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Eine Familie auf einem Spielplatz (Symbolbild)
© DPA/Julian Stratenschulte
Update

Unterhaltsvorschuss in Berlin: Berliner Alleinerziehende warten weiter auf ihr Geld

Wenn ein unterhaltspflichtiger Elternteil nicht zahlt, springt der Staat ein. Theoretisch. Tatsächlich warten in Berlin Berechtigte meist monatelang auf das dringend benötigte Geld.

Von Laura Hofmann

Ist eine neue Hose wirklich nötig oder lässt sich die alte noch länger tragen? Kann ich mit meinen Kindern in den Urlaub fahren? Mal ins Schwimmbad gehen? Diese Fragen stellen sich viele Alleinerziehende in Berlin, in der großen Mehrheit Mütter, berichtet Karin Schulze von der Selbsthilfe-Initiative Alleinerziehender (SHIA e.V.). Tausende von ihnen warten immer noch monatelang auf den ihnen rechtlich zustehenden Unterhaltsvorschuss.

In drei von vier Fällen benötigten die Bezirke im zweiten Halbjahr 2017 mehr als drei Monate, um Anträge auf finanzielle Unterstützung abschließend zu bearbeiten. Das geht aus der bisher unveröffentlichten Antwort des Senats auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Maren Jasper-Winter hervor.

Seit Juli 2017 haben auch Kinder, die älter als 12 Jahre sind, Anspruch auf Unterhaltszahlungen vom Staat, wenn der getrennt lebende Partner nicht zahlt. Die Senatsjugendverwaltung erfasst die Zahl der Entscheidungen nach der Dauer der Bewilligungsverfahren bis und länger als drei Monate.

Anträge für Unterhaltzuschuss nach Bezirken
Anträge für Unterhaltzuschuss nach Bezirken
© Visualisierung: Tsp/Gitta Pieper

Demnach sind 6972 Fälle in der zweiten Jahreshälfte 2017 erst nach über drei Monaten positiv beschieden worden, nur bei 2299 Familien dauerte es weniger als drei Monate. Laut Paragraph 75 der Verwaltungsgerichtsordnung ist nach drei Monaten Wartezeit eine Untätigkeitsklage möglich – auch wenn Überlastung die Ursache des Behördenversagens ist. „Rot-Rot-Grün und die Bezirke müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und dürfen Alleinerziehende nicht weiter im Stich lassen“, fordert Jasper-Winter, die kürzlich ihr zweites Kind bekommen hat.

Marzahn-Hellersdorf hat die meisten Fälle

In Neukölln und Steglitz-Zehlendorf dauerte die Bearbeitung in allen Fällen länger als drei Monate. Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD) aus Steglitz-Zehlendorf verweist darauf, dass zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht alle Stellen besetzt gewesen seien, seit dem 1. Juli seien drei Mitarbeiter eingestellt worden, 60 Prozent der Anträge seien inzwischen abgearbeitet.

Marzahn-Hellersdorf ist der Bezirk mit den meisten säumigen Zahlern, für die der Staat nun einspringen muss. 2017 gewährte der Bezirk in 5008 Fällen Unterhaltungsvorschuss, 2018 waren es bis Ende Mai schon 6211 Fälle, wie die Senatsverwaltung mitteilt. In 85 Prozent der Fälle dauerte die Bearbeitung länger als drei Monate.

Erst allmählich kann das Jugendamt das nötige Personal einstellen. 29 Vollzeitstellen sind in diesem Bereich eingeplant, besetzt sind aber nur 17,5. Drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden in Kürze eingestellt, für sieben laufen die Verfahren, teilt Jugendstadtrat Gordon Lemm (SPD) mit. Derzeit seien noch 670 Anträge offen. Lemm nennt aber auch andere Gründe für die lange Bearbeitung. Ein Faktor ist zum Beispiel die Vollständigkeit von Unterlagen.

Zahl der Mitarbeiter in einigen Bezirken zurückgegangen

Von Beginn des Jahres bis Ende Mai sind berlinweit nur 2,5 Vollzeitstellen in den Unterhaltsvorschussstellen hinzugekommen. Der Senat hatte eigentlich 72 zusätzliche Stellen allein für die Bearbeitung der Unterhaltsanträge bewilligt, die Hälfte schon im Februar 2017. Davon sind noch rund 44 Stellen nicht besetzt.

In einigen Bezirken ist die Zahl der Mitarbeiter von Januar bis Mai sogar zurückgegangen. Die Senatsjugendverwaltung verweist hier auf die „generell schwierige Personalsituation“ und langwierige Einstellungsverfahren. Das berichtet auch Falko Liecke (CDU), Jugendstadtrat in Neukölln: 19 der vorgesehenen 23 Vollzeitstellen in der Unterhaltsvorschussstelle sind hier tatsächlich besetzt, bedingt durch Arbeitszeitverkürzungen oder Mitarbeiter in Elternzeit.

In Mitte seien die sechs zusätzlichen Stellen zwar besetzt worden, bis die neuen Mitarbeiter eingearbeitet seien, dauere es aber, schreibt Stadträtin Sandra Obermeyer (parteilos, für die Linke). Vom Senat heißt es, er habe das Thema jetzt „ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt.“ (Mitarbeit: isa)

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