Verordnung für Lärm: Berlin dreht die Bässe runter
Eine neue Verordnung für Lärm bei öffentlichen Veranstaltungen in Berlin soll Anwohner besser schützen - und dem Anspruch einer "Kulturmetropole" Rechnung tragen.
Ja, schon Wilhelm Busch wusste es: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil stets sie mit Geräusch verbunden.“ Heute sind es Nachbarn von öffentlichen Veranstaltungen, die sich häufig über den Krach beschweren. Klagen hat es unter anderem um Auftritte im Olympiastadion, in der Waldbühne oder auch auf der Zitadelle Spandau gegeben.
Um die Rechtssicherheit zu verbessern, hat die Senatsumweltverwaltung nun die Veranstaltungslärm-Verordnung neu geregelt. Berlin sei das erste Bundesland, das ein „maßgeschneidertes und an die Bedürfnisse einer Kulturmetropole angepasstes allgemeinverbindliches Regelwerk“ habe, teilte die Verwaltung am Montag mit. Bisher gab es nur Ausführungsvorschriften, die Ende 2015 auslaufen.
Die Anwohner im Umfeld von Open-Air-Veranstaltungen erhielten durch die neuen Regelungen mehr Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen, sagte die Sprecherin der Umweltverwaltung, Petra Rohland. Und für Veranstalter verbessere sich die Planungssicherheit. Zum Lärmschutz gibt es Vorgaben des Bundes. Das Berliner Modell ist nicht ganz so streng, was man damit begründet, dass die Stadt ein Ballungsraum und eben auch eine Kulturmetropole sei.
Die Nachtzeit gilt von 22 Uhr bis 6 Uhr
Zum ersten Mal seien auch sogenannte tieffrequente Geräusche bei Veranstaltungen berücksichtigt worden, sagte Rohland. Nach Angaben des Umweltbundesamts gewinnt das Thema „Geräuschbelästigung durch tieffrequenten Schall, insbesondere durch Infraschall im Wohnumfeld“, zunehmend an Bedeutung. Als Infraschall bezeichnet man demnach Luftschallwellen unterhalb des menschlichen Hörbereiches. Infraschall liegt definitionsgemäß zwischen 0,1 und 20 Hertz, tieffrequenter Schall unterhalb von 100 Hertz.
Diese Immissionen seien beim Genehmigen von Veranstaltungen „besonders zu berücksichtigen“, heißt es in der neuen Verordnung. Tagsüber sind die Tieffrequenzen allerdings zulässig, wenn sie „durch technische oder organisatorisch zumutbare Maßnahmen“ auf ein Mindestmaß reduziert werden. In der Nachtzeit sind sie nicht gestattet.
Die Nachtzeit gilt von 22 Uhr bis 6 Uhr – und ist damit länger als das Nachtflugverbot am künftigen BER-Flughafen, das nur für die Zeit von 0 Uhr bis 5 Uhr Ruhe am Himmel vorsieht. Allerdings gibt es auch bei der Veranstaltungslärm-Verordnung einen Spielraum: Wenn es zum Durchführen der Veranstaltung erforderlich ist, kann der Beginn der Nachtzeit bis 23 Uhr hinausgeschoben werden. Und bei Veranstaltungen „mit herausragender Bedeutung“ kann es auch noch später werden.
Nachts nicht über 55 Dezibel
Dazu zählen laut Verordnung Staatsbesuche, Veranstaltungen des Bundes oder des Landes sowie von internationalen Organisationen. Dazu gehören auch „Veranstaltungen anlässlich besonderer politischer oder historischer Ereignisse und Begleitveranstaltungen zu internationalen und nationalen Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung sowie das Auftreten von international bekannten Künstlern oder Persönlichkeiten sowie Veranstaltungen mit einer langen Tradition.“ Hierbei müsse sich die Bedeutung der Veranstaltung in besonderer Weise von anderen abheben, steht im Regelwerk. Der dann zulässige Lärmpegel werde im Einzelfall festgelegt.
Der erwartete Lärm wird im Vorfeld berechnet. Bei „störenden Veranstaltungen“ darf er nachts nicht über 55 Dezibel steigen, tagsüber sind bis zu 70 Dezibel zugelassen. 55 Dezibel entsprechen einem normalen Gespräch, 70 Dezibel erzeugt zum Beispiel ein Rasenmäher. Kurzzeitige Geräuschspitzen, für die es ebenfalls Grenzwerte gibt, sind aber zulässig. Wird der Wert überschritten, kann gegen den Verursacher geklagt werden.
Gerichtlich verhindern lässt es sich kaum
Wie bei den bisherigen Ausführungsvorschriften wird auch im neuen Regelwerk die Zahl der „störenden Veranstaltungen“ begrenzt – auf 18 pro Ort. Sie sollen auf einen längeren Zeitraum verteilt werden und an nicht mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden stattfinden.
Gerichtlich verhindern lassen sich auch lärmintensive Veranstaltungen im Vorfeld kaum. So hatte im vergangenen Jahr die Klage eines Anwohners am Rüdesheimer Platz in Wilmersdorf, der das dortige Weinfest verhindern wollte, vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes fühlen sich die meisten Menschen durch Straßenverkehr gestört oder belästigt. An zweiter Stelle stehe der Flugverkehr. Bundesweit fühle sich jeder Sechste durch Schienenverkehr beeinträchtigt. Aber auch Geräusche der Nachbarn zählten in einer Umfrage zu den bedeutenden Ursachen der Lärmbelästigung. 40 Prozent hatten dies angegeben.