Koalition beschließt: Berlin bekommt ein Stadtwerk - Volksentscheid wird überflüssig
SPD und CDU haben ihren öffentlichen Streit um das Stadtwerk für Berlin nun intern geschlichtet. Die Koalition beschloss einen Vier-Punkte-Plan. Darin setzt sie fest, dass das Stadtwerk ausschließlich erneuerbare Energien produzieren soll.
Nach eineinhalb Stunden Koalitionsausschuss war der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) der erste, der das Besprechungszimmer im Abgeordnetenhaus verließ. Ob es ein schönes Stadtwerk gebe, beantwortete er grinsend mit einem „selbstverständlich“. Nach wochenlangen Streitereien über Pro und Contra Stadtwerk hatte die SPD zum Koalitionsausschuss geladen. Das Ergebnis war zu erwarten: Die Koalition hat sich auf die Gründung eines Stadtwerks verständigt. Und der Streit zwischen SPD und CDU wurde ad acta gelegt.
CDU und SPD hatten sich bereits im Dezember auf die Gründung eines Stadtwerks verständigt. Der Gesetzestext wurde ins Parlament eingebracht, jedoch noch nicht verabschiedet. Jetzt soll das Gesetz in der nächsten Parlamentssitzung am 24. Oktober verabschiedet werden, eineinhalb Wochen vor dem Volksentscheid des Energietisches. „Das Berliner Stadtwerk kommt wie verabredet. Das ist eine gute Botschaft, weil klar ist, dass der Volksentscheid überflüssig ist“, sagte SPD-Parteichef Jan Stöß. Der Energietisch fordert unter anderem ein landeseigenes Stadtwerk und ein Stromnetz in öffentlicher Hand.
Koalition verständigt sich auf Vier-Punkte-Plan
Parteichef Frank Henkel, Fraktionschef Florian Graf und Sozialsenator Mario Czaja (alle CDU) verständigten sich mit Wowereit, Stöß und SPD-Fraktionschef Raed Saleh auf einen Vier-Punkte-Plan. Neben dem Bekenntnis zum Stadtwerk ist die Aufgabe des Unternehmens klar umrissen: Das Stadtwerk soll ausschließlich erneuerbare Energien produzieren und diese selbstproduzierte Energie am Berliner Markt vertreiben. „Die Produktion und der Vertrieb von Energie aus Atom- und Kohlekraftwerken sind ausgeschlossen“, steht in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Für einen Übergangszeitraum kann das Stadtwerk zusätzlich selbstproduzierten Strom aus dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen vermarkten, die „zu einem größtmöglichen Anteil mit nachhaltig erzeugten, erneuerbaren Energieträgern betrieben werden“. Das Stadtwerk soll nicht „als Stromhändler am Markt“ auftreten. Das Unternehmen soll entweder als Tochter der Berliner Wasserbetriebe oder in eigenständiger Form firmieren. Damit sind Überlegungen vom Tisch, das Stadtwerk als BSR-Tochter oder unter dem Dach der Energieagentur zu führen.
CDU wollte Stadtwerk mit ausschließlich erneuerbaren Energien
Die CDU hatte darauf gepocht, dass das Stadtwerk ausschließlich erneuerbare Energien produziere. Allerdings wiesen Henkel und Stöß darauf hin, dass laut gesetzlicher Grundlagen auch Strom dazu gekauft werden müsse, falls die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne. Und die Rede war dabei nicht von „Öko-Strom“. Sowohl Henkel als auch Stöß umgingen das Thema Wirtschaftlichkeit, auf die die Union großen Wert legte. Es gebe „hier und da Klärungsbedarf“, sagte Henkel, betonte aber, „dass diese Koalition handlungsfähig ist“.
Offenbar muss der Wirtschaftlichkeitsplan von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) überarbeitet werden. Die Opposition forderte bei der Aussprache am Abend im Parlament die Vorlage des Plans. Grünen-Politiker Michael Schäfer kritisierte, dass die Finanzierung von 1,5 Millionen Euro pro Jahr für das Stadtwerk ein „absolutes Armutszeugnis“ sei. „Das wird ein Mikrobonsai-Stadtwerk erster Güte.“ Linkspolitiker Harald Wolf pflichtete ihm bei und forderte ein Konzept des Senats. Und Pirat Pawel Mayer freute sich erst einmal, dass es bald ein landeseigenes Stadtwerk gebe.