Streit vor dem Arbeitsgericht: Berliner „Volkslehrer“ will weiter Videos verbreiten
Eine gütliche Einigung zwischen dem Land Berlin und dem gekündigten Lehrer Nikolai N. ist gescheitert. Nun wird die Sache 2019 vor Gericht ausgefochten.
Die Schlange war lang vor Saal 334 des Arbeitsgerichts am Montagmittag: Zum Gütetermin des „Volkslehrers“ Nikolai N. in seiner Kündigungsschutzklage sind Dutzende seiner Fans erschienen. Der Saal ist überfüllt, einige müssen stehen. Allerdings nicht allzu lange, denn nach 20 Minuten ist der Termin vorbei. Zu einer Einigung ist es nicht gekommen, wie erwartet. Die Bildungsverwaltung will N. definitiv loswerden.. N. will aber bleiben – er sei gerne Lehrer, sagt er hinterher. Für einen Vergleich ist da kein Raum, zumal die Vertreter der Bildungsverwaltung ausdrücklich mit der Vorgabe losgeschickt wurden, keiner Einigung zuzustimmen.
Das Gericht nannte dennoch zwei Szenarien, wie eine Einigung aussehen könnte. Erste Variante: N. bleibt Lehrer, hört aber mit den Videos auf. Zweite Variante: Die außerordentliche Kündigung wird in eine ordentliche Kündigung umgewandelt und N. bekommt eine Abfindung. N. und sein Anwalt Martin Geisler wollten die zweite Variante nicht ausschließen, die erste hingegen schon. Mit den Videos werde er nicht aufhören, sagte N. „Auf diesem Youtube-Kanal in seiner Freizeit darf mein Mandant seine Meinung vertreten, auch wenn er damit aneckt, auch wenn diese Meinung dem einen oder anderen wehtut – dies ist alles vom Grundgesetz gedeckt“, sagte Anwalt Geisler nach der Verhandlung.
Der Vorwurf: N. bekenne sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
N. sei weder AfD-Mitglied noch Anhänger der Partei, er wolle einfach sein grundrechtlich geschütztes Recht auf Meinungsfreiheit ausüben und wisse genau, innerhalb welcher Grenzen er das dürfe. Die Bildungsverwaltung wiederum hat sich in ihrer 16 Seiten umfassenden Kündigung auf Inhalte der Videos bezogen, die sie für nicht akzeptabel hält, und ihre Kündigung darauf gestützt. Sie wirft N. einen Verstoß gegen das Schulgesetz und gegen den Tarifvertrag vor. Bildungssenatorin Sandra Scheeres: „Er gibt vorbestraften Rechtsradikalen eine Plattform, die mit den Aufgaben als Lehrer schwerlich vereinbar ist. Unserer Auffassung nach ist er nicht dazu geeignet, Kinder dahingehend zu erziehen, der Ideologie des Nationalsozialismus entschieden entgegen zu treten.“ Dies aber schreibe das Schulgesetz vor. Und in dem Tarifvertrag, nach dem er bezahlt wird, heißt es in Paragraph 3 Absatz 1 Satz 2: „Die Beschäftigten müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“
Ob die Begründung für die ausgesprochene außerordentliche, fristlose Kündigung ausreicht, ist offen. Das Gericht wird dies in der mündlichen Verhandlung zu erörtern und dann zu entscheiden haben. Beide Seiten haben nun Schriftsatzfristen bekommen, in denen sie ihre Positionen nochmals erläutern und zu der Frage Stellung nehmen sollen, ob eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung für sie in Betracht kommt. Als sein Anwalt Martin Geisler sagte, das Ziel N.s sei es, weiter als Lehrer tätig sein zu dürfen, gab es lauten Applaus im Saal.
Der Kammertermin ist im Januar 2019
Für N. heißt das, er muss entscheiden, ob er mit Geld statt Arbeit zufrieden wäre, und für den Senat heißt das, er muss auch für die ordentliche Kündigung einen adäquaten Grund finden. Wenn das nächste Mal über die Sache geredet wird, ist N. seit fast genau zehn Jahren Lehrer in Berlin. Der Kammervorsitzende Arne Boyer zückte nämlich den Kalender, um ein Datum für den nun folgenden Kammertermin zu finden, und fand den nächstmöglichen am 16. Januar 2019 um 9 Uhr. Am 12. Februar 2019 wird N. genau zehn Jahre als Lehrer in Berlin beschäftigt sein.
Bis zum nächsten Termin darf N. nicht unterrichten und wird auch nicht bezahlt. Sollte sich die Kündigung dann als unwirksam erweisen, so muss er aber wieder beschäftigt und auch rückwirkend bezahlt werden. Der Fall war im Januar 2017 durch einen Tagesspiegel-Bericht bekannt geworden. N. vertritt in seinen Videos problematische Inhalte; ihm wurde schon Volksverhetzung vorgeworfen. Da er seine Videos in der Freizeit herstellt, könnte es schwierig sein, auf diese Weise gegen ihn vorzugehen.
Der Satz, es müsse eine Sozialauswahl stattfinden, wurde gelöscht.
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