Laborkapazitäten nicht ausgeschöpft: Berlin könnte 50.000 Coronavirus-Tests pro Woche machen – warum passiert das nicht?
Die Kapazitäten der Berliner Labore sind nur zur Hälfte ausgelastet. Die Gründe sind vielfältig – und stimmen leicht optimistisch.
Innerhalb weniger Wochen haben Berlins medizinische Labore ihre Testkapazitäten enorm ausgebaut. Spätestens seit die Weltgesundheitsorganisation den Slogan „Test, Test, Test“ im Kampf gegen das Coronavirus ausgerufen hatte, gelten ausreichende Laborkapazitäten als Gradmesser im Kampf gegen die Pandemie.
50.000 Tests sollen jetzt in Berlin wöchentlich möglich sein, teilte der Verein „Akkreditierte Labore in der Medizin“ (ALM) am Mittwoch mit. Das sind noch mehr als die rund 44.000 in der vergangenen Woche. Jetzt rätseln Experten, warum die Kapazität der medizinischen Labore momentan nur zur Hälfte ausgelastet ist – lediglich 22.000 Tests wurden vergangene Woche auch durchgeführt.
„Es könnte sein, dass der erste Schwung in Berlin durch ist“
Auf Tagesspiegel-Anfrage erklärte Senatorin Dilek Kalayci (SPD), es würde zurzeit intern von Statistikern und Ärzten geprüft, warum die Kapazitäten in Berlin nicht ausgelastet seien.
Eine mögliche Erklärung: „Die Leute sind zu einem guten Teil durchgetestet. Es könnte sein, dass der erste Schwung in Berlin durch ist.“ Es kämen zum Beispiel kaum noch Reisende aus Risikogebieten in Berlin an. Dies sei aber nur eine mögliche Erklärung – und, betonte Kalayci, „kein Grund Entwarnung zu geben“.
Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:
- Interaktive Karte: Alle bestätigten Coronavirus-Infektionen nach Landkreisen und Bundesländern
- Bezirke, Infizierte, Verdopplungsrate: Die Ausbreitung des Coronavirus in Berlin in Grafiken
- Am Coronavirus erkrankt oder nur Schnupfen? Was man über die Symptome weiß
- Tag für Tag: Auf unserer interaktiven Karte sehen Sie, wie sich das Virus global ausgebreitet hat
- Kampf gegen das Virus: Der Newsblog zur Pandemie in Deutschland und der Welt
Die Lage beruhigt sich
Den Erklärungsansatz der Gesundheitsverwaltung teilt auch die Labor-Vereinigung LAM. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag sagte Evangelos Kotsopoulos, Vorstandsmitglied des Vereins, es sei „insgesamt eine Beruhigung der Lage“ festzustellen. Er erwarte, dass sich dieser Trend über Ostern verfestige.
„Es ist anzunehmen, dass sich, außer den Akutfällen, weniger Leute testen lassen, weil viele Arztpraxen geschlossen haben und die Leute nicht am Ostersonntag in die Teststellen fahren werden.“ Die Auslastung der Labore sei in ganz Deutschland niedriger als ihre Kapazität.
[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]
Der Chef-Virologe der Charité, Christian Drosten, lieferte im täglichen Podcast des NDR eine weitere mögliche Erklärung, warum die vorhandene Laborkapazität nicht ausgelastet wird. Drosten sagte: „Es kann aber auch an einem anderen Effekt liegen, nämlich dass – obwohl genügend Testkapazität in Form von Maschinen und Personal vorhanden ist – einfach bestimmte essenzielle Reagenzien oder auch sonstige Dinge im Moment nicht mehr geliefert werden können.“
Für die sogenannten PCR-Tests, die momentan standardmäßig durchgeführt werden, benötige man bestimmte chemische Stoffe. Für diese, aber auch für „einfache Dinge wie Abstrichtupfer“, sagte Drosten, gebe es mittlerweile ähnliche Beschaffungsprobleme wie für Schutzmasken und -bekleidung. Er bezog sich damit allerdings auf die Lage in Deutschland insgesamt.
Mangel an Utensilien, um Tests durchzuführen
An der Klinik, an der er selbst arbeitet, sieht es besser aus: „Das Labor Berlin, das zur Charité gehört und die größten Laborkapazitäten in Berlin vorhält, ist momentan ausreichend mit Reagenzien und Verbrauchsmaterial ausgestattet“, teilte ein Charité-Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Im Bezirk Neukölln allerdings ist dieser mögliche Mangel an einfachen Dingen wie Röhrchen und Stäbchen für die Durchführung der Tests bereits jetzt spürbar. Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) sagte dem Tagesspiegel: „Wir haben einen Röhrchen-Stäbchen-Engpass. Dadurch kann unser Gesundheitsamt nicht so viel testen, wie personell machbar wäre.“
[Das Coronavirus in Berlin: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]
Sein Amt würde bis zu 80 Tests am Tag hinbekommen, bekäme aber zurzeit nur Test-Kits für knapp 60 Stück vom Berliner Landeslabor. Eigentlich will der Bezirk seine Testkapazitäten sogar weiter ausbauen. „Wir befinden uns erst am Anfang dieser Pandemie“, sagte Liecke. Dass sich die Lage deutlich entspanne, habe er aus seinem Gesundheitsamt nicht gehört. „Die Mitarbeiter arbeiten weiter an der Belastungsgrenze.“
Aus der Senatsverwaltung für Gesundheit heißt es, es seien keine Kapazitätsprobleme bei der Durchführung der Tests bekannt. „Wir laden aber dazu ein, uns mögliche Engpässe direkt zu kommunizieren“, sagte Moritz Quiske, Sprecher von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci.
Bei DRK-Kliniken gibt es Material-Engpässe
Auf eine Tagesspiegel-Anfrage in den acht Anlaufstellen der Berliner Krankenhäuser, in denen Coronavirus-Tests möglich sind, antworteten der Vivantes-Konzern, die drei Teststellen betreiben, die Berliner DRK-Kliniken, die zwei Teststellen betreiben, und das Klinikum Havelhöhe in Spandau.
Eine Sprecherin von Vivantes erklärte: "Es kommen insgesamt weniger Menschen in unsere drei Abklärungsstellen." In der ersten Wochen hätten immer wieder Menschen nach Hause geschickt werden müssen, weil es keine Testkapazitäten gab. "Seit Anfang letzter Woche mussten wir an keiner der Abklärungsstelle Menschen wegschicken", sagte die Sprecherin. Test-Kits habe man "ausreichend".
Eine Sprecherin der DRK-Kliniken erklärte ebenfalls, in den vergangenen Wochen seien immer weniger Personen in die Anlaufstellen gekommen. In der Teststelle Westend hätten sich „nur noch rund 30 Personen“ am Tag testen lassen, zum Standort Köpenick kämen etwa 50 Personen pro Tag.
Testkapazitäten in vielen Anlaufstellen nicht ausgelastet
Die Testkapazität sei momentan nicht ausgelastet, weshalb die Öffnungszeiten der Teststelle teils verkürzt werden konnten. Auch bei den DRK-Kliniken warnt man jedoch vor einem Engpass der Test-Kits: „Es stehen uns nicht ausreichend zur Verfügung.“
Im Spandauer Klinikum Havelhöhe gibt es dagegen genügend Abstrichröhrchen und -tupfer, teilte eine Sprecherin mit. Die Testkapazitäten seien aber ebenfalls nicht mehr ausgelastet. Bis zu 700 in der Woche seien maximal möglich, nur 77 Tests mussten durchgeführt werden. Das liegt aber laut der Sprecherin auch daran, dass nicht alle einfach getestet würden. Dies geschehe nur nach einer Beratung.
Laut der Berliner Gesundheitsverwaltung gibt es keine Hinweise darauf, dass sich der Kapazitätsengpass von den Laboren zu den Anlaufstellen verschoben habe. Gesundheitssenatorin Kalayci sagte dem Tagesspiegel: „Wir werden die Testkapazitäten natürlich so lange hoch halten, wie die Bedrohungslage hoch ist.“