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Dieser Screenshot der TV-Reportage soll einen Mitarbeiter der Tafel dabei zeigen, wie er Lebensmittel selbst mit nach Hause nimmt.
© RTL

Verdacht gegen Freiwillige: Berliner Tafel prüft Vorwürfe gegen Ehrenamtliche

Statt Lebensmittel an bedürftige Menschen auszugeben, sollen Mitarbeiter einer Berliner Tafel Produkte in großem Stil selbst eingesteckt haben. Diesen Vorwurf erhebt eine TV-Reportage.

Die Idee der Tafeln ist einfach: Den Überschuss an Lebensmitteln und Produkten aus Supermärkten, Bäckereien oder Privathaushalten einsammeln und an jene verteilen, die sie dringend gebrauchen können. Die rund 900 Tafeln in Deutschland leisten damit einen wichtigen Beitrag, die Ärmsten der Gesellschaft zu unterstützen. Umverteilung von der Hand des einen in den Mund des anderen, sozusagen.

Eine TV-Reportage erhebt nun den Vorwurf, dass Helferinnen und Helfer der Berliner Tafel gespendete Produkte einfach selbst behalten. Ein RTL-Journalist lässt sich in dem Bericht als Fahrer für die Berliner Tafel anstellen und recherchiert mit versteckter Kamera in einer Ausgabe der sogenannten "Laib und Seele"-Stelle. Laut Informationen der "B.Z" soll es sich dabei um die Ausgabestelle in der Reinickendorfer Klemkestraße handeln, in dem TV-Bericht wird der Ort nicht genannt.

Auf die Missstände aufmerksam wurde RTL eigenen Angaben zufolge über einen ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel, der von den Zuständen berichten wollte. Er wolle die "Machenschaften bei einer Berliner Tafel an die Öffentlichkeit bringen", wird der Mann zitiert, denn dort gehe es "drunter und drüber."

Die Vorwürfe des Whistleblowers bestätigen sich

Bei einem Treffen berichtet der Mitarbeiter davon, wie sich viele Ehrenamtliche kistenweise Lebensmittel selbst mitnähmen, statt sie an Bedürftige auszugeben. Besonders Markenartikel, Kosmetika sowie Hygieneartikel seien beliebt. Der Mitarbeiter erzählt, dass einige Ehrenamtliche nur deshalb bei der Tafel arbeiteten, um sich bei Spenden selbst zu bedienen. Einige machten regelmäßig Abstecher zu sich nach Hause, um die beste Ware gleich in den eigenen Kühlschrank zu räumen. Auch erhebt der Mitarbeiter Vorwürfe gegenüber der Leitung der Berliner Tafel: Die Verantwortlichen wüssten von den Zuständen und unternähmen nichts.

Als der Reporter dann selbst bei der Tafel arbeitet, bekommt er den gleichen Eindruck. Ehrenamtliche, die ihn in die Arbeit einweisen, bestätigen die Vorwürfe. "Von draußen bis hier rein fehlen schon vier Pakete", wird eine Mitarbeiterin zitiert, die die Lebensmittel einsortieren soll. Und eine andere bietet dem Reporter direkt an, sich zu bedienen.

Manche Mitarbeiter sollen mit dem Lkw erst einmal bei sich zu Hause vorbei fahren.
Manche Mitarbeiter sollen mit dem Lkw erst einmal bei sich zu Hause vorbei fahren.
© RTL

Um welche Einrichtung es sich handelt, wird nicht bestätigt

Dass die Ehrenamtlichen sich auch Lebensmittel mit nach Hause nehmen, ist erlaubt, schließlich arbeiten die Menschen dort in ihrer Freizeit. Nur sei das Ganze aus dem Ruder gelaufen, erzählt eine Mitarbeiterin.

Der Journalist berichtet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden sich ohne schlechtes Gewissen bedienen und alle wüssten Bescheid. Für Bedürftige, die in den Ausgaben für wenig oder gar kein Geld Produkte bekommen, bleibt dann nur noch übrig, was sich vorher keiner selbst eingepackt hat.

Die Berliner Tafel untersucht nun die Vorwürfe. "Wir wissen, um welche Ausgabestelle es sich handelt und haben hausinterne Untersuchungen eingeleitet, möchten uns aber vor deren Abschluss dazu nicht äußern", sagte die Sprecherin Antje Trölsch dem Tagesspiegel. Die "B.Z."-Informationen, nach denen es sich um die Ausgabestelle in der Klemkestraße handelt, wollte Trölsch nicht bestätigen. Die Untersuchungen bräuchten Zeit, ein transparentes Vorgehen sei jedoch im Interesse der Berliner Tafel.

Manche Ehrenamtliche sind selbst bedürftig

"Ein Teil der Ehrenamtlichen hat aufgrund eigener Bedürftigkeit selbst das Recht auf den Erhalt von Lebensmitteln", erklärte Trölsch. Auch dies spiele bei der Klärung der Berichte eine wichtige Rolle. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit bei der Tafel missbräuchlich nutzten. Bestätigten sich die Vorwürfe, würden die betroffenen Ehrenamtlichen von der Arbeit ausgeschlossen. Den Vorwurf des RTL-Journalisten, die Ausgabestellenleitung wisse von den Zuständen und unternehme nichts, wollte Trölsch nicht kommentieren.

Die Arbeit der 45 Ausgabestellen der Berliner Tafel ist für viele Menschen überlebenswichtig. Jeden Monat werden rund 50.000 Kundinnen und Kunden mit Lebensmitteln versorgt, die Produkte werden einmal pro Woche in Räumen der Kirche ausgegeben. Bundesweit sind rund 900 Tafeln für die Versorgung von 1,5 Millionen Menschen zuständig. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) lobte die Berliner Tafel zuletzt als "Beispiel gelebter Solidarität".

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