Berliner Wirtschaft: Berliner Kaufhäuser: Steter Wechsel
Karstadt baute hier Europas modernstes Haus
Berlin bekam das größte und höchste Kaufhaus: In Wismar fing es mit Karstadt zwar 1881 klein an, aber an der Spree sollte es 1929 hoch hinausgehen. Karstadt baute sein größtes Haus in unverkennbar amerikanischer Architektur, als stehe es in New York. Was da 1929 am Hermannplatz, an der Nahtstelle von Neukölln und Kreuzberg, mit zwei Türmen und Lichtsäulen eröffnet wurde, galt als das modernste Kaufhaus Europas. Neun Etagen, zwei unterirdisch, 24 Rolltreppen, ein Fahrstuhl für Lastwagen, das war einmalig auf dem Kontinent. Es spielten Kapellen auf dem Dachgarten, und es gab direkte Verbindungen zur U-Bahn. Kurz vor Kriegsende wurde der Bau zerstört, dann flach wieder aufgebaut, die Größe von Karstadt war dahin. Wie heute.
Im Vergleich zu dem riesigen Karstadt-Gebäude wirkte das 1907 von Adolf Jandorf eröffnete KaDeWe am Wittenbergplatz fast bescheiden. Es sollte dem 1894 gebauten Wertheim am Leipziger Platz, das sich auch als eines der größten Warenhäuser bezeichnete, und dem nahen Kaufhaus Tietz Paroli bieten. Ab 1927 gehörte Hermann Tietz (Hertie) das KaDeWe, er wurde unter den Nazis enteignet. Die lehnten alle Warenhäuser als jüdische Einrichtungen ab. Das große Wertheim am Leipziger Platz ging 1944 im Bombenhagel unter, ein Jahr zuvor war ins KaDeWe ein Kampfflugzeug gestürzt. Der Wiederaufbau ging rasch voran, 1950 eröffnete das KaDeWe, wenig später übernahm Hertie dann Wertheim. Der Name blieb, an der Steglitzer Schloßstraße wurde ein Warenhaus gebaut, dessen Pläne noch aus der Vorkriegszeit stammten.
Es schloss erst kürzlich, damit erlosch der Name. 2008 war schon Wertheim am Kurfürstendamm in Karstadt umbenannt worden. Karstadt (seit 1999 Karstadt/Quelle, seit 2007 Arcandor) hatte nach der Wende in der Wertheim-Rechtsnachfolge auch alte Grundstücke am Leipziger Platz beansprucht, die Wertheim-Nachkommen aber siegten vor Gericht, der Konzern musste entschädigen. 1994 übernahm Karstadt Hertie, stieß es später ab – 2008 mussten die neuen britischen Eigentümer Konkurs anmelden
Unruhige Zeiten für Warenhäuser und Kunden. Sie fürchten mit der Insolvenz um ein Stück Berlin, vor allem auch um das KaDeWe, das ab 2004 für 46 Millionen Euro modernisiert und neben Harrods in London als das weltweit bekannteste Kaufhaus gilt. Es hat einen Symbolwert, den der Karstadt-Bau am Hermannplatz nie erreichen konnte. (C. v. L.)
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