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Ungeschützt. Seit Juli dieses Jahres gilt ein neues Gesetz, welches das Prostitutionsgewerbe regulieren soll – eigentlich.
© Kai-Uwe Heinrich

Prostituiertenschutzgesetz: Berlin zwingt Prostituierte in die Illegalität

Die Verwaltung schafft es nicht, das Prostituiertenschutzgesetz pünktlich umzusetzen. Wer sich anmelden will, bekommt bescheinigt, dass er es versucht hat.

Fast anderthalb Jahre hatte Berlin Zeit, um das Prostituiertenschutzgesetz umzusetzen - und bekommt es nicht hin. Seit 1. Juli muss sich jede und jeder Prostituierte vor Aufnahme des Gewerbes anmelden und zuvor eine gesundheitliche Beratung wahrnehmen; wer schon länger in dem Job ist, hat noch bis Jahresende Zeit, seine Tätigkeit anzumelden.

Die Anmeldungen müssten also längst laufen und zu einem guten Teil erledigt sein; in Wahrheit haben sie noch gar nicht angefangen. Stattdessen bekommen anmeldewillige Prostituierte einen „Anmeldeversuch“ bescheinigt, Bordellbetreiber eine „Genehmigungsfiktion“. Beides ist aber im Gesetz nicht vorgesehen; rechtstreue Bordellbetreiber dürften Prostituierte mit diesem Zettel nicht beschäftigen. Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe sieht darin ein wieder mal berlintypisches Verwaltungsversagen. Er hat dazu zwei parlamentarische Anfragen gestellt. Aus den Antworten geht hervor, dass die Verwaltung sich der Aufgabe bisher nicht stellt und auch nicht vorhat, Verstöße zu verfolgen. „Der Zeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes wurde vom Bund sehr knapp gewählt“, heißt es darin, und: „Die gesundheitliche Beratung für Prostituierte wird angeboten werden, sobald die strukturellen Voraussetzungen geschaffen sind.“

Und Bordellbetreiber bekommen nur eine "Genehmigungsfiktion"

Bis dahin würde eine Bescheinigung über den Anmeldeversuch ausgestellt. Die Verwaltung würde dann auf den Antragsteller zurückkommen. Bordellbetreiber dürften nach der Rechtslage nur Prostituierte mit korrekter Anmeldung beschäftigen, nicht aber solche, die nur den im Gesetz nicht vorgesehenen Anmeldeversuch nachweisen können. Wer es dennoch tut, hat nichts zu befürchten, denn in der Antwort auf die jüngere der Anfragen heißt es: „Für Betreiberinnen und Betreiber dürfte aus der derzeitigen Übergangslösung folgen, dass sie von Berliner Prostituierten auch nur die Bescheinigung eines Anmeldeversuchs verlangen können.“ Kurz: Da wir das Gesetz nicht einhalten, müsst ihr es auch nicht. Gesundheitliche Beratungen, die für die Anmeldung nötig sind, finden auch nicht statt. Es muss ja erstmal Personal gefunden werden.

Für die geschätzt zwischen 6000 und 10 000 Prostituierten in Berlin ist das dennoch unbefriedigend, zumal sie mit dem Zettel nur in Berlin arbeiten können, nicht aber auswärts. Wann es gelingt, das Gesetz einzuhalten, weiß der Senat selbst nicht. „Das Gesetz wird umgesetzt“, sagt Christoph Lang, Sprecher der Gesundheitsverwaltung. „Den ordnungsrechtlichen Teil macht jeder Bezirk selbst, die Anmeldungen werden zentral von Tempelhof-Schöneberg erledigt.“ Das sei sachgerecht, weil die bezirklichen Ordnungsämter die jeweiligen Betriebe ja schon kennen. Es seien im Nachtragshaushalt 24 neue Stellen für die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes vorgesehen, je eine für jeden Bezirk und zwölf für Tempelhof-Schöneberg.

Hamburg hat die Gesundheitsberatung an freie Träger vergeben

Anfragesteller Luthe äußert sich kritisch. „Der Berliner Senat ist offenbar mit allen Aufgaben überfordert und schafft es im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern nicht, ein seit über einem Jahr bekanntes Gesetz auch umzusetzen“, so der FDP-Politiker. „Durch die Untätigkeit des Senats werden nicht nur tausende Berliner Prostituierte an der Ausübung ihres Berufs in anderen Bundesländern gehindert, sondern erhalten auch nicht einmal die Beratung, wegen der das Gesetz überhaupt eingeführt worden ist.“ Laut Simone Wiegratz, Leiterin der Prostituiertenberatungsstelle Hydra, steigen zum Jahresende viele aus der Prostritution aus - unter anderem, weil sie dem Datenschutz nicht trauen. Hydra traut auch dem Sinn der vorgeschriebenen Gesundheitsberatung nicht, jedenfalls soweit hierdurch der Schutz von Prostituierten erstrebt wird. „Dass ein Behördenmitarbeiter in einem halbstündigen Gespräch erkennen kann, welche der Personen in einer Zwangslage ist, bezweifele ich. Dafür braucht man eine Vertrauenssituation, die so schnell nicht herzustellen ist.“ Ein Rechtsanwalt eines Berliner Großbordells schildert, dass man ihm in einem von ihm befragten Bezirksamt gesagt habe, man warte auf eine Handlungsanweisung des Senats. Darüber schüttelt er den Kopf. „Jeder Bezirk hier ist eine eigene Großstadt, wozu braucht es eine Handlungsanweisung? Es gibt doch das Gesetz, da steht alles drin.“

Während der Bezirk Tempelhof-Schöneberg dann erstmal anfangen muss, die neuen Stellen zu besetzen, hat Hamburg das Problem anders gelöst: Die Gesundheitsberatung wurde an externe Träger ausgelagert.

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