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Raum für vieles. So lieben viele Berliner ihr Flugfeld - und wollen, dass es nicht bebaut wird.
© dpa

Bebauung von Tegel und Tempelhof: Berlin wird dichtgemacht

Diesmal droht Flughafen-Ärger nicht in Schönefeld, sondern in Tegel und in Tempelhof: Dort sollen neue Wohnungen entstehen. Nun will die SPD-Spitze die Pläne noch einmal überprüfen.

Mit markigen Vorschlägen zur Wohnungspolitik hat der Regierende Bürgermeister versucht, dem Ärger um den Flughafen zu entfliehen. Und dabei hat Klaus Wowereit (SPD) seinen Widerstand gegen den Reformeifer aufstrebender Parteigrößen aufgegeben und ist auf den Kurs der angeblich verjüngten SPD eingeschwenkt. Das in der vorigen Woche vorgestellte „Zukunftspapier“ hat er mit SPD-Fraktionschef Raed Saleh und Parteichef Jan Stöß verfasst. Im Mittelpunkt steht der Kampf um mehr Wohnraum in der wachsenden „Metropole von Welt“.

Saleh, Stöß und Wowereit schrecken vor Konfrontationen mit Bürgerinitiativen nicht zurück: Sie wollen Baulücken schließen, die Stadt verdichten und das weit über das bisher bekannte Maß hinaus. „Wir werden die großen Freiflächen Tegel und Tempelhof prüfen, ob in den bisherigen Planungen der Wohnungsbau hinreichend priorisiert wurde“, heißt es in dem „Zukunftspapier“. Mehr Beton könnte also die „Tempelhofer Freiheit“ einschränken, gegen deren Bebauung die Bürgerinitiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ schon heute mauert. Sie will jede Änderung am früheren Flugfeld verhindern. Sprecher Felix Herzog rechnet damit, dass die dazu nötige Zahl der Unterschriften in zwei Wochen beisammen ist; bisher hat die Initiative nach eigenen Angaben mehr als 20 000 Unterschriften gesammelt. Im Erfolgsfall starte das Volksbegehren und blockiere die Pläne.

An der anderen politischen Flanke lehren Wowereit, Stöß und Saleh Bauherren das Fürchten, indem sie eine „sozialgerechte Bodennutzung“ ankündigen. Demnach sollen „bis zu zwei Drittel der Wertsteigerung, die sich aus der Schaffung neuen Baurechts ergeben“, der Stadt zufallen – und nicht als Spekulationsgewinn den Bauträgern. Neu ist diese Strategie nicht, die schon bei der Entwicklung großer Wohnungsbaugebiete wie der Wasserstadt Spandau erprobt wurde, wo Kosten für den Bau von Straßen oder Versorgungsleitungen aufgeschlagen wurden auf den Preis des Baulands. Mangels Nachfrage scheiterten die Pläne. „Staatliche Nötigung“, nennt das der Entwickler des Townhousegebietes „Prenzlauer Gärten“ Willo Göpel, „Ablasszahlung“, die privates Bauen hemme, statt es zu fördern.

Damit große Vorhaben jedenfalls nicht am Streit um Kompetenzen zwischen Land und Bezirken scheitert, schlagen die drei Sozialdemokraten vor, dass der Senat „grundsätzlich Bebauungsplanverfahren mit mehr als 500 Wohneinheiten an sich zieht“. Die Übernahme der Planungshoheit trage „dem gesamtstädtischen Interesse an mehr Wohnungen Rechnung“. Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) kündigt Widerstand an gegen „diesen Versuch, nach Gutsherrenart in die Selbstverwaltung der Bezirke einzugreifen“.

Die Klagen von Investoren, wonach die Erteilung von Baugenehmigungen zu lange auf sich warten lasse, erhört das SPD-Trio auch: „Zielvereinbarungen“ zwischen Senat und Bezirken sollen hier helfen, wobei die Genossen den Bezirken sogar die „notwendigen Ressourcen als Anreize“ in Aussicht stellen, wenn sie die Genehmigungszeiten verkürzen.

Unter massiven Druck setzen die drei Politiker die landeseigenen Wohnungsunternehmen: Diese sollen durch Neubau und Ankauf ihren Bestand bis zum Jahr 2020 von zurzeit knapp 300 000 auf „mindestens 340 000“ Wohnungen erweitern. Andernfalls drohen sie mit „Restrukturierung“. Die Zusammenlegung von Unternehmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit wäre eine Möglichkeit.

Die Ansagen kommen beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) gut an. „Das Papier setzt viele richtige Schwerpunkte“, sagte deren Vorstandsmitglied Maren Kern. Sie hob die Verdichtung der Stadt, eine stärkere Wohnungsbebauung von Tempelhof und Tegel hervor sowie die Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren, deren Prüfung zurzeit in einigen Bezirken bis zu einem Jahr beanspruche.

Der Berlin-Chef des Immobilienverbandes Deutschland Dirk Wohltorf lobt die vom SPD-Trio geforderte „behutsame, aber wirkungsvolle Verdichtung von Wohnlagen“. Dazu regt er an, etwa in der City-West die Traufhöhe aufzugeben und bei Hochbauten „ein bis zwei Geschosse mehr“ zu genehmigen. Außerdem müsse „eine heilige Kuh geschlachtet“ werden. Innerstädtische Kleingartenanlagen sollten zu Bauland umgewandelt werden. Bausenator Michael Müller (SPD) hatte die Bereitschaft erkennen lassen, darüber zu diskutieren. Im Zukunftspapier ist darüber nichts zu lesen.

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