Pläne der Koalition zur öffentlichen Sicherheit: Berlin soll mehr Videoüberwachung und mehr Blitzer bekommen
Kameras an Orten mit viel Kriminalität, neue Blitzer, ein Untersuchungsausschuss zu rechtem Terror: Darauf haben sich SPD, Grüne und Linke verständigt.
In Berlin sollen kriminalitätsbelastete Orte künftig mit Videokameras überwacht werden und bis zu 60 neue Blitzer aufgestellt werden. Darauf und auf weitere Punkte verständigten sich SPD, Grüne und Linke bei ihren Koalitionsverhandlungen, bei es um die Themen innere und öffentliche Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz und Verbraucherschutz ging.
SPD-Parteichefin Franziska Giffey sagte am Donnerstagmorgen bei einer Pressekonferenz, innere und soziale Sicherheit sollen „zusammen gedacht werden. Wer in Berlin lebt, muss sich sicher fühlen.“ Dazu gehöre auch die Sicherheit vor sozialer Armut. Die designierte Koalition will Polizei, Ordnungsämter und Strafverfolgungsbehörden stärken.
Personell aufgestockt werden sollen die Ausbildungskapazitäten auch zum Beispiel bei den Rettungsdiensten der Feuerwehr. Über konkrete Zahlen will sich die Koalition bei den Verhandlungen am heutigen Donnerstag zu Haushalt und Finanzen verständigen.
Das Leitbild der kooperativen Leitstelle zwischen Feuerwehr und Polizei will die Koalition voranbringen. SPD, Grüne und Linke verständigten sich darauf, dass Kontaktbereichsbeamte wieder „ins Stadtgebiet“ gebracht und die Fahrradstreifen „deutlich ausgebaut“ werden. Ein Bürger- und Polizeibeauftragter wird eingesetzt. Zudem soll ein Landesopferschutzgesetz installiert werden.
Auch wenn Berlin beim Schutz der Frauen vor Gewalt im bundesweiten Durchschnitt Spitzenreiter sei, will die Koalition ein weiteres Frauenhaus öffnen. Das wäre dann das zehnte Frauenhaus in Berlin. Die Koalition will eine Landesbeauftragte für sexualisierte Gewalt einsetzen.
Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten
Es gab Verständigung über die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Giffey sagte, dass die Fokussierung auf Unterbindung der Geldwäsche und auf Vermögensabschöpfung gehen.
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Die Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten soll gezielt eingesetzt werden. Dafür sollen im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Die konkrete Festlegung, wo Videoüberwachung eingesetzt wird, obliege der Polizei, sagte Giffey. Der Leitspruch heiße „anlassbezogen und temporär“ an wenigen Orten, „aber gezielt dort, wo wir Schwierigkeiten haben“.
Jede ortsbezogene Überwachung solle nach einem halben Jahr evaluiert wird. Circa eine Million Euro koste eine einzige ortsbezogene Überwachung, ergänzte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch.
Sie betonte, dass der Kurs in der Innenpolitik „verstetigt“ werde. „Es geht um einen funktionierenden Rechtsstaat. Alle Menschen sollen das Gefühl haben, dass die Polizei sie schützt.“ Dieses Leitbild solle fortgesetzt werden. Die Polizei müsse mit Justiz und Staatsanwaltschaft eng zusammenarbeiten. In Bezug auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sagte Jarasch, dass 77 Immobilien in der vergangenen Legislaturperiode beschlagnahmt worden seien. „Diesen Kurs werden wir fortsetzen.“
Bekämpfung von Fahrraddiebstählen, Verbot von Racial Profiling
Neue Schwerpunkte will die Koalition bei der Verbrechensbekämpfung setzen. Einer davon werde die Aufklärung von Fahrraddiebstählen sein. Dahinter würden häufig organisierte Banden stecken. Hinter Fahrraddiebstählen würden häufig organisierte Banden stecken. „Es gibt Lager von gestohlenen Fahrrädern.“
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Die Koalition will das Verbot des Racial Profiling erweitern und das Bremer Modell einführen. Jeder solle künftig nach einer Kontrolle auf Verlangen eine Quittung erhalten, um so Kontrollen nachzuweisen, sagte Jarasch. Damit würden die Kontrollen auch transparenter. In Bremen werde die Aushändigung solcher Nachweise in einem Prozent der Fälle verlangt. Das Handeln der Polizei solle aber nicht erschwert werden, betonte Giffey.
Mehr Blitzer in der Stadt
Die Polizei soll ihre Kontrollen im Straßenverkehr erhöhen. „Wir wollen so viele Blitzer wie möglich im Stadtverkehr installieren“, sagte Jarasch. Das sollen bis zu 60 Blitzer mehr in dieser Legislaturperiode sein.
Giffey sagte, in der vergangenen Legislatur seien 20 neue Blitzer aufgestellt worden. „Das stärkt den Rechtsstaat“, sagte Jarasch. Verkehrssicherheit werde großgeschrieben. „Gegen Raser werden wir entschieden vorgehen.“
Fahranfänger sollen künftig in Berlin keine schnellen Sportwagen und hochmotorisierte Fahrzeuge mehr ausleihen dürfen. Die Koalition wird dazu entsprechende Rechtsgrundlagen auf den Weg bringen.
Wer fünf Jahre in Berlin lebt, soll schnell eingebürgert werden
Eine zentrale Einbürgerungsbehörde soll gegründet werden. Wer mindestens fünf Jahre hier lebt, soll schnell eingebürgert werden. Eine entsprechende Initiative auf Bundesebene will Berlin starten.
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Im Verwaltungsbereich soll das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz (AZG) zusammengeführt werden mit bestimmten Aufgabenbereichen für Bezirks- und Fachverwaltungen. Innerhalb eines Jahres soll das neue Zuständigkeitsgesetz installiert werden, in dem das alte AZG aufgehen soll. Im AZG soll festgelegt werden, dass die Verkehrsverwaltung künftig für alle Hauptstraßen verantwortlich ist und dementsprechend auch für neue Busspuren, Radwege und für die Sicherheit an Kreuzungen. Dafür wird also künftig das Land zuständig sein. „Das wird eine massive Beschleunigung der Verkehrswende bedeuten“, sagte Jarasch.
Untersuchungsausschuss zum rechten Terror in Neukölln
Linken-Parteichefin Katina Schubert ergänzte im innenpolitischen Bereich, dass der Untersuchungsausschuss zum rechten Terror in Neukölln zeitnah eingesetzt werde. „Wir wollen eine sichere Stadt und die Stadt der Freiheit.“ Berliner müssten sich sicher von A nach B bewegen können.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln, ihre Hintergründe und mögliche Fehler bei den Ermittlungen aufarbeiten. Ein solcher Ausschuss sei ein wichtiger Beitrag, um Vertrauen in die Sicherheitsbehörden auch gerade in Teilen der migrantischen Bevölkerung wieder herzustellen, sagte die Schubert am Donnerstag. Er solle daher sehr schnell im Parlament eingesetzt werden und seine Arbeit beginnen.
Das Landeskriminalamt (LKA) rechnet der Anschlagsserie mehr als 70 Taten zwischen Juni 2016 und März 2019 zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Opfer waren Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten. Gegen zwei Hauptverdächtige wurde vor geraumer Zeit Anklage wegen schwerer Brandstiftung, Sachbeschädigungen und Bedrohungen erhoben - nach langwierigen und zunächst über Jahre wenig erfolgreichen Ermittlungen.
Zwei vom Senat eingesetzte Sonderermittler hatten im Mai festgestellt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen Fehler gemacht hätten. Auch die Kommunikation mit den Opfern der Anschläge sei nicht optimal gewesen. Allerdings seien Taten wie Brandanschläge auf Autos sehr schwierig aufzuklären, weil es oft weder Zeugen noch Spuren gebe.
Zweite Verbraucherschutzzentrale im Osten der Stadt
Um den Verbraucherschutz zu stärken, soll auch im Ostteil der Stadt eine zweite Verbraucherschutzzentrale aufgebaut werden, an die sich Berliner:innen wenden können.
Die Koalition hat auch das Ziel, die Bürgerämter so aufzustellen, dass es innerhalb von 14 Tagen wieder zu Terminvergaben kommt. Die Verwaltungen sollen dazu Personalstellen erhalten, die auch zielgerichtet besetzt werden müssen.
Weitere Gespräche zu Finanzierung, Ressortzuschnitten und Dissensen
Auch die Digitalisierung soll deutlich ausgebaut werden. Konkrete Maßnahmen stellten Giffey, Jarasch und Schubert nicht vor, sondern verwiesen an die Fachpolitikern:innen. Außerdem will die Koalition die schrittweise Kommunalisierung der Schulreinigung ab 2023 einführen. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit der Tagesreinigung, die verstetigt wird“, sagte Schubert.
Über alle Zielzahlen, Großprojekte und Finanzierungen will die Koalition diesen Donnerstag sprechen. Am Freitag soll es um die Ressortzuschnitte gehen und die Dissense besprochen werden. Eine genaue Zahl nannte Giffey nicht. Aber es dürfte sich um rund 80 bis 100 Dissenspunkte handeln. Voraussichtlich am Sonnabend, spätestens am Montag, wollen SPD, Grüne und Linke den Koalitionsvertrag vorstellen. (mit dpa)