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Gegen das Lab: Einige Dutzend Menschen protestierten auf dem Teutoburger Platz gegen das BMW-Guggenheim-Projekt.
© dpa

Basteln statt Ideen schmieden: Berliner fremdeln noch mit Guggenheim Lab

Erster langer Publikumstag im Guggenheim Lab in Prenzlauer Berg: Die Zukunftswerkstatt irritiert die Besucher und provoziert einen Mini-Protest.

Und deswegen der ganze Rummel? Einige der wenigen Besucher, die es am Sonnabend, dem ersten langen Öffnungstag, ins umstrittene BMW Guggenheim Lab in Prenzlauer Berg geführt hat, haben sichtlich Probleme, den schlichten, temporären Zweckbau mit seinem auf den ersten Blick undurchschaubaren Konzept ins Verhältnis zu setzen mit der aufgeheizten Debatte, die es seit der Vertreibung des Projekts aus Kreuzberg darum gibt. „Ich hatte es mir viel größer vorgestellt“, sagt die Lehrerin Hanne Vogt (63), die mit ihrem Mann und einer Freundin gekommen ist. „Ich verstehe nicht, wieso es deswegen so viel Aufregung gab.“

Und so richtig verstehen sie und manche andere Besucher an diesem Tag auch nicht, was das Lab überhaupt sein soll: Es gibt kaum Erklärungen zum lediglich auf Englisch ausliegenden Veranstaltungsprogramm, an einigen Tischen basteln ebenfalls nur Englisch sprechende Studentinnen aus New York oder Cambridge mit Kindern an ferngesteuerten Autos oder einer Murmelbahn herum. Wer hier große sozialpolitische Debatten oder einen Vorgeschmack auf die Stadt der Zukunft erwartet, wie man es dem Lab im Vorfeld zugeschrieben hatte, wird zumindest am Samstagmittag enttäuscht. „Das kommt mir eher vor wie eine Bastelstunde“, sagt Vogt. Und ihre Freundin Petra Althoetmar (66), Soziologin und interessiert an Stadtentwicklung, die im Lab diskutiert werden soll, ergänzt: „Ich erkenne hier keine Verbindung zum Thema.“

Das BMW Guggenheim Lab in Bildern

Großen Spaß hat an einem der Lab-Tische hingegen der siebenjährige Juri. „Die Murmelbahn gefällt mir“, sagt er, während er mit einem Skalpell an Pappbögen herumschneidet, mit denen die Bahn verlängert wird. Der Junge ist mit seinem Vater gekommen, Oliver Frank (40), Geschäftsführer einer Werbeagentur. „Ich bin froh, dass das Lab hier ist und nicht in Kreuzberg“, sagt der. Ihn interessieren Themen wie urbanes Leben und Mobilität. Und anders als die meisten Besucher an diesem Tag hat er sich vorher im Internet informiert und gesehen, dass die gewichtigeren Themen eher den abendlichen Vortragsveranstaltungen vorbehalten sind und es tagsüber vor allem ein Programm für Kinder gibt, mit dem die spielerisch entdecken sollen, wie man aus einfachen Zutaten etwas Komplexes basteln kann. Zum Beispiel aus einer Zahnbürste und einem kleinen Vibrationsmotor einen Mini-Roboter, der seinen Weg durch ein Labyrinth findet.

Sehen Sie hier das Video – das Guggenheim Lab in Aktion:

"Wir brauchen bezahlbare Wohnungen, kein Schickimicki."

Kleine Aktionen als Beispiel für große Veränderungen, das ist eines der Prinzipien des Labs, erläutert Kuratorin Maria Nicanor, während sie einigen Kindern begeistert beim Basteln zuschaut: „Wenn man Dinge mit eigenen Händen macht, fängt man an, umzudenken und auch andere Sachen in die eigene Hand zu nehmen.“ In den ersten Stunden des gestrigen Tages fühlen sich allerdings gerade mal ein paar Dutzend Neugierige angezogen und finden den Weg in den versteckten Hinterhof des Pfefferberg-Areals an der Schönhauser Allee.

Und manche suchen schnell wieder das Weite, als sie merken, dass die Umgangssprache hier meist Englisch ist. Die enthusiastische Bemerkung eines Vaters: „Da kannst du dein Englisch gleich mal anwenden“, kommentiert sein kleiner Sohn mit einem entschiedenen „Nein“. „Warum alles in Englisch? Hier ist Deutschland!“ steht auch auf einem der Notizzettel, auf denen Besucher erste Eindrücke niedergeschrieben haben.

Das ist auch einer der Kritikpunkte der Gegner des BMW Guggenheim Labs, die sich am Nachmittag zu einer kleinen Kundgebung am Teutoburger Platz versammeln. Ihre Zahl ist mit ein paar Dutzend vergleichbar der Lab-Besucherzahl an diesem von Regenschauern geprägten Tag. „Die leben in einer anderen Welt und sprechen nicht meine Sprache“, sagt Wenke Rottstock, Sprecherin der Gruppe „Leute am Teute“.

Video: Das Guggenheim-Lab in Prenzlauer Berg wenige Tage vor der Eröffnung

Das meint sie durchaus wörtlich, da sie nur wenige Brocken Englisch kann, wie sie sagt. Zusammen mit ein paar linken Grüppchen hat ihre Initiative zu der Kundgebung aufgerufen hat, weil sie befürchtet, dass Veranstaltungen wie das Lab die ohnehin schon starken Mietsteigerungen im Kiez beschleunigten. „Wir brauchen bezahlbare Wohnungen, kein Schickimicki“, sagt sie und spricht verächtlich über „automatische Windelwechsler und solarbetriebene Kaffeeröster“, mit denen sich die Lab-Macher beschäftigten. Dann werfen ihre Mitstreiterinnen die Lautsprecher an, Protestmusik erschallt, eine Zeile lautet: „Baby, deine Vernissage ist völlig für den Arsch.“

Wo? Das Lab im Pfefferberg-Komplex, Schönhauser Allee 176, ist mittwochs bis freitags von 14 bis 22 Uhr, samstags und sonntags von 12 bis 22 Uhr geöffnet. Und zwar bis zum 29. Juli.

Was? „Making things digital“ ist etwa an diesem Sonntag das Tagesthema. Jeweils um 12 und 16 Uhr starten diverse Bastelshops rund um intelligente Geräte und Anwendungen. Um 19 Uhr laufen Filme und Vorträge. Das alles meist in Englisch, aber dafür kostenlos. Das komplette Programm ist zu finden unter www.bmwguggenheimlab.org (gba)

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