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Der Berliner BER-Ausschuss hat Tausende Akten zum neuen Airport gewälzt. 
© Patrick Pleul/dpa

Konsequenzen aus Flughafen-Debakel angemahnt: Berliner BER-Untersuchungsausschuss für Milliarden-Entschuldung

Wie konnte es dazu kommen, dass der BER viel zu spät und viel zu teuer in Betrieb ging? Der zweite U-Ausschuss hat seinen Abschlussbericht vorgestellt.

Es ist wieder ein dicker Wälzer geworden. Das Debakel um den BER, diesmal seziert auf 898 Seiten, 2016 waren es beim ersten Anlauf 1269 Seiten. Nun hat der zweite Berliner BER-Untersuchungsausschuss, geleitet von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD), am Mittwoch seinen Abschlussbericht vorgestellt.

Die BER-Aufklärer im Abgeordnetenhaus mahnen darin über Parteigrenzen hinweg – trotz Wahlkampf und harten politischer Gegensätzen – eine Sanierung und Neuausrichtung der angeschlagenen Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) an. Die sei mit dem Bau des BER überfordert gewesen, heißt es.

Es sei „unerlässlich, die Flughafengesellschaft von ihrer erdrückenden Schuldenlast zu befreien“. Dafür sei „ein Sanierungsfahrplan mit Teilentschuldung erforderlich, der auch vor einer Neustrukturierung des Unternehmens nicht halt macht.“

Die FBB müsse zu einem krisenfesten öffentlichen Unternehmen entwickelt werden, das kapitalmarktfähig ist und ohne Zuschüsse des Steuerzahlers auskomme. Für weitere Ausbauten und künftige Großprojekte wird eine eigenständige Projektgesellschaft angemahnt. Oppositionelle CDU, FDP und AfD haben den Bericht, geprägt von SPD, Grünen und Linken, um Minderheitenvoten ergänzt. 

Seit 2018 hatte das Gremium den Skandal um den BER untersucht, der erst am 31. Oktober 2020 acht Jahre zu spät und mit Kosten von 6,8 Milliarden Euro drei Mal teurer als kalkuliert eröffnet werden konnte. Mit der Folge, dass die FBB an den Rand der Pleite geraten ist, was nun noch durch die Coronakrise verschärft wurde. Und schon jetzt ist klar, dass die FBB bis 2026 mindestens 2,4 Milliarden Euro braucht, wovon bislang 1,1 Milliarden zur Teilentschuldung vorgesehen sind.

SPD-Obmann: Baufirmen haben sich am BER "dumm- und dämlich verdient"

„Das wird nicht reichen“, warnte SPD-Obmann Jörg Stroedter. Die FBB, mit vier Milliarden Euro zu noch verschuldet, müsse „um 50 Prozent“ teilentschuldet werden. Stroedter hatte den U-Ausschuss wie auch Linke und AfD für überflüssig gehalten. Am Ende sieht er sich in seiner Einschätzung bestätigt, dass der BER schon 2015/2016 hätte eröffnet werden können, wenn es nach 2012 einen Baustopp, eine Bestandsaufnahme, „einen Rückbau auf Rohbau“ gegeben hätte.

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Stattdessen habe es mit den Managern Hartmut Mehdorn, aber auch Karsten Mühlenfeld bis 2017 „verlorene Jahre“ gegeben, in denen sich Baufirmen wie Caverion oder Imtech/ROM „mit Stundenabrechnungen dumm- und dämlich verdienten.“ Man habe „ohne Plan“ gebaut, sagte Grünen-Obmann Harald Moritz. Er hob hervor, dass die Grünen ein „Sondergutachten“ zur Überprüfung der Flughafenfinanzen durchgesetzt hätten. 

Schon vor der Corona-Pandemie sei klar gewesen, sagte CDU-Obmann Christian Gräff, dass die FBB Zinsen und Tilgung der Kredite mit dem BER nicht hätte erwirtschaften können. Nötig sei eine „Restrukturierung“. Die CDU setzt dabei auf ein „Konzessionsmodell“, bei dem das Anlagevermögen bei der öffentlichen Hand bliebe, der Betrieb aber an Private vergeben wird. SPD, Linke und Grüne lehnen dagegen jedwede Privatisierung ab.

Einig ist man sich im Befund zur FBB, dass nach dem Bau auch „die Konzepte sowie das Geschäftsmodell für die Immobilienentwicklung des Flughafens BER nur unzureichend sind.“ Es sei auch „zu überlegen, ob die Anzahl der Geschäftsführer reduziert werden kann.“ Tatsächlich leistet sich die FBB weiter ein dreiköpfiges Management.

Empfehlung: Schönefelder Terminal dauerhaft in Betrieb lassen

Linke-Obmann Carsten Schatz mahnte, dass es nur „einen behutsamen, kleinteiligen Ausbau“ des BER geben dürfe, das alte Schönefelder Terminal T5 dauerhaft in Betrieb bleiben sollte. Mit der falschen Standortentscheidung für Schönefeld und dem nicht möglichen 24-Stunden-Betrieb sei von Anfang klar gewesen, dass der BER nie ein internationales Drehkreuz werden könne, sagte Frank-Christian Hansel (AfD). Der BER sei viel zu klein konzipiert. Allein die Pandemie mit dem Einbruch der Passagierzahlen habe die FBB gerettet.

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Das sieht auch die FDP so, die vergeblich um den Erhalt des City Airports Tegel gekämpft hatte. „Unter normalen Bedingungen wäre der BER im Oktober 2020 zusammengebrochen“, sagte der FDP-Abgeordnete Bernd Schlömer. Die FBB sei nach wie vor kein solide aufgestelltes Unternehmen, sondern brauche „Intensivbetreuung“.

Während es in Brandenburg seit der geplatzten Eröffnung 2012 nie einen U-Ausschuss zum BER gab, beendet in Berlin nun bereits der zweite seine Arbeit. Er hatte 60 Zeugen vernommen und 10.000 Seiten Dokumente eingesehen. Nun gibt es im Abgeordnetenhaus am Donnerstag – wenige Wochen vor der Berlin-Wahl – nun noch eine Generalaussprache zum BER. 

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