zum Hauptinhalt
Die Hauptursache für den Wohnungsmangel in Berlin sind nicht die fehlenden Flächen.
© dpa

Wohnungsbau: Berlin hat genug Bauflächen - aber keinen Plan

4700 Wohnungen werden nach dem Votum zum Tempelhofer Feld nun nicht gebaut. Eine Analyse zeigt aber: In Berlin fehlt nicht das Bauland, sondern die Genehmigungen. Müssen bald Normalverdiener in Brennpunkte ziehen?

Keine Wohnung mehr, nirgends, die Stadt ist voll vermietet: Sogar für Hellersdorf meldet der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), dass nur noch jede hundertste Wohnung leer steht – und in der Regel auch nur deshalb, weil gerade für den nächsten Mieter gemalert wird. War also das Nein zur Bebauung des Tempelhofer Feldes ein schwerer Fehler, jedenfalls für alle Berliner, die eine Wohnung suchen – und verschärft sich nun die Lage in den Brennpunkten, die sich wie in den Pariser Banlieues ausbreiten?

Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) und seine Verwaltung winken ab: „Wir haben erstaunlich viele Flächen im Bezirk entdeckt, die sich kurzfristig für den Neubau von Wohnungen anbieten.“ Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte zum Beispiel will zwischen den Wohntürmen auf der Fischerinsel neue Miethäuser errichten. In der nördlichen Luisenstadt, hinter der Heinrich-Heine- Straße, kann das Quartier verdichtet werden. Hinter dem Rathaus Tiergarten, an der Bremer Straße, macht eine verlassene Verkehrsschule Platz für Wohnungen.

Berlin hat Platz für neue 16 900 Wohnungen

Spallek hält das Ergebnis von einem Jahr Fleißarbeit in den Händen, das er am Mittwoch den Bezirksverordneten vorstellt: Eine Liste mit Brachen und Freiflächen, Platz für 16 900 Wohnungen, die bis 2020 gebaut werden könnten, viele davon in Siedlungen landeseigener Wohnungsbaufirmen. Die Liste zeigt, dass die Nachkriegszeit in Berlin erst dann wirklich enden wird, wenn die vielen freigebombten Lücken im Stadtgrundriss geschlossen sein werden. Der große Vorteil dieser vielen kleinen Projekte ist: Fast überall gibt es schon Baurecht, auf dessen Grundlage Baugenehmigungen mit gutem Willen zügig erteilt werden können. Dafür hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Bezirken zusätzliches Personal bewilligt. Und der Senat zahlt sogar Prämien, wenn es ganz schnell geht.

Baustelle in Berlin.
Baustelle in Berlin.
© dpa

Nicht einmal mitgezählt hat Spallek die großen Projekte des Stadtumbaus: Wenn der Senat endlich den Streit um die beschlussreifen Pläne für das Gebiet am „Molkenmarkt“ beilegen würde, können mehrere hundert Wohnungen auf landeseigenem Grund entstehen, der heute Straßenland ist. Auch ein solches Großprojekt wäre mit gutem Willen wohl schneller zu realisieren als Neubauten am Tempelhofer Feld, weil das Gebiet bereits komplett erschlossen ist.

Wohnungen mit günstigen Mieten fehlen in Berlin

Weit im Verzug ist der Senat mit der Übertragung landeseigener Bauflächen an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und vor allem an Genossenschaften. Dem BBU zufolge sitzen besonders die Genossenschaften auf prall gefüllten Kassen, wurden aber bisher beim Verkauf landeseigenen Baulandes übergangen. Sie bieten weniger Geld als private Bauherren von luxuriösen Lofts und Townhäusern, weil Genossenschaften nur Wohnungen zu günstigen Mieten bauen wollen. Daran – und nicht an teuren Eigentumswohnungen – fehlt es aber am meisten auf Berlins Wohnungsmarkt.

Meinen es Senat und Bezirke tatsächlich ernst mit der Bekämpfung der Wohnungsnot, dann müssen sie auch den internen Kampf beenden um die Ausgestaltung der bereits im Wahlkampf vor zwei Jahren angekündigten Liegenschaftspolitik. Denn der landeseigene Liegenschaftsfonds hat Bauflächen in Hülle und Fülle im Angebot: „Rund 240 Grundstücke haben wir identifiziert, die für den Wohnungsbau geeignet“ sind, heißt es dort auf Anfrage. Über den Verkauf von 150 Grundstücken verhandle der Fonds mit landeseigenen Firmen. Es gibt Bauland in besten Lagen: „in Pankow, Steglitz-Zehlendorf, Mitte und Treptow-Köpenick“. Doch beurkundet seien gerade mal zwölf Verträge – und überhaupt nur 32 für die Übertragung an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften bisher vorgesehen.

Aufstellung eines neuen Bebauungsplans dauert zwischen vier und sieben Jahre

Der private Projektentwickler Willo Göpel sagt, dass allein im Stadtteil Prenzlauer Berg die Verwaltung fast 70 Bebauungspläne für Wohnungsprojekte aufgestellt habe. Um aber bauen zu können, müssten diese gesetzlich festgesetzt werden. Dies aber geschehe nicht. Im Bezirk Pankow arbeite die Verwaltung an der Aufstellung eines neuen Bebauungsplans nach deren Angaben zwischen vier und sieben Jahre. „Wenn das Land wirklich Wohnungen bauen will, dann muss es nur dafür sorgen, dass in allen Bezirken die Bebauungspläne endlich Rechtskraft erlangen“, sagt Göpel. Oft aber stritten Bezirke und Land darüber, wo überhaupt gebaut werden soll. An Flächen mangele es jedenfalls nicht.

Das bestreitet nicht einmal die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die noch unter dem Schock des Bürgervotums gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes steht: Auch ohne die jüngst in Mitte entdeckten Bauland-Reserven in Lücken und auf Brachen hat man dort Bauflächen für rund 220 000 Wohnungen im Stadtgebiet identifiziert.

Zur Startseite