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Und wer kümmert sich um die Kleinen? Kinder benötigen Hilfe, oft nicht nur in der Schule.
© Uwe Anspach/picture alliance / dpa

Personalmangel in den Bezirken: Berliner Jugendämter sind nur bedingt arbeitsfähig

Ein Berliner Jugendstadtrat gesteht ein, dass sein Bezirk nicht allen gesetzlichen Verpflichtung nachkommen kann. Die Suche nach Mitarbeitern ist schwierig.

In der vergangenen Woche waren die Sozialarbeiter des Jugendamtes in Tempelhof-Schöneberg für den normalen Publikumsverkehr nicht zu erreichen. Nur der Notdienst für Kinderschutzfälle wurde aufrechterhalten. Seit Jahren ist es das Gleiche: Die Mitarbeiter kommen mit dem Aufarbeiten der Aktenrückstände nicht hinterher, dann wird das Amt geschlossen. Die Arbeit soll so – ohne Störung von außen – erledigt werden. Nur in besonders dringenden Fällen bekommen Familien Hilfe, ansonsten müssen sie später wiederkommen. Schulen oder freie Träger bleiben ohne Ansprechpartner. Am Mittwoch musste Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) in der Bezirksverordnetenversammlung in seiner Antwort auf eine mündliche Anfrage der Grünen eingestehen: „Das Bezirksamt kann derzeit nicht gewährleisten, dass der Bezirk allen seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber freien Trägern, Schulen und anderen Einrichtungen nachkommt.“

Bei der Jugendgerichtshilfe ist nur eine Stelle arbeitsfähig besetzt

Die Personalprobleme des Jugendamts in Tempelhof-Schöneberg sind eklatant: An einzelnen Standorten des Regionalen Sozialdienstes sind die Hälfte bis zwei Drittel der möglichen Mitarbeiter im Einsatz. Besonders drastisch ist die Situation nach Schworcks Angaben in der Jugendgerichtshilfe, die Jugendliche bei Verfahren betreut: Dort ist nur eine von sieben Stellen arbeitsfähig besetzt, sodass wichtige Aufgaben von den ohnehin zu wenigen Mitarbeitern des Sozialdienstes übernommen werden.

120 Stellen in Berlin sind nicht besetzt

Das Personalproblem gibt es nicht nur in Tempelhof-Schöneberg. Immer wieder schreiben Mitarbeiter an Politiker auf Bezirks- und Senatsebene und weisen auf die desolate Situation der bezirklichen Sozialdienste hin. Geändert hat sich bislang nicht viel. In der ganzen Stadt sollen rund 120 Stellen der Jugendämter nicht besetzt sein. Auch in Treptow-Köpenick kennt Jugendstadtrat Gernot Klemm (Linke) das Personalproblem. Kürzlich waren dort fünf Sozialarbeiterstellen ausgeschrieben. Es gab sieben qualifizierte Bewerber, die der Bezirk beschäftigen wollte. „Ich hätte jetzt auch über den Durst eingestellt“, sagte Klemm, wohl wissend, dass der nächste Mitarbeiterengpass kommen würde. Aber in den wenigen Wochen des Einstellungsprozesses seien vier Bewerber abgesprungen, so dass nur drei Stellen besetzt wurden. Sie hatten bessere Angebote gefunden.

In Brandenburg verdienen Mitarbeiter mehr

Ein Grund für die Personalprobleme ist auch, dass Sozialarbeiter in den Berliner Jugendämtern weniger verdienen als anderswo. Nach Klemms Auffassung hat der letzte Tarifabschluss im öffentlichen Dienst der Länder, der für diese Berufsgruppe einen Zuschlag von 100 Euro vorsieht, die Gehaltsschere beispielsweise zu den Brandenburger Kommunen nicht schließen können. Dort erhielten Sozialarbeiter 200 bis 250 Euro mehr.

Auch Klemms Kollege Schworck kennt die Schwierigkeiten, neue Mitarbeiter zu finden. Seit 2016 habe es acht Ausschreibungen für insgesamt 53 Stellen gegeben; 32 Bewerber seien ausgewählt worden, aber nur 19 eingestellt. Dennoch sei der Personalbestand lediglich um etwas mehr als eine Vollzeitstelle gewachsen. Denn gleichzeitig verließen Mitarbeiter des Sozialdienstes die Behörde – unter anderem wegen der hohen Arbeitsbelastung und besserer Gehälter bei anderen Arbeitgebern. Die Wechselbereitschaft der Beschäftigten sei groß.

Auch die Grundschulrektoren sind besorgt

Ende vergangenen Monats meldeten sich alle Grundschulleiter des Bezirks zu Wort und äußerten ihre Besorgnis darüber, dass der Sozialdienst nicht mehr die übliche Zusammenarbeit mit den Schulen und den Familien leisten kann. Wenn Kinder und Familien, die sich vorübergehend oder langfristig in schwierigen Situationen befinden, keine Hilfe erhielten, so werde das zu mehr Kindern führen, „die nicht beschulbar sind, die in Kliniken eingewiesen werden müssen, die zu Kinderschutzfällen werden“.

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