Haushalt: Berlin in der Schuldenfalle – Opposition für Kassensturz
Berlins neuer Finanzsenator Nußbaum kündigt an, dass das Haushaltsminus bis 2020 auf 87 Milliarden Euro steigt. Die Kritik der Opposition folgt prompt: CDU, FDP und Grüne vermissen den Sparwillen und sehen strukturelle Defizite.
Die Ankündigung des neuen Finanzsenators Ulrich Nußbaum (parteilos), dass Berlins Schulden bis zum Jahr 2020 auf rund 87 Milliarden Euro steigen werden, hat bei den Oppositionsfraktionen starke Kritik hervorgerufen. Der rot-rote Senat habe sich schon vor Jahren von seinem Projekt der Haushaltskonsolidierung verabschiedet, der Sparwillen sei nicht mehr zu erkennen. Von einem „kompletten Offenbarungseid“ sprach FDP-Fraktionschef Christoph Meyer. „Es fehlt schon seit langem die Bereitschaft, das fortzusetzen, was man 2001 begonnen hat.“ Inzwischen suche man in der rot-roten Koalition nur noch nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner – und der heiße Steuererhöhung. Sowohl FDP als auch CDU lehnten die von Nußbaum jetzt vorgeschlagene Erhebung von Gewerbesteuern bei Freiberuflern ab. Einig sind sich Bündnis 90/Grüne, CDU und FDP zudem, dass die Entwicklung nicht nur der Konjunktur geschuldet sei, vielmehr gebe es erhebliche strukturelle Defizite.
Die sieht der Haushaltsexperte der Bündnisgrünen, Oliver Schruoffeneger, auch in der Personalpolitik des Landes. Die Beschäftigten seien falsch verteilt. Er forderte eine gezielte Aufgabenkritik, was der öffentliche Dienst leisten muss. Aus diesem Grund ist laut Schruoffeneger ein Kassensturz dringend notwendig.
Sein Kollege von der CDU, Uwe Goetze, hingegen hält diesen für überflüssig: „Wir alle kennen – sowohl Senat als auch Opposition – jedes Detail.“ Es müssten politisch die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Dazu gehören laut Goetze eine „deutliche Verschlankung der staatlichen Aufgaben“. In den kommenden Jahren würden viele Mitarbeiter aus Altersgründen aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, dieses müsse man nutzen, um die Aufgaben neu zu regeln. Anders als Nußbaum hält Goetze die Lernmittelfreiheit für durchaus finanzierbar, „nämlich wenn man auf das Experiment Gemeinschaftsschule verzichtet“. Da werde genug Geld frei.
Auf scharfe Kritik stieß Nußbaum auch bei den Gewerkschaften. Astrid Westhoff, stellvertretende Landesvorsitzende von Verdi, nannte es irritierend, wenn bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst die eine Seite – Innensenator Ehrhart Körting (SPD) – Möglichkeiten zu Einkommenssteigerungen signalisiert, während der Finanzsenator diese jetzt ausschließt. „Das macht die Verhandlungen schwerer“, sagte Westhoff. Man dürfe die Beschäftigten nicht wie „Melkkühe der Nation“ behandeln. Allerdings sei Nußbaum noch neu in Berlin, und nicht ein Senator entscheide in dieser Frage, sondern es sei üblich, dass der Senat dazu gemeinsam eine Linie beschließe. Außerdem sei dies jetzt „das übliche Geplänkel“ bei Verhandlungen, sagt Westhoff. Die Tarifrunde für die rund 50 000 Beschäftigten findet am 10. Juni statt; zum Ende des Jahres läuft der sogenannte Solidarpakt aus.
Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) könnte sich durchaus vorstellen, dass bei den Transferleistungen Einsparmöglichkeiten sind, die dann auch den Bezirken zugute kommen können. „Das muss der Senat aber politisch wollen“, sagte Buschkowsky. Man könne schon die Mietkosten von Hartz-IV-Empfängern besser begrenzen. „Aber das würde zu Umzügen führen, und die haben das Stigma des Unaussprechlichen.“ Gerade Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) habe sich extrem dagegen gesperrt. Der Senat dürfe jetzt nicht allein die Bezirke in die Verantwortung nehmen, denn „Sozialstandards müssen in Berlin einheitlich sein“.