Nur noch Delegierte beim Parteitag: Berliner AfD rückt nach heftigem Streit von der Basisdemokratie ab
Wer darf entscheiden: Mitglieder oder Delegierte? Darüber herrschte in der Berliner AfD seit Monaten Streit. Die Entscheidung dürfte die Partei weiter spalten.
Die Entscheidung fiel am Freitagabend zu später Stunde - und sie war denkbar knapp. Mit nur einer Stimme Mehrheit fassten die Mitglieder des Notvorstands der Partei den Entschluss, den für Mitte März geplanten Landesparteitag der Berliner AfD nach dem Delegiertenprinzip zu organisieren. Statt wie bislang allen Mitgliedern der Partei, stehen eine Teilnahme am Parteitag und die Entscheidung über die Zusammensetzung des neuen Landesvorstands erstmals nur den zuvor in ihren Bezirksverbänden gewählten Delegierten zu.
Die Spaltung der Partei dürfte die Entscheidung eher noch befeuern. Hielt die Berliner AfD bislang - genau wie die Grünen - die Basisdemokratie bei innerparteilichen Wahlen bewusst hoch und nutzte diese zur Abgrenzung von der politischen Konkurrenz.
Hinzu kommt, dass das Abgeordnetenhaus erst vor wenigen Tagen mit der Änderung des Landeswahlgesetzes den Weg geebnet hatte für Mitgliederparteitage im hybriden Verfahren. Rein rechtlich also wäre dies möglich gewesen. Intern erklärte der Marzahner Abgeordnete Gunnar Lindemann: "Wer jetzt keinen Mitgliederparteitag will, hat Angst, von den Mitgliedern nicht gewählt zu werden, für was auch immer."
Tatsächlich setzt die Entscheidung vom Freitag den Schlusspunkt einer seit Monaten tobenden Debatte innerhalb der Partei. Kurz vor den entscheidenden Sitzungen von Landesrat und Notvorstand am Freitag kursierten etliche Schreiben in internen Verteilern.
Einzelnen Mitgliedern des Notvorstandes wie dem Lichtenberger Bezirksvorsitzenden Karsten Woldeit wurde angedroht, sie würden „keinen Stich“ mehr bekommen, wenn sie für einen Delegiertenparteitag stimmen. Ebenfalls gefordert werden eine namentliche Abstimmung im Landesrat genauso wie im Notvorstand und die anschließende Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses, "damit die Mitglieder wissen, woran sie sind."
Spandauer Bezirkschef soll Halle in Brandenburg gesichert haben
Austragungsorte für die insgesamt fünf anstehenden Parteitage der Berliner AfD stehen dem Vernehmen nach zur Verfügung. Es gibt viel zu tun: Neben dem neuen Landesvorstand müssen auch die Landeslisten für die Wahlen zum Bundestag und Abgeordnetenhaus bestimmt sowie ein Wahlprogramm verabschiedet werden.
Tagesspiegel-Informationen zufolge hat Andreas Otti, Bezirkschef der AfD in Spandau und Mitglied des Notvorstandes, dem Landesverband vor wenigen Tagen eine bereits 2017 von der Partei genutzte Halle im brandenburgischen Paaren/Glien gesichert. Da die Vereinbarung eine Nutzung der Halle für maximal 300 Personen vorsieht, schien ein Mitgliederparteitag von vornherein unwahrscheinlich. Aktuell hat die Partei rund 1300 Mitglieder. Sie verlor in den vergangenen Monaten rund 200 Mitglieder.
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Eine weitere Location, nutzbar für bis zu 500 Teilnehmer und ausgestattet mit allen benötigten Vorkehrungen, liegt laut Darstellung von Befürwortern eines Mitgliederparteitages ebenfalls vor. Informationen darüber, wo genau sich diese Räumlichkeit befindet, werden auch intern unter Verschluss gehalten.
Zu groß scheint die Sorge vor Attacken auf den Vermieter, wie es sie zuletzt mehrfach gegeben hatte. Der aktuell für den Monat März angedachte Parteitag zur Vorstandswahl musste in der Vergangenheit gleich mehrfach verschoben werden. Aktuell kandidiert der vierte Notvorstand, dessen Zusammensetzung Anfang Januar ebenfalls für Streit in der Partei gesorgt hatte.
Hintergrund des Streits sind Flügelkämpfe in der Partei
Hinter den Auseinandersetzungen um die Organisation der Parteitage steht das Duell um Führung und Ausrichtung des Landesverbands. Der alten Führungsriege um den Ex-Landeschef und amtierenden AfD-Fraktionschef Georg Pazderski wird vorgeworfen, mit der Durchführung des Delegiertenparteitags den eigenen Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus sichern zu wollen. Diesem Lager wird auch Beatrix von Storch, Co-Bundessprecherin der Partei, zugeordnet. Ihr Wiedereinzug in den Bundestag wiederum dürfte so oder sicher sein, egal nach welchem Prinzip der für die Listenaufstellung maßgebliche Parteitag stattfinden wird.
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Auf der anderen Seite stehen Vertreter wie der Reinickendorfer Stadtrat Sebastian Maack, der aus der Abgeordnetenhausfraktion ausgeschlossene Andreas Wild und andere. Maack wie Wild hegen Sympathien für den radikalen Flügel der Partei und bezeichnen das Lager um Pazderski und von Storch als "Beutegemeinschaft". Weil zu deren Gegnern auch vergleichsweise liberale Vertreter der Partei zählen, lief die Darstellung eines Flügel-Putsches gegen die Parteiführung, wie ihn Pazderski und Co zu platzieren versuchen, zuletzt ins Leere. Nahrung wiederum erhalten sie dadurch, dass auch der Abgeordnete Thorsten Weiß, bis zu seiner offiziellen Selbstauflösung Obmann des Flügels in Berlin, aktiv für die Beibehaltung der Mitgliederprinzips stritt.
Unklar blieb auch nach der Entscheidung vom Freitag, wo genau der für das Wochenende 13./14. März terminierte Landesparteitag stattfinden wird und ob die Wahl tatsächlich auf die von Otti organisierte Halle in Paaren/Glien fällt. In der unmittelbar nach Ende der Vorsstandssitzung verschickten Einladung ist von einem Ort "in oder bei Berlin" die Rede. "Wegen der unverändert schwierigen Sicherheitslage wird der genaue Ort kurz vor dem Parteitag bekannt gegeben", hieß es weiter.