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169 Delegierte kamen in Adlershof zum Parteitag zusammen. Zentrales Thema war der Berliner Wohnungsmarkt.
© Annette Riedl/dpa

Landesparteitag zum Wohnungsmarkt: Berliner Linke will die Stadt zurückkaufen

Der Wohnungsmarkt ist Hauptthema beim Landesparteitag. Staatssekretär Scheel kündigt Verschärfungen beim Vorkaufsrecht an. Besonders im Visier: Großvermieter.

Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer lag krank im Bett, und Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher war schon im Urlaub. Dann hörten linke Spitzengenossen noch von der Trunkenheitsfahrt von Hakan Tas. Das war zwar nicht das überlagernde Thema des Parteitags der Linken am Sonnabend in Adlershof. Aber dieser „individuelle Fehler eines Einzelnen“, wie eine Linkspolitikerin sagte, trübte im Verlauf des Tages doch etwas die Stimmung der Genossen.

Noch am kämpferischsten trat am Vormittag Parteichef Bernd Riexinger vor den 169 Delegierten auf, sprach über die positiven Aspekte der Einwanderungsgesellschaft und, natürlich, die soziale Frage. Riexinger grenzte sich vom „grün angestrichenen Kapitalismus“ der Grünen ab, meinte gar, der ökologische Umbau sei ein „urlinkes Thema“ und betonte, die Partei würde die Initiativen zur Enteignung großer Immobilienkonzerne unterstützen. Das Thema Wohnen war denn auch das vordringlichste Thema auf dem Parteitag.

Die Berliner Linke unterstützt das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ und will sich „aktiv“ in die Arbeit des Bündnisses einbringen. Ein entsprechender Antrag wurde am Samstag verabschiedet. Am Freitagabend sprach Wohnstaatssekretär Sebastian Scheel noch vor 1000 Mietern der Karl-Marx-Allee im Kosmos, am Sonnabend musste der Linkspolitiker seine Senatorin vertreten. „Verwertungsmodelle zur Verdrängung“ dürften in Berlin keinen Platz mehr finden. „Die Stadt darf keine Stadt für Besserverdiener sein“, sagte Scheel unter Applaus der Genossen.

Das Mietrecht biete keine Antwort darauf für all das, was in der Wohnungsbaupolitik in Berlin passiere. Zwar habe man das Zweckentfremdungsverbot verschärft und Airbnb den Kampf angesagt. Durch die Verdoppelung der Milieuschutzgebiete seien 800.000 Menschen betroffen. Und man habe das Vorkaufsrecht verschärft. „So wurden 3000 Wohnungen gesichert“, sagte Scheel. „Und wir werden weiter nachschärfen.“ Man wolle sich die Stadt zurückkaufen. Und nicht jede gebaute Wohnung sei auch „eine gute Wohnung“. Deshalb müssten Privatinvestoren einen höheren Anteil an Sozialwohnungen bauen.

Staatssekretär appelliert an Verantwortung von Großkonzernen

Doch so einfach wie Scheel das darstellt, ist eine Enteignung nicht realisierbar. Beispiel Deutsche Wohnen mit 163.000 bewirtschafteten Wohnungen bundesweit, davon 115.000 in Berlin. „Wir sind mit der Deutsche Wohnen im Gespräch. Die Anerkennung des Mietspiegels durch den Konzern ist immer wieder ein Thema“, sagte Scheel dem Tagesspiegel. Die Deutsche Wohnen und andere Großkonzerne hätten eine Verantwortung für ihre Mieter. „Die müssen sie auch wahrnehmen.“

Die Volksinitiative zur Enteignung beruft sich auf Artikel 15 des Grundgesetzes, wonach Grund und Boden durch Vergesellschaftung in Gemeinwohl überführt werden kann. Die Linke will Großvermieter wie die Deutsche Wohnen, Arkelius, ADO oder Vonovia, die mehr als 3000 Wohnungen im Bestand haben, entschädigen. Dafür wären zweistellige Milliardensummen fällig. Allein für die Deutsche Wohnen könnten das zwischen zehn und 15 Milliarden Euro sein. Entscheidend ist der Verkehrswert. Unabhängig davon, ob die Inhalte der Initiative rechtlichen Bestand haben werden, muss nachgewiesen werden, dass die Wohnraumversorgung gefährdet ist.

Kein Wort zur Sammlungsbewegung "Aufstehen"

Und nicht ein Genosse nahm öffentlich das Wort „Aufstehen“, so der Name der Sammlungsbewegung rund um Sahra Wagenknecht, am Sonnabend in den Mund. Riexinger sprach zwar davon, gesellschaftliche Bündnisse „auf die Straße zu tragen“. Die am Samstag mit 84% wiedergewählte Berliner Parteichefin Katina Schubert und Fraktionschef Udo Wolf betonten die Teilnahme der Linken an der Unteilbar-Demonstration im Oktober mit rund 240.000 Menschen gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft. Wolf äußerte den Wunsch, dass Rot-Rot-Grün als parlamentarischer Arm der „Unteilbar“-Bewegung fungieren solle. Damit könnte Wolf sogar Konsens in der Koalition erzielen.

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