zum Hauptinhalt
Nur weniger hundert Deutsche dürfen pro Jahr nach Nordkorea reisen, die Tourismuseinnahmen gehen hauptsächlich an das System von Staatsführer Kim Jong-un.
© Promo

Online-Reisebüro Pyongyang Travel: Berliner organisieren Reisen nach Nordkorea

Es gibt kaum ein Land, das so abgeschottet ist: Eine kleine Reiseagentur in Friedrichshain hat sich trotzdem auf Nordkorea-Reisen spezialisiert.

Wie, man kann nach Nordkorea reisen? Das ist die häufigste Frage, die André Wittig zu hören bekommt, wenn er erzählt, was er beruflich macht. Denn der Berliner betreibt mit zwei Freunden das Online-Reisebüro Pyongyang Travel, das sich auf Urlaub in Nordkorea spezialisiert hat. In ganz Berlin gibt es sonst kein anderes Unternehmen, das Reisen in das abgeschottete Land anbietet.

Wie kommt man nach Nordkorea? Deutschlandweit gibt es vielleicht noch um die sechs andere Anbieter. Das Land gilt als das politisch restriktivste System der Welt. 2011 übernahm Kim Jong-un die Herrschaft von seinem Vater. Sein Großvater Kim Il-sung wird als „Ewiger Präsident“ gefeiert. Immer wieder ist von Menschenrechtsverletzungen in dem Land die Rede, vor allem in den Arbeitslagern sollen die Bedingungen grausam sein. International hat sich Nordkorea durch Atomwaffentests und aggressive Kriegsrhetorik fast vollständig isoliert.

Auf der Homepage von Pyongyang Travel kann man trotzdem schon mit wenigen Klicks einen Nordkorea-Urlaub buchen. André Wittig und seine Mitstreiter organisieren die Reisen von Berlin aus. „Man könnte das Gefühl haben, dass Nordkorea gerade ein wenig im Trend ist“, sagt Wittig. Das Land sei noch ein großes Mysterium. Werbung macht das Unternehmen kaum, allein Sticker kleben sie, auf Stromkästen oder Ampelmasten. Weiße Kreise und der „I love Pyongyang“-Schriftzug mit dem roten Herz, ein Blickfang, der an den hippen „I love New York“-Slogan erinnert. Vor allem im Friedrichshainer Kiez, wo Wittig wohnt, sind die Sticker zu finden.

Im April 2012 reiste Wittig selbst nach Nordkorea

An diesem Wintervormittag sitzt der 31-Jährige in einem Café in der Nähe seiner Wohnung. Ein offizielles Büro hat Pyongyang Travels nicht, vorerst haben die drei Männer ihre alten Jobs behalten. Im April 2012 reiste Wittig selbst nach Nordkorea. Wie er auf dieses Reiseziel kam? „Unsere Freunde fuhren nach Thailand, Indien, Afrika. Das war uns zu langweilig.“ Gemeinsam mit einem Freund stieß er bei der Suche nach möglichen Reisezielen auf Nordkorea. Das Land feierte damals den 100. Geburtstag des kommunistischen Diktators Kim Il-sung mit einer großen Militärparade in Pjöngjang. Die Berliner reisten hin und waren beeindruckt.

Moralische Bedenken wegen der politischen Situation hatten sie nicht. „Jeder soll sich ein eigenes Bild machen“, findet Wittig. Einige Monate nach dem Trip entstand bei einem Bier dann die Idee zur Reiseagentur. André Wittig und seine Geschäftspartner kontaktierten die nordkoreanische Botschaft in der Glinkastraße in Mitte, es folgten Gespräche und noch mehr Gespräche. „Wir hatten dann noch eine Art Vorstellungsgespräch bei der nordkoreanischen Tourismusbehörde.“ Schließlich konnten sie loslegen.

Was die drei eigentlich machen, klingt zunächst simpel: Sie vermitteln zwischen der staatlichen Tourismusbehörde Korean International Travel Company und den Reisewilligen, die sich bei ihnen melden. Es gibt spezielle Gruppenreisen, aber auch individuelle Trips können organisiert werden. Die gehen ganz schön ins Geld: Für sieben Tage kommt man ganz schnell auf rund 2000 Euro. Gruppenreisen kosten um die 1500 Euro. Die Anreise nach China müssen die Kunden extra bezahlen, denn nur von dort ist die Einreise nach Nordkorea möglich. „Es ist kein billiges Reiseziel“, gibt André Wittig zu.

Da ein Großteil des Geldes an die staatliche Tourismusorganisation fließt, unterstützen Touristen indirekt das System. Ist das vertretbar? Für André Wittig schon. „Wir trennen Politik und Tourismus“, sagt er. Täte man das nicht, könnte man in viele andere Länder eigentlich auch nicht mehr reisen, findet er. Außerdem will er anderen Menschen die Möglichkeit bieten, die er auch hatte: Nordkorea kennenlernen. „Wir respektieren das Land so, wie es ist.“ Natürlich hätten sie sich anfangs gefragt: Darf man das? Ja, meint Wittig nun. „Niemandem ist geholfen, wenn man sich das Land nicht anschauen kann.“

Nur 8000 Touristen pro Jahr

Der Markt ist allerdings überschaubar. Rund 8000 Touristen dürfen laut Wittig jedes Jahr in Nordkorea einreisen, davon seien 350 bis 400 Deutsche. Wie viele über die Friedrichshainer Agentur nach Berlin reisen, darf er nicht sagen, betont Wittig. Ansonsten sei alles recht unkompliziert: „Die Visa-Angelegenheiten in Nordkorea sind im Vergleich zu anderen Ländern sehr einfach.“ Nur Journalist oder Südkoreaner dürfe man nicht sein. Seine Kunden seien bunt gemischt. Backpacker, Rentner, DDR-Nostalgiker, alles dabei.

Eine Sache kann der Jungunternehmer dann doch nicht wegdiskutieren. „Die Reiseguides sind immer dabei“, sagt Wittig, „wie bei einer Klassenfahrt mit Erwachsenen.“ Als er im Oktober mit Freunden dort war, war er wieder ganz begeistert, vor allem von den Menschen. So richtig sprechen konnte er aber nur mit den Guides – Angehörige des Militärs und regimetreu. Gespräche mit der Zivilbevölkerung hat er noch nie geführt. Das Regime in Pjöngjang verbietet es.

Berlin und Pjöngjang: Ein Rosinenbomber für das System

Bizarre Verbindung. Von Schönefeld aus gingen Luxusgüter, westliche Technologie und möglicherweise auch illegale Waren nach Nordkorea.
Bizarre Verbindung. Von Schönefeld aus gingen Luxusgüter, westliche Technologie und möglicherweise auch illegale Waren nach Nordkorea.
© Pyongyang Travel/promo

Nicht nur die 1996 und 1997 nach Pjöngjang verkauften alten U-Bahnwagen der BVG verbinden Berlin mit der nordkoreanischen Hauptstadt. Mitte der 1990er flog auch einmal die Woche eine Linienmaschine von Nordkorea nach Schönefeld. Der Tagesspiegel berichtete damals:

Wer um 19 Uhr in Berlin-Schönefeld in die Tupolew der Air Koryo steigt, landet um 14.20 Uhr Ortszeit in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. (...) Und wenn es gilt, kompliziertes technisches Gerät aus dem Westen in die ferne Volksrepublik zu transportieren, dann ,wird es im Diplomatengepäck ohne Mühe an Bord gebracht‘. Dass Berlin den Nordkoreanern als Zentrale für den illegalen Kauf von Technologien dient, die auf den Embargolisten des Westens stehen, wissen die Alliierten schon seit Mitte der 1980er Jahre. Aber nicht nur das: Die Agenten Kim Il-sungs bestellten bei deutschen Firmen auch große Mengen an Munition, automatische Waffen und Panzerabwehrgerät. (...)

Was liefern die Deutschen nach Pjöngjang? ,Lebensmittel‘, druckst Herr Krenz. Brot? Konserven? Obst? ,Ja, äh, Konserven.‘ (...) Die Moskau-Tickets der Air Koryo (...) kosten nur 350 DM für den einfachen Flug. Allerdings muss sich ziemlich genau auskennen, wer an ein solches Ticket herankommen will. Air Koryo macht keinerlei Reklame. (...)

Fabrikneue Mercedes-Wagen im Bauch der Tupolew

Der Zoll-Check am Flughafen Schönefeld ist schnell beendet. Zwar, so sagt ein Pjöngjang-Kenner in Berlin, erhält der deutsche Zoll aus ausländischen Quellen immer wieder Hinweise auf angebliche Schmuggelware an Bord der Tupolew, Kokain zum Beispiel. (...) Dass da in Pjöngjang einer lebt, der schnelle deutsche Autos mag, hat auch schon ein Sprecher des Flughafens Schönefeld festgestellt. Er blickte aus dem Fenster und beobachtete verdutzt, wie eine Prozession fabrikneuer Mercedes-Limousinen der S-Klasse übers Rollfeld glitten. Ihr Ziel: Der Bauch der Tupolew 154 von Air Koryo.“

Helena Wittlich

Zur Startseite