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Ein Neubau in Berlin.
© Kitty Kleist-Heinrich

Für sozialere Wohnungspolitik: Berliner Landesfirmen bangen um Investitionen von 750 Millionen Euro

Von Null auf mehr als 63.000 Wohnungen – die sechs städtischen Firmen bauen bis zur Grenze des Leistbaren. Wie eine Tour mit dem Regierenden zeigt.

Gut zu sein, kommt teuer: Die sechs städtischen Gesellschaften, die wegen ihrer geringen Mieten von 6,29 Euro je Quadratmeter im Durchschnitt oft als „die Guten“ bezeichnet werden, müssen wegen der jüngsten politischen Beschlüsse für eine noch sozialere Wohnungspolitik um Investitionen in Höhe von 750 Millionen Euro bangen. Dies sagte Jörg Franzen, Sprecher der Firmen, auf deren jährlicher Leistungsschau für die Presse auf Rundfahrt durch Berlins Bezirke.

Und er trübte damit ein wenig die sonnige Stimmung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) sowie des Senators für Stadtentwicklung und Wohnen Sebastian Scheel (Linke), denn die hatten die Firmen in höchsten Tönen gelobt.

Mitte, Neukölln, Biesdorf und Lichtenberg steuerte der Tross an auf seiner Neubautour. In der Ifflandstraße 11 in Mitte baut die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) 140 Wohnungen zwischen den Plattenbauten.

Es wird enger in der Stadt und schattiger, die Abstände zwischen den zuvor locker in der Art der 1980er Jahre aufgestellten Miethäusern werden kleiner. Balkone gibt es trotzdem und die Wohnungen sind nicht nur bezahlbar, sondern auch im Zentrum des Zentrums – und deshalb in kürzester Zeit vermietet. Auch wenn mancher Grundriss mit Küchen und Bädern ohne Fenster nicht jedem gefallen wird.

Aber: Dass der WBM trotz politisch gebotener „Partizipation“ diese Verdichtung gegen manchen Widerstand gelang, ist nicht selbstverständlich. Wohnen-Senator Scheel jedenfalls appellierte erneut an die Berliner, „mehr Solidarität“ zu zeigen: Nicht nur wegen der neu Herziehenden, sondern auch wegen der Berliner, die sich verändern müssen.

Bauen für die Massen: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und WBM-Chefin Christina Geib
Bauen für die Massen: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und WBM-Chefin Christina Geib
© Schönball

Auch von den Bezirken forderte er eine „Ermöglichungshaltung“ bei der Genehmigung von Neubauten. Und er lobte die Städtischen dafür, „schon jetzt 50.000 Menschen ein neues Zuhause geschaffen zu haben“ – Berlins Landesfirmen seien „Europas größter Projektentwickler“.

Einer von Scheels Amtsvorgängern, Michael Müller, ist ein Regierender Bürgermeister auf Abruf: Auf Platz eins der Landesliste der SPD für die Bundestagswahl wird ihm sogar nachgesagt, mangelhafte Teilhabe an den Geschicken Berlins zu haben.

Was er bestreitet: „Seit den sinkenden Inzidenzen ist mein Kalender wieder vollgelaufen wie vor der Pandemie“. Aber: Es sei nun auch viel Bundespolitisches darunter. Zur Anhörung über die Mietenpolitik im Bundestag soll er gehen und der Deutsche Städtetag will ihn zum selben Thema einvernehmen.

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Kriegt er auf diesem Umweg den Mietendeckel doch noch durch? „Nicht diesen Deckel, aber irgendeine Regelung kommt.“ Rot-Rot-Grün habe es im Programm „und auch die CDU/CSU kommt nicht umhin“, sagt er. Es ist der Druck der Basis, auch in den deutschen Mittelstädten laufen die Mieten davon – und den konservativen Bürgermeistern die Wähler, wenn sie nichts dagegen tun.

Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel und der Regierende Bürgermeister Michael Müller wollen baggern und bauen.
Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel und der Regierende Bürgermeister Michael Müller wollen baggern und bauen.
© Schönball

Ein Hochhaus mit Ökotechnik

Unübersehbar auf dem Weg stadtauswärts an der Frankfurter Allee steht der über 60 Meter und 22 Geschosse hohe Turm der städtischen Howoge am Stefan-Heym-Platz 1. Die Firma ist dort selbst eingezogen, aber in die unteren Geschosse. Die oberen, mit dem weiten Blick über die ganze Stadt, vermietet sie. Außerdem entstanden 400 Wohnungen, viele davon Sozialobjekte. Die schmucklosen, lang gezogenen und hohen, braunen Blöcke holen das Maximum aus dem Baugrund heraus.

Geschäftsführer Ulrich Schiller hat ehrgeizige ökologische Ziele: Es gibt Schlitze für Fledermäuse in den Häusern, Fotovoltaik zur Stromerzeugung auf den Dächern und ein Blockheizkraftwerk. Sogar Windmühlen will er auf einem Hochhaus an der Frankfurter Allee 218 aufstellen. Co2-Neutralität ist sein Ziel. Dazu prüfen seine Techniker sogar die Nutzung von Abwärme aus den U-Bahnschächten.

"Eigentlich wollten wir 30.000 Wohnungen"

Zurück im Bus verspricht Sprecher Franzen in der Summe „21.200 neue Wohnungen bis Ende der Legislaturperiode“ und fügt hinzu: „eigentlich wollten wir 30.000 fertig haben.“ So viele stehen im Koalitionsvertrag als Auftrag.

Bis einschließlich letztes Jahr waren es 15.985. Ein „sehr gutes Ergebnis“, zumal die sechs Firmen bis zum Jahr 2026 „über 63.000 Wohnungen an Projektvolumen“ haben. Das finden auch die Politiker: Müller erinnert daran, dass bei seinem Dienstantritt als Stadtentwicklungssenator der Neubau der Firmen nahezu eingestellt war.

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„Kaum hatten wir ihn eingepflanzt, da war er schon wieder weg“, sagt Müller und blickt hilflos auf den jungen Baum, den er zur Grundsteinlegung des Quartiers Alt-Biesdorf gesetzt hatte. Geschäftsführer Ingo Malter beruhigt ihn: „Der ist eingelagert und wird wieder gepflanzt, wenn die Grabungen vorüber sind.“ Einen prähistorischen Weidenflecht-Brunnen entdeckten Archäologen neben der denkmalgeschützten Scheune. Der lag just unter Müllers Baum. Deshalb musste er vorläufig wieder raus.

Das frühere Gut ist vom ebenfalls historischen Schloss und der Kirche durch eine Bundesstraße getrennt. Die zerschneidet die vorstädtische Idylle, die die Landesfirma mit zweigeschossigen Miethäusern im Neubau behutsam entwickelte.

Lässt sich daran nichts ändern? „Doch, eine Tunnelführung“, sagt Malter – aber Bundesstraßen sind Bundessache. Und er grient Richtung Müller, der in den Bundestag einziehen will. „Der Biesdorfer Tunnel wird eine meiner ersten Initiativen“, sagt der Noch-Regierende und lacht.

Das Biesdorfer Projekt strahlt vorstädtische Idylle aus: Die Häuser umschließen eine freie Fläche mit Kinderspielplatz, die genügend Raum für Märkte und Theateraufführungen bietet und als Treffpunkt dient. Viele der Mieter lebten zuvor in Einfamilienhäusern aus der Gegend und wollen in ihrem Kiez bleiben, heißt es. Und auch hier laufe die Vermietung mühelos, sagen die Verantwortlichen: „Bloß keine Werbung machen!“

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