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Das Mobilitätsgesetz denke Rad- und Fußverkehr, ÖPNV und Wirtschaftsverkehr zusammen, so Antje Kapek (Grüne).
© Britta Pedersen/dpa

Debatte im Abgeordnetenhaus: Berliner CDU zum Mobilitätsgesetz: "Rot-rot-grüne Kampfansage"

Das im Abgeordnetenhaus vorgelegte Mobilitätsgesetz wurde in erster Lesung kontrovers diskutiert. CDU, FDP und AfD wettern gegen die Verkehrspolitik der Koalition.

Berlin erhält bundesweit das erste Mobilitätsgesetz. In erster Lesung wurde am Donnerstag über das Gesetz im Parlament auf Antrag der Koalition diskutiert. „Endlich schaffen klare Regeln da Ordnung, wo bislang Anarchie herrschte. Das Erbe einer ideologischen Verblendung“, sagte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek, die hofft, dass ihre niederländische Schwiegermutter sich künftig auch in Berlin Fahrrad zu fahren traut.

Das Gesetz denke Rad- und Fußverkehr, öffentlichen Personennahverkehr und Wirtschaftsverkehr zusammen. Auch Autofahrer profitierten von dem Gesetz, sagte Kapek. Je mehr Leute auf Bus oder Bahn umstiegen, desto mehr Platz sei für diejenigen da, die das Auto wirklich brauchten: Familien, Pflegedienste, Fußgänger, Handwerker und Lieferdienste. Das Mobilitätsgesetz sorge auch für bessere Luft und weniger Lärm. „Das ist der einzige Weg, um Fahrverbote wirklich zu verhindern“, sagte Kapek.

Die CDU lehnt das Mobilitätsgesetz ab. Verkehrspolitiker Oliver Friederici warnte vor einem Gegeneinander der Mobilitätsformen. Einzelne Verkehrsarten würden diskriminiert. Friederici nannte als Leidtragende die Autofahrer, die völlig ignoriert würden. Diese müssten den Wegfall der Parkplätze stillschweigend akzeptieren.

"Wird keine verkehrspolitische Akzeptanz erfahren"

Ein Carsharing-Konzept fehle, und auch Fußgänger würden in dem Mobilitätsgesetz nur eine marginale Rolle spielen. Das Gesetz sei eine rot-rot-grüne Kampfansage und würde eher als Radverkehrsgesetz durchgehen. „Dieses Gesetz wird keine verkehrspolitische Akzeptanz erfahren“, sagte Friederici.

Mit dem Gesetz werde das Fahrrad zu einer echten Alternative, sagte SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf. „Dass wir Politik gegen Autofahrer machen würden, will keiner mehr hören“, sagte Schopf an die Adresse der CDU. Auch die Einführung des Rauchverbots habe der Partykultur in Berlin nicht geschadet. „Hören Sie auf mit ihrem Poltern und Lamentieren.“ Berlin brauche eine umweltfreundliche Mobilität für ein faires Miteinander.

Das Gesetz sei in großen Teilen von Lobbygruppen gefertigt, behauptete AfD-Politiker Frank Scholtysek. „Ideologische Versatzstücke“ seien in einzelnen Paragraphen zu finden. Immerhin würden das Streben nach einem Tarifverbund und die Pendlerverkehre in dem Gesetz thematisiert, das Scholtysek als „Bürokratiemonster“ bezeichnete.

„Was war das denn für eine Rede?“, begann Verkehrspolitiker Harald Wolf (Linke) seine Rede in Richtung CDU. Die Schwarmintelligenz in Berlin sei deutlich weiter als CDU und AfD in Berlin. Das Mobilitätsgesetz sei bundesweit einmalig. In einem Dialog mit Initiativen und Gruppen sei das Gesetz zustande gekommen. „Das sind keine Lobbygruppen, sondern Bürger dieser Stadt“, richtete Wolf seine Worte an die AfD.

„Das Autofahren ist eine Minderheit in dieser Stadt“

Berlin werde mit dem Gesetz weniger Staus, Lärm und Schadstoffemissionen haben. Die Mehrheit dieser Stadt stehe hinter dem Gesetz. „Das Autofahren ist eine Minderheit in dieser Stadt“, behauptete Wolf. „Radverkehr und Fußverkehr müssen Vorrang haben.“ Das Gesetz beende die Diskriminierung von Radfahrern und Fußgängern in Berlin.

Kein einziger Bezirk hätte dem Mobilitätsgesetz zugestimmt, sagte FDP-Politiker Henner Schmidt. Rot-Rot-Grün habe das Gesetz konzipiert, weil man der Fahrradlobby anders nicht habe standhalten können. Der Anspruch eines umfassenden Gesetzes sei nicht erfüllt. „Die Fixierung auf den Kampf gegen das Auto lässt vergessen, dass die Priorisierung des Radverkehrs auch gegen die Fußgänger läuft.“ Schmidt kritisierte wie auch die CDU, dass Parkplätze verschwinden würden. Der FDP-Politiker forderte eine komplette Überarbeitung des Gesetzes. Die Liberalen wollen diverse Änderungsanträge in das Parlament einbringen.

Am Ende der Aktuellen Stunde hatte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) das Wort. „Das Mobilitätsgesetz ist die Grundlage für tiefgreifende Veränderungen in der Stadt für die kommenden Jahre.“ 2025 oder 2035 sollten Berlin-Besucher auf eine moderne Mobilität zurückgreifen können.

"Rolle des Autos" müsse sich ändern

Günther wandte sich gegen die Vorhaltung der FDP, die Bezirke hätten das Gesetz abgelehnt. „Das ist nicht so. Die Bezirke haben sich intensiv beteiligt“, sagte Günther. Das Gesetz beinhaltet fünf Teile: allgemeiner Teil, ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr und intelligente Mobilität. Drei lägen vor, die beiden letzten würden im Laufe des Jahres erarbeitet. „Der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur ist ein großes Thema. Ohne diesen würde es chaotische Verhältnisse auf den Straßen geben.“  Auch die „Rolle des Autos“ müsse sich in Berlin ändern. Lärm und Schadstoffe würden die Menschen immer weniger akzeptieren.

Weiter ging es mit Diesel-Fahrverboten, A100-Ausbau, Pendler-Angeboten; die Opposition konzentrierte sich auf Verkehrsthemen. Die CDU-Fraktion beantragte einen „Pakt gegen Fahrverbote“, der Maßnahmen zu deren Vermeidung enthält. „Nachrüstungen müssen her, da ist die neue Bundesregierung gefordert“, sagte Friederici. Dem konnte der SPD-Mann Schopf nur zustimmen.

Die AfD-Fraktion wolle nicht die Autoindustrie verantwortlich machen, sagte Abgeordnete Christian Buchholz. Nachrüstungen sollten Bürgern bei der KfZ-Steuer gutgeschrieben werden. Harald Moritz (Grüne) schloss Fahrverbote nicht aus.

Mit dem Antrag „Weiterplanung der A100“ will die AfD den Bau einer Berliner Ringstraße vorantreiben. Die Position der SPD habe sich nicht geändert, ließ Tino Schopf wissen. Die Koalition werde keine Planungsvorbereitungen für den 17. Bauabschnitt vornehmen. CDU-Verkehrspolitiker Friederici kritisierte die SPD, die auf Bundesebene eine andere Haltung vertrete als auf Landesebene.

Der Antrag der FDP befasste sich mit den Angeboten für Pendler zwischen Berlin und Brandenburg. Mehr Schiene, bessere Verknüpfung – entscheidend sei, ein komfortables Angebot zu schaffen, sagte Henner Schmidt. Alle Anträge wurden in die Ausschüsse überwiesen.

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