sagt er. Wegen der Vielfalt der Läden „kommen viele Leute gezielt“. Nötig sei noch eine Verschönerung der Straße mit mehr Bäumen und Blumen auf dem Mittelstreifen.

Mike Günther vom Küchenstudio „FMK“ sieht sich als preisgünstigere Alternative zum Stilwerk: Es komme oft vor, dass sich Kunden zuerst dort umsehen, dann aber wegen der hohen Preise für Designerküchen zu ihm kommen. „Berlin hat keinen Geldadel wie Hamburg.“ Patrix Dehee verlagerte sein Bettengeschäft „Caprice“ vor zwei Jahren aus Wilmersdorf in die Kantstraße und findet „die Konkurrenz belebend“. Hier „befruchtet sich alles gegenseitig“, sagt auch Christina Friedmann, die neben dem Stilwerk ein Stoffgeschäft betreibt.

Im Advent soll es in Teilen der Straße erstmals eine Weihnachtsbeleuchtung geben, bisher war nur das Stilwerk illuminiert. Nun verhandelt Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) mit der Wall AG, die bereits den Lichterglanz am Kurfürstendamm sponsert. Wie stark sich Anlieger an den Kosten beteiligen, ist noch unklar – zumal keine Interessengemeinschaft existiert. „Es gibt auch kein Wir-Gefühl“, sagt Boris Kupsch, der die City-West als Betreiber des Internetportals www.kurfuerstendamm.de gut kennt. Doch er lobt das Stilwerk, das die Gegend „sehr positiv“ beeinflusst habe.

Jochen Brückmann von der IHK ist erleichtert, dass „die Im- und Exportläden verschwunden sind“. In den 80ern bis in die 90er Jahre hatten Geschäfte, die vor allem billige Elektronik an polnische Touristen verkauften, die Straße geprägt. Brückmann erwartet „einen großen Schub nach vorne“ – nicht zuletzt wegen der großen Bauprojekte in der Nähe. Dazu gehören auch das Riesenrad am Zoo und die ab 2010 geplante Modernisierung des Zoobogens an der Hardenberg- und Budapester Straße.

Zum Charakter der Kantstraße tragen zahlreiche kleine und exotische Läden bei, darunter besonders viele asiatische Geschäfte und Restaurants. Und es gibt Traditionsbetriebe wie die 111 Jahre alte Eisenwarenhandlung „C. Adolph“. Die Kunden „kommen aus ganz Berlin und dem Umland“, sagt Mitbetreiberin Margrit Savary. Die Wirtschaftskrise spürt sie nur beim Verkauf größerer Maschinen. „Bei den Schrauben ist noch alles gut.“

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