Segler-Aufstand am Müggelsee: Berliner Senat plant Tabuzonen für Wassersportler
Der Müggelsee ist Berlins größtes Gewässer und bei Wassersportlern ungemein beliebt. Jetzt überlegt die Senatsumweltbehörde, die südlichen und westlichen Uferzonen für sie zu sperren. Bei den Seglern, Kanuten und Paddlern stehen die Zeichen auf Sturm.
Harter Kurs gegen den Senat: Die Segler, Surfer, Paddler, Ruderer und Kanuten am Müggelsee wehren sich heftig gegen Pläne der Umweltverwaltung, weite Teile der Wasserfläche von Berlins größtem See für ihre Boote zu sperren. Im Rahmen eines „Entwicklungskonzeptes zur Sicherung und Erreichung gewässerbezogener Umweltziele“ sollen vor allem an den gesamten westlichen und südlichen Ufern Tabuzonen für Wassersportler entstehen, die bis zu 500 Meter in den See hineinreichen. Anlass der Initiative sind Richtlinien der Europäischen Union (EU) zur Verbesserung der Gewässergüte und zum Schutz von Flora und Fauna. „Auch wir sind für Naturschutz, aber das ist für uns undiskutabel“, kontert der Vorsitzende des Berliner Seglerverbandes, Winfried Wolf.
Strengere Umweltauflagen der EU bringen Berlin in Zugzwang
Der Vorstand des Berliner Landessportbundes trifft sich am Donnerstag zu einer Sondersitzung, um den weiteren Widerstand zu koordinieren. Und in Kiezzeitungen von Friedrichshagen am Müggelsee schwappt die Empörung bereits hoch. „Jedem Freund unseres Sees als Revier für Sport und Erholung treiben diese Pläne den Angstschweiß auf die Stirn“, heißt es da beispielsweise. Oder: „Super, irgendwann sollen vom BER Jets im Minutenabstand über den See dröhnen, aber die Segler vertreibt man wegen des Umweltschutzes.“
Der Berliner Senat ist vor allem wegen dreier EU-Richtlinien in Zugzwang. Es handelt sich dabei um die „Europäische Wasserrahmenrichtlinie“, die „Europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ und die „EU-Vogelschutzrichtlinie“. Alle drei sind zwar schon seit etlichen Jahren in Kraft, müssen aber nun europaweit bis 2015/16 endgültig umgesetzt werden. Als Ziel fordert die EU eine bestimmte Gewässergüte, die sich mithilfe zahlreicher Kriterien und Parameter messen lässt. Fischbesatz und Vogelvorkommen gehören ebenso dazu wie die Planktondichte oder der Bewuchs mit Wasserpflanzen.
„Der Müggelsee hat zwar keine schlechte Wasserqualität, entspricht diesen Vorgaben aber derzeit noch nicht“, sagt der Biologe und Gewässerexperte Klaus van de Weyer. Sein in Düsseldorf ansässiges „Institut Lanaplan“ für Landschafts-, Gewässer- und Stadtökologie hat den See im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtplanung und Umweltschutz in den vergangenen Jahren untersucht. „Wir können nicht einfach sagen, es bleibt alles so, wie es ist“, betont van de Weyer. Wenn Berlin die Qualitätsvorgaben nicht realisiere, drohe vonseiten der EU eine finanzielle Vertragsstrafe.
Der Senat will "nichts von oben durchsetzen"
Der Biologe referierte bereits im Sommer dieses Jahres über „den Zustand von Müggelsee und Müggelspree“ bei einer so genannten Beteiligungswerkstatt in Friedrichshagen. Dort kamen Bürger mit Fachleuten bereits zum zweiten Male zusammen, um gemeinsam zu überlegen, wie man den Naturschutz am See konsequent, aber auch möglichst konfliktfrei verbessern kann. Eine weitere „Werkstatt“ fand im Dezember statt, im Frühjahr ist die nächste geplant. Der Senat will auf diese Weise „nichts von oben“ durchsetzen, sondern die Bevölkerung „weitgehend in die Entscheidungen einbeziehen“.
Schließlich ist der Müggelsee neben Wannsee, Havel und Dahme das populärste Gewässer Berlins für Sommerfrischler. Er ist nahezu oval wie ein Ei, hat 7,4 Quadratkilometer Wasserfläche und zahlreiche wilde Badestellen neben dem offiziellen Seebad Friedrichshagen. Er gilt als die „Badewanne Berlins“, wird von vielen Ausflugsdampfern befahren und ist auch beliebt, weil an seinen Ufern Strandbars und Ausflugslokale locken wie das „Rübezahl am Müggelsee“, das „Gestrandet“ an Friedrichshagens Anlegestelle oder das Strandbistro „Borke“ bei Rahnsdorf.
Der Müggelsee ist Berlins bestes Segelrevier
Für Berlins Segler ist der Müggelsee, wie sie versichern, „unser bestes Revier“. Durch seine nahezu runde Form bietet er perfekte Segelbedingungen bei jeder Windrichtung. „Deshalb liegt ja unser Landesleistungszentrum an der Spree bei Friedrichshagen“, sagt Berlins Seglerverbandschef Winfried Wolf. Auf dem Müggelsee trainieren die A-, B- und C-Kader sowie die Kinder- und Nachwuchskader für die Teilnahme an internationalen Wettbewerben. Sieben Seglervereine haben zudem ihre Boote an seinen Ufern vertäut. „Hier finden an vielen Wochenenden große Seglerregatten statt“, ergänzt Jörg Gloede von der Seglergemeinschaft Müggelsee. „Wenn man uns von den Uferbereichen abdrängt, wird es auf dem Wasser bedenklich eng.“ Hinzu komme, „dass viele Kinder und Jugendliche gerade in der schützenden Nähe der Ufer den Segelsport erlernen“. Damit wäre es dann vorbei.
Kanuten und Paddler hätten kein schützendes Ufer mehr
Was ist vonseiten der Umweltverwaltung bislang geplant? Überlegt wird, die etwa 500 Meter breite Sperrzone an den West- und Südufern zwischen Spreetunnel in Friedrichshagen und der Wasserrettungsstation bei Müggelhort mit Bojen abzugrenzen. Auch etliche wilde Badestellen wären dann nicht mehr nutzbar. Weshalb die Surfer, Kanuten und Paddler sich der Protestflotte der Segler anschließen, erklärt Chris Hufenbach von der Surf- und Segelschule am Müggelsee. „Unser See ist mit maximal acht Metern Tiefe sehr flach“, erklärt er. „Deshalb laufen dort rasch hohe Wellen auf, die kleinere Boote gefährden können.“ Aus diesem Grunde halten sich Paddler, Ruderer und Kanuten gerne in Ufernähe auf – und bevorzugen dabei die westlichen und südlichen Ränder des Gewässers. Denn der Wind weht am Müggelsee besonders häufig aus West-Südwest. Folglich sind sie dort am besten geschützt.
Wie aber lässt sich mehr Naturschutz am See ohne ausgeweitete Sperrzonen durchsetzen? Viele Segler halten die umstrittenen Pläne für ein „übertriebenes Maximalprogramm“. Dem Umweltschutz sei ja schon weitgehend genüge getan, heißt es – wegen des strikten Vorgehens gegen Motorboote. Die dürfen den See seit den neunziger Jahren nur auf einer Fahrrinne in der Mitte durchqueren.
Christoph Stollowsky