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Verhandlungen ums Schloss. Berlin und der Bund klären derzeit die Frage, wie der Betrieb des Humboldt-Forums langfristig gesichert werden kann.
© dpa

Von Polizei bis Kultur: Berlin und Bund pokern um Hauptstadtkosten

Es geht um dreistellige Millionenbeträge pro Jahr: Die Chancen für Einigung von Bund und Berlin über den Hauptstadtkosten-Vertrag vor der Berlin-Wahl seien fifty-fifty.

Eigentlich sollte der neue Vertrag zur Hauptstadtfinanzierung im Frühjahr 2016 fertig sein. Aber jetzt steht es spitz auf Knopf, ob die Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Berlin noch vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September abgeschlossen werden können. Die Chancen seien fifty-fifty, hört man aus Senatskreisen. Es geht um Zuwendungen des Bundes in jährlich dreistelliger Millionenhöhe.

Finanziert werden die „Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt“, die Aufgabe des Bundes ist. Das meiste Geld fließt in Kultureinrichtungen, den Städtebau und Verkehrsprojekte. Die zweite Säule der Hauptstadtfinanzierung ist der Ausgleich der Kosten für „hauptstadtbedingte Sicherheitsmaßnahmen“. Der geltende Vertrag läuft Ende 2017 aus, er bringt Berlin jedes Jahr etwa 450 Millionen Euro aus Bundesmitteln ein.

Die neue Vereinbarung soll für die Hauptstadt noch lohnender sein. Und es sieht so aus, als wenn diese Rechnung des Senats aufgehen könnte. In jedem Fall gilt das für die pauschale Abgeltung der Sicherheitsaufgaben, vom Schutz der Botschaften über die polizeiliche Begleitung von Demonstrationen bis zum Feuerwehreinsatz im Regierungsviertel. Der Bund überweist dafür jedes Jahr 60 Millionen Euro. Die tatsächlichen Kosten liegen nach Berechnungen der Senatsinnenverwaltung bei mehr als 140 Millionen Euro. Man wird sich im neuen Vertrag voraussichtlich in der Mitte treffen.

Großer Konfliktstoff

Auch der langjährige Streit um die Immobilien des Bundes in Berlin soll mit der neuen Vereinbarung beigelegt werden. Das liege, so heißt es, im Interesse beider Seiten. Jüngstes Beispiel ist das politische Tauziehen um die Zukunft des Kreuzberger Dragoner-Areals. Mehr als 800 Liegenschaften in der Hauptstadt gehören dem Staat, den Senat interessieren vor allem die 4500 Wohnungen im Bundeseigentum, aber die Kaufverhandlungen blieben bisher ergebnislos. Jetzt scheint man sich einigen zu können.

Der größte Konfliktstoff zwischen dem Bund und seiner Hauptstadt liegt aber im Kulturbereich. Das scheint die Verhandlungen, die im Juni vor dem Abschluss standen, noch einmal verzögert zu haben. Dem Vernehmen nach schaltete sich Monika Grütters (CDU), die Kulturbeauftragte des Bundes, mit neuen Vorschlägen in die Gespräche ein, die seit November 2015 vom Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD) und dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Werner Gatzer (SPD) geführt werden. Die Verhandlungen stockten und es bedurfte eines Chefgesprächs zwischen dem Regierenden Bürgermeister Müller und Bundesfinanzminister Schäuble, um sie wieder flott zu machen.

Ein verwandtes Thema sind die Gedenkstätten

Müller hatte schon zum Auftakt der Gespräche, im Herbst 2015 gesagt: „Ziel des Landes Berlin ist es, den Bund an den Aufwänden im Kulturbereich stärker zu beteiligen.“ Dabei spiele die Finanzierung von Einrichtungen ebenso eine Rolle wie die Stärkung der freien Kulturszene. Höhere Zuschüsse für die Opernstiftung gehören ebenso zum Forderungskatalog Berlins wie die Aufstockung der Mittel für Kulturprojekte, die bisher mit jährlich 9,9 Millionen Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds gefördert werden.

Neu im Verhandlungspaket sind die Kosten für den langfristigen Betrieb des Humboldt-Forums, also des Stadtschlosses, das 2019 eröffnet wird. Ein offenbar noch ungeklärtes Problem. Strittig ist dem Vernehmen nach auch, in welchem Umfang der Bund – institutionell und personell – auf jene Kultureinrichtungen Einfluss nehmen darf, die er hauptstadtbedingt finanziert. Dazu gehören beispielsweise die Akademie der Künste, die Berliner Festspiele mit dem Gropius-Bau, das Haus der Kulturen der Welt, das Jüdische Museum, die Stiftung Deutsche Kinemathek, etwa hälftig die Sanierung der Staatsoper - und gemeinsam mit allen Bundesländern die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit den Staatlichen Museen.  Hinzu kommen, neben dem Humboldt-Forum, das geplante Museum der Moderne, vielleicht auch das Archiv der Robert-Havemann-Stiftung.

Ein verwandtes Thema sind die Gedenkstätten, soweit sie zum Gesamtstaat einen historischen Bezug haben. So finanziert der Bund die Pflege der sowjetischen Ehrenmale und Soldatenfriedhöfe nur teilweise mit. Auch die Topographie des Terrors oder die Stiftung Berliner Mauer werden vom Bund nur hälftig finanziert. Hier forderte der Regierende Bürgermeister schon im April „eine klare Entscheidung, wer für welche Gedenkstätten zuständig ist“. Der Senat hätte es auch gern, dass sich der Bund an „stadtpflegerischen Maßnahmen“ für die repräsentative Straße des 17. Juni und den Boulevard Unter den Linden beteiligt.

Beide wollen glänzen

Unstrittig ist, dass der Ausbau der U-Bahnlinie 5 so finanziert und bis 2020 zu Ende geführt wird, wie mit dem Bund vertraglich vereinbart. Das gilt grundsätzlich auch für die S-Bahnlinie 21 zur Anbindung des Potsdamer Platzes via Hauptbahnhof an den Nordring der Berliner S-Bahn. Der Bund finanziert das schwierige Langfrist-Projekt zu 60 Prozent. Es geht um dreistellige Millionensummen. Als Dauerbrenner erweist sich auch die 1993 begonnene städtebauliche Entwicklungsmaßnahme „Parlaments- und Regierungsviertel“, deren Kosten von 580 Millionen Euro der Bund zu 64 Prozent trägt. Das Projekt wurde mehrfach verlängert und soll 2019 beendet sein.

Man wolle versuchen, verlautete aus Senatskreisen, die Verhandlungen über den neuen, bis 2027 geltenden Hauptstadtfinanzierungsvertrag in den nächsten zwei bis drei Wochen abzuschließen. Aber die Vereinbarung müsse sich für Berlin auch lohnen. Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Das Bundesfinanzministerium hielt sich bedeckt und sprach lediglich von einem „für beide Seiten zufriedenstellenden Folgevertrag“ als Verhandlungsziel.

An einem Vertragsabschluss kurz vor der Berliner Wahl sind der Bund und Berlin, wo jeweils Sozial- und Christdemokraten miteinander regieren, wohl nur dann interessiert, wenn dies als Erfolg beider wahlkämpfender Seiten dargestellt werden kann. Schließlich ist Müller auch Kultursenator und CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel für die innere Sicherheit zuständig. Beide wollen mit der neuen Hauptstadtfinanzierung glänzen.

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