Michelin-Stern für das „Rutz“ in Mitte: Berlin bekommt sein erstes Drei-Sterne-Restaurant
Bei der Verleihung der Michelin-Sterne darf Berlin eine Premiere feiern. Das „Rutz“ in der Chausseestraße ist in der deutschen Spitzengruppe gelandet.
Berlin hat zum ersten Mal ein Drei-Sterne-Restaurant. Das „Rutz“ in der Chausseestraße in Mitte trägt die höchste Auszeichnung des Guide Michelin in dessen neuer Ausgabe, die am Dienstag in einer Live-Sendung per Facebook vorgestellt wurde. Rutz-Küchendirektor Marco Müller und Küchenchef Dennis Quetsch haben sich damit in die Weltliga des Gastronomieführers gekocht, wo sie neben neun weiteren Restaurants in Deutschland stehen.
Auch die im letzten Jahr durch Schließungen geschrumpfte Zwei-Sterne-Kategorie in Berlin ist wieder aufgefüllt: Das „Coda“ von René Frank sprang einen Rang hinauf. Und es gibt zwei neue Ein-Stern-Restaurants in der Stadt, nämlich „Cordo“ in Mitte und „Prism“ in Charlottenburg; kein Stern wurde gestrichen.
Insgesamt hat Berlin nun 24 besternte Restaurants mit zusammen 31 Sternen, ein deutlich gewachsener Vorsprung gegenüber München (einmal drei, fünfmal zwei, siebenmal ein Stern) und Hamburg (einmal drei, viermal zwei, sechsmal ein Stern). Das Wort von der „kulinarischen Metropole“ hat also zunehmende Berechtigung, wenngleich Tokio, Paris und auch London in weiter Ferne liegen.
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Am vergangenen Montag war Marco Müller noch höchst entspannt mit einem ganz Großen seiner Zunft, dem römischen Küchenchef Heinz Beck, zusammengetroffen: Beide kochten im Rahmen der „Eat!Berlin“ zusammen ein Menü zur Erinnerung an das Restaurant „Harlekin“, in dem sie beide früher mal Küchenchefs waren.
Müller, der am Dienstag hinter seiner Handy-Mailbox in Deckung gegangen war, kocht nun auf Augenhöhe mit Beck: „Thank you, wir können es noch gar nicht glauben, danke dem geilsten Team ever!“, schrieb er auf Facebook.
Sterne-Restaurant war früher „Rutz Weinbar“
Das Restaurant Rutz liegt im ersten Stock eines unauffälligen Gebäudes in der Chausseestraße. Es wurde als „Rutz Weinbar“ bekannt, doch das bezieht sich nur noch auf das Erdgeschoss, wo bodenständige deutsche Gerichte serviert werden. Der Name erinnert an den Gründer und Sommelier Lars Rutz, der kurz nach der Eröffnung 2001 an Krebs starb.
Die Menüs kosten gegenwärtig 158 bis 198 Euro, typisch sind Gerichte wie „Herbstpilze, Hühnerhaut, Schwarzwurzel“ oder „Koji-Kalb, Kohl und Brot, Alte Birne“. Hochwertige Weine, die gegen pauschales Korkgeld abgegeben werden, sind ein wesentlicher Teil des Konzepts – kein Wunder, denn Geschäftsführer Carsten Schmidt besitzt zusammen mit seiner Frau Anja auch die Berliner „Weinladen“-Kette. Beide wurden soeben vom „Eat!Berlin“-Festival als „Förderer der Berliner Genusskultur“ gelobt.
Mehr Sterne bedeutet auch mehr Druck
René Frank, der mit seinem einzigartigen Konzept des Nur-Dessert-Restaurants im vergangenen Jahr den ersten Stern erhalten hatte, wurde von der Hochstufung völlig überrascht – erst am Dienstagmorgen kam der Anruf. „Wenn wir es uns hätten aussuchen können“, sagte er, „dann wären wir erst mal bei einem Stern geblieben“.
Der Grund: Die Auszeichnung erhöht den Druck und bringt mehr internationale Gäste ins Haus. „Wir müssen das jetzt erst mal verarbeiten“, sagt Frank, der seine Küche nicht verändern will. „Aber die stabilere Auslastung wird uns erlauben, beim Kochen noch mehr in die Tiefe zu gehen.“ Das Coda in der Neuköllner Friedelstraße bewirtet an vier Abenden der Woche zweimal 25 Gäste mit maximal sieben Gängen.
Die beiden neuen Ein-Stern-Restaurants galten schon vorab als wahrscheinliche Kandidaten. Im Prism in Charlottenburg kocht der Israeli Gal Ben Moshe ausgefeilte Gerichte, die die Traditionen seiner Heimat und des Nahen Ostens in eine moderne kulinarische Sprache umsetzen – auch das ist auf diesem Niveau in Deutschland ziemlich einzigartig.
„OMG! This really happened!“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite in Großbuchstaben. „Dankbar“ gab sich Yannik Stockhausen, der Küchenchef im Cordo. Ähnlich wie Marco Müller verfolgt er den aktuellen Trend zum Regionalen, der sich vor allem auf skandinavische Vorbilder beruft, strikt bezogen auf die Produkte der Umgebung und mit alten Techniken wie der Fermentation.
Unterhalb der Sterne gibt es im Michelin noch den „Bib Gourmand“, die Auszeichnung für gute Küche zum Preis von maximal 38 Euro für ein Drei-GangMenü. Hier hat Berlin in diesem Jahr gleich um fünf Restaurants zugelegt, nämlich „Barra“ und „Chicha“ in Neukölln, „Gärtnerei“ in Mitte, „Pastis“ in Wilmersdorf und das Kreuzberger „Tisk“. In Brandenburg blieb es bei drei Ein-Stern-Restaurants, „Kabinett F.W – Bayrisches Haus“ und „Kochzimmer“ in Potsdam sowie „17fuffzig“ in Burg/Spreewald. Der Guide Michelin 2020 erscheint am 6. März und kostet 29, 90 Euro.