Olympia-Song veröffentlicht: Berlin kämpft mit der Stimme
Peinlich und provinziell – so finden viele den Song zur Berliner Bewerbung. Beste Voraussetzungen also für einen Ohrwurm. Das Lied war eine Initiative zweier sportbegeisterter Berliner.
Große Ereignisse brauchen große Emotionen. Seit 30 Jahren gibt es zu den Olympischen Spielen den jeweiligen offiziellen Song. Giorgio Moroder trieb die Olympioniken 1984 in Los Angeles mit dem Refrain „Reach out for the Medal“ zu Höchstleistungen. Vier Jahre später war es Whitney Houstons Pathos-Song „One Moment in Time“, der bis heute noch in den Ohren klingt. 1992 feierte sich Barcelona mit dem gleichnamigen Song von Freddie Mercury und Montserrat Caballé. Gänsehaut nach Noten, auch wenn Freddie Mercury damals schon nicht mehr lebte.
Sport und Musik brauchen einander, große Gefühle benötigen immer einen Soundtrack. Unvergesslich ist noch immer Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“, das zum Weltmeister-Triumph der Nationalelf im vergangenen Sommer gefeiert wurde. Ein Ohrwurm, den man monatelang nicht los wurde.
Der Impuls kam von zwei sportbegeisterten Berlinern
Es lag daher nahe, dass auch die bisher schleppende Berliner Olympia-Bewerbung einen Song braucht. Einen emotionalen Rückhalt und Schub. Noch ist es ja nicht entschieden, ob Berlin überhaupt möchte oder ob der deutsche Sport nicht lieber Hamburg bevorzugt. Es sieht danach aus.
Nun ist, wie berichtet, ein Song zur Olympia-Bewerbung von „Partner für Berlin“ vorgestellt worden. Die Agentur ist verantwortlich für das Hauptstadt-Marketing des Landes Berlin und damit auch für die Olympia-Initiave. In diesem Fall jedoch ging der Impuls von zwei sportbegeisterten Berlinern aus, die sich den Slogan zu eigen machten und ein eingängiges Lied daraus bastelten.
„Wir wollen die Spiele / wir steh’n auf den Dächern der Stadt / Die Athleten, sie setzen sich ihre Ziele / für den Erfolg kämpfen sie Tag und Nacht“, rappt das Hip-Hop-Duo „Kaempferherz“ im Nuschelsound. Der Rapper Kashman (Gesang) und sein Bandpartner Nicolai (Text und Musik) tanzen sich im dazugehörigen Video olympiawarm. Rapper Kashman sagt: „Sport ist für uns eine Sache des Herzens und der Emotionen, genau wie Berlin.“ Auch Stefan Franzke, Geschäftsführer der „Partner für Berlin“ schunkelt begeistert mit: „Berlin ist heute eine der kreativsten und dynamischsten Städte – mit einer lebendigen Musikszene, in der echte Begeisterung für unsere Olympia-Initiative herrscht.“
Tim Renner: "Ein Alleingang von Berlin Partner"
Dumm ist allerdings: Der Mann, der für diese Szene zuständig ist, will nicht mit einstimmen. Tim Renner, Kultur-Staatssekretär und als Musikproduzent durchaus vom Fach, distanziert sich via Facebook: „Ein Alleingang von ,Berlin Partner’“. Deutlicher noch: „Das ist Slow, aber nicht Lympics.“
Eigentlich hört man es schon: Professionelle Musiker sind „Kaempferherz“ nicht. Die beiden Jungs haben sich beim Fußballspielen bei Hertha Zehlendorf kennengelernt. Sie tragen Hoodies, machen mit den Fingern seltsame Zeichen und runzeln die Augenbrauen, wenn sie emotional wirken wollen.
Und natürlich passiert das, was in dieser Stadt wohl geschehen muss: Die Berliner fangen gleich mal an zu meckern. Kaum hatten sie den Song gehört, schlugen sie die Hände über dem Kopf zusammen oder hielten sich schlicht die Ohren zu. Das Urteil in den sozialen Medien war einhellig vernichtend. „Satire? Wer macht denn so etwas?“ fragt der eine. „Manchen Leuten ist auch echt gar nichts mehr peinlich“, empört sich die Nächste. „Schrott, provinziell, traurig“ – die Kommentare ließen sich endlos fortsetzen. „Ich kenn kleine Kinder die ’nen besseren Spot gemacht hätten“, spottet ein Kreuzberger Jugendlicher.
Berlin Partner moderiert ab
Alexander Schmidt, für die Olympia- Kampagne bei „Berlin Partner“ zuständig, versucht sich im Abmoderieren: „Wir finden es wirklich bedauerlich, wenn diese Initiative von jungen Leuten, die sich aus eigenem Antrieb für die Olympischen Spiele in Berlin einsetzen, in den Medien jetzt kaputtgeredet wird.“ Kaempferherz sei auf die Werber zugekommen, nicht umgekehrt. „Und wir promoten dieses Lied, weil wir uns über Beiträge aus der Berliner Bevölkerung freuen. Dennoch ist es natürlich nicht das offizielle Lied der Berliner Olympia-Bewerbung.“
Ein hoher Peinlichkeitsfaktor kann allerdings auch zur Erfolgsstrategie werden. Denn ein Ohrwurm gräbt sich umso tiefer ins Gedächtnis, je emotionaler er gehört wird, egal ob geliebt oder gehasst. Und wer mal live reinhören will: Am Sonntag werden Kaempferherz ihren umstrittenen Song beim Olympialauf auf dem Alexanderplatz live vorstellen. Im Song heißt es fast schon selbsterklärend: „Ich bin zwar nicht grad virtuos / doch du wirst mich nie mehr los.“
Alle Infos zur Berliner Olympia-Bewerbung finden Sie auf der Tagesspiegel-Themenseite.