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Update

Senat richtet Chaos bei Testpflicht an: Berlin veröffentlicht zwei verschiedene Corona-Verordnungen

Dürfen Firmen und Händler Selbsttests beaufsichtigen und bescheinigen? Die Regeln sind kompliziert genug. Ein Panne beim Senat stiftete noch mehr Verwirrung.

Der Berliner Senat hat zwei verschiedene Fassungen der aktuellen Corona-Verordnung veröffentlicht. Damit richtete er ein Chaos bei den Vorschriften zur Testpflicht in Unternehmen und beim Shoppen an. Denn am Mittwochmorgen war zunächst unklar, wie Selbsttests vor Ort zum Einsatz kommen sollen, die "unter Aufsicht" durchgeführt werden.

Konkret geht es um die Frage, wer Bescheinigungen über das Ergebnis ausstellen darf. Diese spielen eine zentrale Rolle beim System der Testpflicht: Wer einmal eine Bescheinigung über einen negativen Test bekommen hat (etwa vom Arbeitgeber oder an einem Laden), darf damit am selben Tag einkaufen oder Museen besuchen. Es gibt deshalb einen Anspruch auf eine Bescheinigung nach einem Selbsttest unter Aufsicht.

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Rechtlich bindend ist die Passage, die am Dienstag im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde. Dort sind immer nur die Änderungen zur bisher gültigen Verordnung zu finden. Unter Paragraf 6b geht es um die Frage, wie ein negatives Testergebnis nachgewiesen werden kann - etwa beim Einlass zum Laden.

Zur Bescheinigung über einen Selbsttest und Aufsicht heißt es darin, diese dürfe nur "von einer durch die jeweiligen Verantwortlichen hierzu beauftragten und hierfür geschulten Person ausgestellt werden". Auch da blieb offen, welche Art von Schulung gemeint ist. Auf den einschlägigen Seiten der Senatskanzlei sowie der Wirtschafts- und Gesundheitsverwaltung im Internet fanden sich dazu keine Angaben.

Grundsätzlich sollen Selbsttests an der Ladentür möglich sein. In der Verordnung ist explizit von einer "erweiterten Einlasskontrolle" die Rede. Auf Tagesspiegel-Anfrage hatte die Wirtschaftsverwaltung zudem am Montagabend bestätigt, dass Ladenpersonal Selbsttests am Eingang kontrollieren soll.

Von "erweiterter Einlasskontrolle" war Mittwochmorgen nicht mehr die Rede

Über Nacht veränderte der Senat den Text der Verordnung jedoch noch einmal. Denn in dem Volltext der Verordnung auf der Website des Senats waren am Mittwochmorgen nicht die Änderungen zu lesen, die im Gesetz- und Verordnungsblatt amtlich verkündet worden waren. 

Von "erweiterter Einlasskontrolle" war zum Beispiel nicht mehr die Rede. Und zur Bescheinigung über das Testergebnis hieß es nun, diese dürfe "nur von einer durch die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung hierfür beauftragten Stelle ausgestellt werden". Ein Motiv könnte sein, die Gefahr gefälschter negativer Testbescheinigungen zu verringern.

Eine Frau mit Maske vor einem Schaufenster am Kurfürstendamm.
Eine Frau mit Maske vor einem Schaufenster am Kurfürstendamm.
© Tobias Schwarz/AFP

Die Formulierung wurde also verschärft. Die Folge wäre, dass Unternehmen ihren Beschäftigten ohne Genehmigung durch den Senat keine Selbsttests unter Aufsicht anbieten könnten. Wer den Aufwand scheut, müsste demnach einen externen Dienstleister beauftragen, der für Corona-Tests bereits vom Senat zertifiziert ist. Für kleine Firmen könnte das schwierig werden. 

Ähnlich müssten Einzelhändler:innen vorgehen, wenn sie Selbsttestungen von Kunden am Eingang beaufsichtigen und bescheinigen wollen. Die von der Senatswirtschaftsverwaltung in Aussicht gestellte Kontrolle durch das Ladenpersonal wäre also nicht ohne größeren Aufwand zu organisieren.

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Das alles steht im Konjunktiv, weil es nicht rechtlich gültig ist - obwohl es vom Senat so veröffentlicht wurde. Maßgeblich sind die Formulierungen aus dem Gesetz- und Verordnungsblatt. An welche ihrer beiden Veröffentlichungen sich die Verwaltung letztlich hält, konnten betroffene Unternehmen und Händler:innen am Morgen nur mutmaßen.

Senatskanzlei: Verordnung im Internet ist nun korrekt

Bis zum Mittag passte der Senat die Formulierungen zur Testpflicht auf der Website schließlich dem korrekten Text aus dem Gesetz- und Verordnungsblatt an. Die falsche Version sei seit Mitternacht online gewesen, teilte ein Sprecher der Senatskanzlei dem Tagesspiegel mit. Der Krisenstab habe sie versehentlich übermittelt, auch einige Punkte bei der Maskenpflicht und den Ordnungswidrigkeiten hätten nicht gestimmt. Der auf der Senatswebsite veröffentliche Volltext der Verordnung sei inzwischen "technisch und manuell" mit dem Gesetz- und Verordnungsblatt abgeglichen worden.

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Geschulte Person oder beauftragte Stelle: Zur Testpflicht gibt es zwei Regelungen - links das maßgebliche Verordnungsblatt, recht die Website des Senats.
Geschulte Person oder beauftragte Stelle: Zur Testpflicht gibt es zwei Regelungen - links das maßgebliche Verordnungsblatt, recht die Website des Senats.
© s: Tsp

Der Sprecher bat für den Fehler um Entschuldigung. Seit Pandemiebeginn seien allein 41 Versionen der Corona-Verordnung veröffentlicht worden, die anderen Verordnungen in diesem Zusammenhang nicht mitgezählt. "Dies ist das erste Mal, dass die Fassungen inhaltlich voneinander abgewichen sind."

Fälschungen, Schulungen - viele offene Fragen

Der Text ist für die aktuellen Corona-Regeln in Berlin nun geklärt, viele Fragen zu ihrer Anwendung sind es nicht. Wie will der Senat verhindern, dass negative Bescheinigungen massenhaft gefälscht werden? Woran erkennen Geschäftsleute beim Einlass eine echte Bescheinigung, ob schriftlich oder elektronisch? Wie können Betriebe überhaupt eine "Teststelle vor Ort" einrichten - nur mit externem Dienstleister? Und welche Art von Schulung benötigt Firmen- oder Ladenpersonal, damit es einen Nachweis über das Ergebnis von Selbsttests ausstellen darf?

Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte lieber darauf verzichten, Selbsttests unter Aufsicht anzubieten. Die Senatsgesundheitsverwaltung verbreitete am Dienstag über Twitter ihre Mustervorlage für die Bescheinigung, die sie Arbeitgeber:innen zum Herunterladen anbot. In einer Fußnote drohte sie mit rechtlichen Konsequenzen im Fall einer Urkundenfälschung: "Jeder festgestellte Versuch wird zur Anzeige gebracht." Sie selbst ging zu diesem Zeitpunkt offenbar schon davon aus, dass nur zertifizierte Stellen die Tests vornehmen werden. Notiert werden soll das "Testzentrum".

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