Überraschende Personalie: Berliner Bildungssenatorin Scheeres versetzt Staatssekretär in den Ruhestand
Die Bildungsverwaltung verliert ihren strategischen Kopf. Scheeres' Sprecherin Beate Stoffers soll Nachfolge von Mark Rackles antreten.
Berlins Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles, 52, wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und Rackles hätten sich im gegenseitigen Einvernehmen getrennt, verlautete aus Senatskreisen. Der Senat wird dem voraussichtlich am Dienstag zustimmen, dann soll auch die Nachfolge bekanntgegeben werden. Man habe sich auseinandergelebt, hieß es. Der einzige Name, der am Montagabend von mehreren Seiten unabhängig genannt wurde, war der von Scheeres’ langjähriger Sprecherin Beate Stoffers. Diese Information wurde am späten Abend aus Senatskreisen bestätigt.
„An der Spitze der Verwaltung hängt der Haussegen schon lange schief“, wird die Trennung von Rackles in der rot-rot-grünen Koalition kommentiert. Aktuelle Auseinandersetzungen, etwa um die Verbeamtung von Lehrern, sollen bei der Entscheidung von Scheeres keine ausschlaggebende Rolle gespielt haben.
Seit 2011 war der Sozialdemokrat Rackles, der viele Jahre Vize-Landeschef der SPD und Sprecher der Parteilinken war, als Staatssekretär maßgeblich verantwortlich für die Schulpolitik in Berlin. Er galt regierungsintern als Impulsgeber und Macher unter einer politisch und fachlich schwachen Senatorin Scheeres. SPD-intern profilierte sich Rackles mehrfach als Kritiker des Berliner SPD-Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeisters Michael Müller.
„Egal was kommt – es wird schlechter.“ So lautete am Montag die erste spontane Reaktion aus der SPD-Fraktion auf den angekündigten Rückzug: Wer in Berlin an Bildung interessiert ist, ging davon aus, dass der Parteilinke der strategische Kopf der Bildungsverwaltung war. Während Behördenchefin Scheeres sich vornehmlich bei Fototerminen zeigt, musste er an allen Fronten als Problemlöser kämpfen.
Der aus Baden-Württemberg stammende Rackles, der schon mit 20 Jahren der SPD beigetreten war, hatte zunächst in der Wirtschaft gearbeitet, bevor er in die Senatskanzlei wechselte. In der Bildungsverwaltung häuften sich die Zuständigkeiten dann. „Er hat zwei Jobs gemacht“, sagte ein SPD-Fraktionsmitglied dem Tagesspiegel: Neben seiner Aufgabe als Bildungs-Staatssekretär musste er noch die „Taskforce Schulbau“ leiten. Dem Vernehmen nach habe Scheeres darauf bestanden, dass die Federführung für die Taskforce in ihrem Haus bleibt, obwohl diese Aufgabe auch in der Senatskanzlei hätte angebunden sein können.
„Acht Jahre lang musste er kompensieren, was Scheeres nicht leistete“, heißt es aus Parteikreisen über den scheidenden Staatssekretär. Zuletzt agierte er dabei mitunter schroff, was ihm Kritik einbrachte.
„Das ist der Abgesang auf Sandra Scheeres“
Ersetzt werden soll Rackles durch einen hausinternen Nachfolger, wie der Tagesspiegel aus zwei voneinander unabhängigen Quellen erfuhr. In der Fraktion kam die verwaltungsinterne Lösung nicht gut an. Schon Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) habe im Dezember 2018 verpasst, die Beziehungen zu den Abgeordneten zu stärken, als sie Diakonie-Vorstand Martin Matz zum Nachfolger ihres Staatssekretärs Boris Velter machte. „Das ist der Abgesang auf Sandra Scheeres“, kommentierte ein Fraktionsmitglied den Abgang. „Scheeres wäre schon längst nicht mehr da, wenn es Rackles nicht gegeben hätte.“
Noch in der vergangenen Woche deutete für Beobachter nichts auf einen Rückzug von Rackles hin. Gut gelaunt und voller Tatendrang präsentierte er am Donnerstag vor Architekten die Berliner Schulbauoffensive, bei derer als Leiter der „Taskforce Schulbau“ federführend ist. Die Schulbauoffensive ist Kernprojekt des rot-rot-grünen Senats, es hat eine Investitionssumme von mindestens 5,5 Milliarden Euro. Rund 70 neue Schulen will Berlin bauen, rund 100 Ergänzungsbauten errichten und alle bestehenden Schulen sanieren, berichtete Rackles auf der Veranstaltung des Vereins Architekturpreis Berlin mit sichtlichem Stolz.
Stoffers will Fokus auf Qualitätsmanagement legen
Zwischen der Senatorin und ihrem Staatssekretär hatte es in jüngerer Zeit allerdings Streit um die Verbeamtung von Lehrern gegeben. Während Scheeres neuerdings darauf drängte, widersetzte sich Rackles dem Vorhaben entschieden – und soll sogar beim Landesparteitag offen gegen diesen Plan Stimmung gemacht haben. „Die Verbeamtung war nur ein Vorwand, um eine Begründung für die Trennung zu haben“, verlautete am Montag indes aus der Fraktion. „Dass die beiden sich trennen werden, ist schon länger im Raum als der Konflikt um die Verbeamtung.“
Die Opposition begrüßte den Abschied von Rackles am Montag – und richtete den Blick zugleich auf die Senatorin, die nun ungeschützt dasteht. „Scheeres baut Ideologie ab“, kommentierte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Hildegard Bentele, bei Twitter. Rackles habe gute Schulleiter und Lehrer „getriezt“ und „SPD-Hörige eingesetzt“, schrieb Bentele. „Aber Rackles war auch der Macher.“ Scheeres hingegen sei in der Schulpolitik „komplett blass“ und mit jeder Maßnahme „zu spät“. Worte wie diese sind derzeit sogar von Sozialdemokraten zu hören.
Am Nachmittag sprach sich herum, dass es für Rackles eine hausinternen Nachfolgelösung geben solle. Nachdem mehrere mögliche Varianten ausgeschlossen worden waren, engte sich die Personalie auf den Sprecherbereich ein. Schließlich fiel der Name von Beate Stoffers, die als enge Vertraute der Senatorin gilt und seit 2011 an ihrer Seite steht. Stoffers war früher Sprecherin der Wall-AG. Stoffers selbst sagte am Abend gegenüber dem Tagesspiegel, dass sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf das Qualitätsmanagement legen wolle. Aus Parteikreisen wurde die Personalie Stoffers am Abend folgendermaßen kommentiert: Das sei "ein Anfang des Endes des Senatorin“. Es gab aber auch Zustimmung zur der Personalie: Stoffers sei eine "taffe Frau, die sich mit allen Problemen der Verwaltung super auskennt", sagte der SPD-Bildungsstadtrat von Marzahn-Hellersdorf, Gordon Lemm. Er wünsche ihr "viel Glück".