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Glück im Grünen. Hier im Kleingarten am Heckerdamm in Charlottenburg.
© Kitty Kleist-Heinrich

Debatte um Kleingärten und Wohnungsbau: Berlin muss grün bleiben!

Kleingärtner sind spießig und gestrig. Nun sollen sie weg. Aber Moment mal: Die Gartenvereine sind soziale Kieztreffs. Und Symbol fürs Innehalten in der wachsenden Stadt. Ein Plädoyer.

Wenn es zum Konflikt kommt, werden Feindbilder aufgebaut. Und einer der größten Konflikte dieser Stadt ist nun einmal der um Wohnraum. Schon jetzt ist er so verdammt knapp und oft ekelhaft teuer, aber wie soll es erst werden, wenn noch einmal eine halbe Million Menschen nach Berlin ziehen? Die brauchen Platz, und den sollen sie auch bekommen, weil Berlin doch die Stadt der Zukunft ist und alle Neuankömmlinge Berlin das schönste Gastgeschenk mitbringen: Hoffnung auf noch mehr Zukunft. Es könnte ja einer dabei sein, der das deutsche Google startupt oder sonst was.

Blöd nur, dass schon so viele hier sind und Platz beanspruchen, vor allem so viele gefühlt Gestrige. Wie die Laubenpieper. Sie stehen in diesem Konflikt für das Alte, Piefige, Spießige. Für das, wofür angeblich niemand nach Berlin kommt, weil er davon in seiner Provinz schon mehr als genug hatte. Berlin will modernste Metropole sein, wozu braucht es da Kleingärten? In ihrem selbstgenügsamen und selbstbezogenen Lebensentwurf halten Laubenpieper die Entwicklung der Stadt auf. Verharren auf ihrer Scholle. Brutzeln Würste aus Massentierhaltung. Was soll diese saisonale Blockade von kostbarem Baugrund?

Vergangenheit raus vor die Tore der Stadt, Zukunft rein

Doch einen Moment, bitte. Und ein paar Fragen noch. Könnte die Stadt bei aller Planung und Zukunft und Vorausschau vielleicht übersehen, dass es auch ums Hier und Jetzt geht und Kleingärten genau dafür ein Symbol sind? Fürs Innehalten. Fürs Durchatmen. Ja, für das kleine Glück, das bei dauerhafter Pflege auch eine ganz schöne Tiefe erreichen kann.

Es wäre fatal, wenn zwei Gruppen gegeneinander ausgespielt würden

Die Stadt wird enger, einigen ist sie schon zu eng geworden. Es wäre fatal, wenn jetzt zwei Gruppen gegeneinander ausgespielt würden: Menschen, die eine bezahlbare, ausreichend große Wohnung suchen – und Kleingärtner. Zum einen gibt es da Überschneidungen, der Garten ist für viele die Erweiterung ihrer zu kleinen Wohnung nach draußen. Ein Stück Grün. Ein Stück vom Himmel. Die derzeitige Situation zwingt Menschen ohnehin, zu Hause mit weniger Platz auszukommen.

Piefig, spießig, Gartenzwerg? Der kann aber auch höchst sympathisch sein.
Piefig, spießig, Gartenzwerg? Der kann aber auch höchst sympathisch sein.
© picture alliance / dpa

Es gibt zu viele, als dass man von dem Kleingärtner reden kann. Manche haben sich auf ihre üppige Parzelle eine äußerst komfortable Immobilie gesetzt und reizen dadurch den Sozialneid derer, die keine günstige Wohnung finden. Aber es gibt unter den Kleingärtnern eben auch Menschen, die aus ihren Kiezen rausgedrängt wurden, ihre Lauben jedoch behalten haben und dort nicht nur die Pflanzen pflegen, sondern vor allem die gewachsenen sozialen Kontakte.

Man begegnet in Kolonien Gärten mit zu hoher Hecke, Laubenpiepern, die sich abschotten. Aber genauso gibt es Kolonien, die zu sozialen Oasen geworden sind. In denen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen, miteinander reden und feiern und sich jenseits des Asphalts erden können.

Beton kann jeder!

Gerade die Kleingärten bringen Berlin dazu, sich zu überlegen, wie es sein will und was es zum Leben anbieten möchte. Beton kann jeder. Verbaute Städte sind auf der ganzen Welt zu besichtigen mit Straßenschluchten, die das Licht verschlucken und dafür zwanghaft schlechte Luft sammeln.

Es klingt so einfach, aber würde auf zubetonierten Kolonien tatsächlich vor allem bezahlbarer Wohnraum entstehen? Sind die drei Prozent Fläche, die von den Kolonien derzeit in Berlin eingenommen werden, nicht wenigstens größtenteils woanders zu holen? Und hat nicht alle Verdichtung irgendwann sowieso ein Ende? Verdichtet, verdichteter, dicht?

Obst aus der Laube. In der Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf mussten allerdings nach langem Kampf 150 Parzellen einem Wohnungsbauprojekt weichen. Auf einem Teil des Geländes errichtet die Groth-Gruppe nun 973 Wohnungen.
Obst aus der Laube. In der Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf mussten allerdings nach langem Kampf 150 Parzellen einem Wohnungsbauprojekt weichen. Auf einem Teil des Geländes errichtet die Groth-Gruppe nun 973 Wohnungen.
© Thilo Rückeis

Zum Ausweichquartier Brandenburg: Kommen da wirklich alle so leicht hin, die jetzt ihren Garten in der Nähe haben? Eigentlich sollte doch Verkehr vermieden werden, wir haben schon genug davon. Also künftig auch noch einen Pendlerstrom nach Brandenburg, der am Wochenende nachschaut, ob der Rasen nicht vertrocknet ist, der unter der Woche wegen der Entfernung nicht gegossen werden konnte? Und als ob es so leicht wäre, in Brandenburg einfach mal die Berliner Kleingartensiedlungen nachzubauen und dafür im Umland günstig Flächen zu bekommen.

Kleingärten gehören zur einzigartigen Mischung, die sich Berlin nennt

Kleingärten sind ein grünes, großartiges und verglichen mit anderen Metropolen kurioses Stück Leben. Sie tragen bei zur einzigartigen Mischung, die sich Berlin nennt. Sie machen das Klima besser, gerade auch das soziale, weil sie Begegnungen und Bewegung möglich machen, dazu beitragen, dass den Menschen nicht so schnell die Decke auf den Kopf fällt.

Was das Leben ausmacht, kann jeder für sich selbst entscheiden. Für die Kleingärten haben sich tausende Menschen in dieser Stadt entschieden. Das drückt sich tagtäglich in der Pflege der Gärten aus. Und in den Wartelisten, die länger geworden sind.

Ab in den Garten ...
Ab in den Garten ...
© picture alliance / Waltraud Grub

Es mussten schon Kolonien weichen und es werden weitere weichen müssen, es handelt sich schließlich um Bauerwartungsland und der Druck ist groß, weil sich so viel verändert – auch die Kolonien selbst, sie ziehen längst ganz verschiedene Milieus und Schichten an, verteilt über alle Generationen. Und sie öffnen sich mehr, es entstehen Kleingartenparks mit Gemeinschaftsflächen zum Stadtgärtnern. Zum Erholen. Für Naturerlebnisse mit Kitas und Schulen.

Den Veränderungsdruck sollten die Kleingartenvereine nicht einfach aushalten, sondern als willkommen aufnehmen. Denn viele von ihnen sind groß genug, um selbst zur Mischung werden zu können aus privaten Kleingärten und grüner Kiezfläche, in denen vitale Nachbarschaft stattfinden kann. Das wäre doch eine schöne, natürliche Lebensversicherung.

Berliner Tradition. Hier in Pankow.
Berliner Tradition. Hier in Pankow.
© Kitty Kleist-Heinrich

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