Recht auf Informationsfreiheit in Berlin: Berlin muss bei Information über Schwangerschaftsabbruch vorangehen
Der Paragraf 219a StGB verbietet es Ärzten, öffentlich über Abtreibung zu informieren. Bis sich das ändert, will der Senat Abhilfe schaffen. Ein Gastbeitrag.
Im digitalen Zeitalter suchen wir ständig online nach Informationen, um bestmögliche Entscheidungen und Abwägungen zu treffen. Wir googeln den Schnupfen oder den Hexenschuss und befragen „Doktor Internet“. So können wir informiert über unsere Krankheitsgeschichte sprechen und wissen manchmal schon selbst, dass es nur ein Fehlalarm ist und ob ein Tag Bettruhe hilft. Und wir finden online die Informationen, welche Praxis uns in welchen Fällen weiter helfen kann.
Beim Thema Schwangerschaftsabbruch gibt es die Möglichkeit nicht, sich online über Ärztinnen und Ärzte umfassend und frühzeitig zu informieren. Das verbietet Paragraf 219a des Strafgesetzbuches. Denn dies sei illegale Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch. Das ist absurd. Informationsvermittlung über ein so wichtiges Thema wie den Schwangerschaftsabbruch darf nicht mit Strafen belegt werden. 219a muss abgeschafft werden. Bis das passiert ist, muss das Land Berlin in Vorleistung gehen und selbst informieren.
Beim Bauch der Frau hört die Gleichberechtigung auf
Wissen sollte Basis für Entscheidungen sein. Es geht um das Recht auf Information, auf Selbstbestimmung und nicht zuletzt auch um die Gesundheit von Frauen. Denn je früher ein Termin für einen Schwangerschaftsabbruch stattfinden kann, desto minimaler ist der Eingriff. Wir wollen, dass Frauen gut informiert in eine Beratung gehen können, um die bestmögliche Entscheidung für sich zu treffen. Die kann für oder gegen einen Abbruch ausfallen.
Jedes Jahr am 8. März feiern wir den Frauentag, in diesem Jahr noch dazu 100 Jahre Frauenwahlrecht. Diese Feierlichkeiten täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch längst nicht vollumfänglich vorhanden ist. Beim Bauch der Frau hört die Gleichberechtigung auf.
Die Gesetzeslage durch den Paragrafen 218 ist immer noch so, dass ein Schwangerschaftsabbruch für Frauen rechtswidrig ist, auch wenn er innerhalb der ersten drei Monate nicht strafverfolgt wird. Auch die neutralen Informationen auf ärztlichen Seiten dürfen nicht öffentlich gemacht werden – sei es um sich schlau zu machen, welche Methoden die Praxis anbietet, oder um vorsorglich einen Termin zu machen. Mutige Ärztinnen wie Dr. Kristina Hänel, die dennoch informiert haben, wurden und werden immer wieder von selbsternannten „Lebensschützern“ angezeigt und zu tausenden Euro Strafe verurteilt.
Berlin kämpft für Frauenrechte
Nun ist die Frage, ob ein Arzt über Schwangerschaftsabbrüche informieren darf, Bundesrecht. Als rot-rot-grüne Landesregierung haben wir deshalb eine Bundesratsinitiative eingebracht, um den entsprechenden Paragrafen zu kippen. Bis auf den Rechtsausschuss des Bundesrats, in dem überwiegend CDU-geführte Ministerien vertreten sind, wird Zustimmung signalisiert.
Ähnlich sieht es im Bundestag aus: CDU/CSU und AfD sind weiterhin strikt für das öffentliche Informationsverbot von Ärztinnen und Ärzten. SPD und FDP sind unentschlossen, ob sie sich den Initiativen von Grünen und Linken, den Paragrafen zu streichen, anschließen wollen.
Weil eine Mehrheit gegen 219a fraglich ist, ist es wieder einmal Berlins Aufgabe, mutig voranzugehen und hier selbst über Praxen zu informieren, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Dazu wird Berlin nach dem Vorbild Hamburgs auf der Webseite der Gesundheitsverwaltung eine Liste aller Praxiseinrichtungen veröffentlichen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Berlin kämpft damit für Frauenrechte und geht hoffentlich bald einen weiteren Schritt Richtung Gleichberechtigung.
Zu den Autorinnen: Silke Gebel, 34, ist Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Mutter von zwei kleinen Kindern. Anja Kofbinger, 58, ist Sprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus für Frauen- und Gleichstellungspolitik.
Silke Gebel, Anja Kofbinger