Die Rechnung des Pannen-Flughafens: Berliner Steuerzahler zahlen für BER mehr als eine Milliarde Euro
Wenn alles gut läuft, geht der Flughafen BER in einem Jahr in Betrieb. Berlins Steuerzahler hätten für das Bauprojekt dann 1,08 Milliarden Euro gezahlt.
Ein Jahr vor der voraussichtlichen Eröffnung des Flughafens BER wird es Zeit, eine kostenmäßige Bilanz des Großprojekts zu ziehen, das im Laufe der Jahre zum größten Bauskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte avancierte. Aber fangen wir mit den guten Nachrichten an: Ab 2024 rechnet die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) mit positiven Jahresüberschüssen. So steht es jedenfalls im aktuellen Businessplan des Unternehmens, wie die FBB dem Tagesspiegel bestätigte.
Die andere gute Nachricht ist, dass die Steuerzahler ab nächstem Jahr für den verkorksten Flughafenbau voraussichtlich nicht mehr zur Kasse gebeten werden. Berlin und Brandenburg zahlen bis Jahresende jeweils 49,9 Millionen Euro ein, das sind die letzten Raten eines Gesellschafterdarlehens. Das war’s dann hoffentlich.
Die Bankkredite und das Geld, das der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg bisher in den Hauptstadt-Airport gesteckt haben, reichen nach Aussagen der scheidenden FBB-Finanzchefin Heike Fölster bis ins erste Quartal 2021 hinein. Derzeit liegen noch 800 Millionen Euro zur freien Verfügung auf den Konten des Unternehmens.
Anschließend nimmt die FBB, um bis 2025 über die Runden zu kommen, einen weiteren Kredit in Höhe von 400 Millionen Euro auf. Seit Anfang des Jahres wird mit den Banken verhandelt. Ab Mitte des Jahrzehnts will sich der Flughafen BER komplett aus eigener Kraft finanzieren.
Das gilt auch für das gewaltige Ausbauprogramm, mit dem die Abfertigungskapazitäten des Airports bis 2040 auf 55 Millionen erhöht werden sollen. Geplant sind Leasing-Finanzierungen ohne Beteiligung der öffentlichen Hand.
Für den Ausbau bis 2030 (für 48 Millionen Passagiere) geht die Flughafengesellschaft „weiterhin von 2,3 Milliarden Euro Kosten aus“, teilte die FBB auf Anfrage mit – auch wenn andere schon mit bis zu drei Milliarden Euro rechnen.
Und was hat der BER bisher gekostet? Das Unternehmen geht in seiner aktuellen Prognose von Gesamtkosten in Höhe von 5,932 Milliarden Euro aus. Darin enthalten sind 4,566 Milliarden Euro für Planung und Bau, hinzu kommen 765,8 Millionen Euro für den Schallschutz.
Die Finanzierungskosten (Zins und Tilgung der Kredite) sind in diesen Zahlen nicht enthalten. Laut Handelsgesetzbuch ist die FBB dazu auch nicht verpflichtet, aber aus Gründen der Kostentransparenz sollten diese Ausgaben nicht unter den Tisch fallen.
[BER statt TXL: Ist der weite Weg zum Flughafen schlimm für den Berliner Westen? Wichtiger für die Spandauer Wirtschaft ist der ICE-Bahnhof, sagt der Bürgermeister dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau - hier der Tagesspiegel-Link.]
Seit 2005, als das Bauprojekt nach der Planfeststellung offiziell gestartet wurde, weisen die Geschäftsberichte des Unternehmens rund 1,1 Milliarden Euro Finanzierungskosten aus. Einschließlich dieser Ausgaben kommen wir also auf knapp 7,1 Milliarden Euro, die der Flughafen voraussichtlich kostet.
Land Berlin zahlt nur einen kleinen Teil der Summe
Von dieser gewaltigen Summe musste das Land Berlin nur einen relativ kleinen Beitrag leisten. Von 2005 bis 2019 wurden aus dem Landeshaushalt insgesamt 1,084 Milliarden Euro an die Flughafengesellschaft ausgezahlt. Davon 674 Millionen Euro als Kapitalzuführung und 410 Millionen Euro als Gesellschafterdarlehen. Ob diese Darlehen jemals zurückgezahlt werden, ist offen. Frühere Gesellschafterdarlehen wurden inzwischen vollständig in Eigenkapital umgewandelt.
Als Miteigentümer hält Berlin 37 Prozent der FBB-Anteile. Gleiches gilt für Brandenburg, während der Bund sich mit 26 Prozent begnügt. Alle drei Gesellschafter haben demnach rund 2,9 Milliarden Euro der Flughafenkosten übernommen. Den großen Rest von 4,2 Milliarden Euro musste das staatliche Unternehmen mit Hilfe von Großkrediten und Eigenmitteln selber stemmen.
Diese Kraftanstrengung widerspiegelt sich auch in den Bilanzen der Flughafengesellschaft. Nach der ersten Verschiebung der BER-Eröffnung im Sommer 2010 schrieb das Unternehmen durchgängig rote Zahlen. Im Jahresdurchschnitt betrugen die Verluste zwischen 2012 und 2018 etwa 125 Millionen Euro.
Ohne die milliardenschweren Finanzhilfen der öffentlichen Hand, die zusätzlich für die Bankkredite bürgen musste, wäre die Flughafengesellschaft schon vor Jahren in die Pleite gerutscht. Als der Aufsichtsrat im Dezember 2004 das erste Finanzierungskonzept abgesegnet hatte, konnte sich noch niemand vorstellen, welches Abenteuer in den nächsten 15 Jahren zu überstehen war.
Damals wurden die Kosten für Planung und Bau auf lediglich 1,983 Milliarden Euro beziffert. Im September 2003 ging der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sogar nur von einem „Gesamtaufwand von 1,6 Milliarden Euro bis zur Inbetriebnahme“ aus.
Mit der Umplanung und Erweiterung des BER-Terminals (von ursprünglich 220 000 Quadratmeter auf letztlich 360 000 Quadratmeter) sowie den massiven Problemen mit der Brandschutzanlage und Verkabelung nahm das Unheil seinen Lauf. Schon 2009 stieg die Kostenprognose auf 2,8 Milliarden Euro. Davon sollten 2,4 Milliarden Euro über Langfristkredite, an denen acht Banken beteiligt waren, finanziert werden.
Freundlich genehmigt von der EU-Kommission und zu 100 Prozent staatlich verbürgt. Hinzu kam eine Kapitalzuführung zulasten der drei staatlichen Gesellschafter in Höhe von 430 Millionen Euro.
Dass der BER privatisiert wird, ist unwahrscheinlich
In mehreren Sprüngen, jeweils verbunden mit neuen Eröffnungsterminen, erhöhte sich der Finanzbedarf auf die aktuell kalkulierten 5,9 Milliarden Euro. Das lag hauptsächlich an den Bauproblemen, aber auch am Schallschutzprogramm, dessen Kosten nach strengen Gerichtsurteilen von ursprünglich geschätzten 80 Millionen Euro auf 765 Millionen Euro anstiegen.
Nach jeder neuen Kostenkalkulation mussten die Gesellschafter mit neuen Darlehen und Kapitalzuschüssen einspringen. Ab 2012 zahlten sie zusätzlich 1,2 Milliarden Euro ein, ab 2015 weitere 1,1 Milliarden Euro und ab 2018 noch einmal 508 Millionen Euro, um den Flughafen BER zu retten.
Zwischenzeitlich wurde vermutet, dass zumindest der Bund dem Desaster entfliehen und seine Anteile verkaufen wolle. Dabei wurde allerdings übersehen, dass alle drei Gesellschafter bereits vor zehn Jahren eine „Beständigkeitserklärung“ abgegeben haben. Damit verpflichteten sie sich, ihre Anteile bis mindestens zwei Jahre nach der Eröffnung zu halten. Also bis zum Herbst 2023.
Sollte sich anschließend ein Gesellschafter verabschieden, hätten die anderen ein Vorkaufsrecht. Eine Privatisierung des BER wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben.