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Ein Mann demonstriert in einer polizeilichen Beratungsstelle in Frankfurt am Main, wie einfach es für einen Einbrecher wäre, mit Hilfe eines stabilen Schraubenziehers ein geschlossenes Fenster von außen zu öffnen.
© dpa/ Frank Rumpenhorst

Wohnungseinbrüche in Berlin: Berichte vom Angriff auf die Privatsphäre

Die Einbruchssaison hat begonnen, die Polizei lud am Sonntag zum Präventionstag. Auch mehrere Tagesspiegel-Mitarbeiter sind schon Opfer geworden.

Das Zuhause ist ein Schutzraum, eine selbstgeschaffene Umgebung, über die der Bewohner die Kontrolle hat, anders als über die Welt da draußen. Umso heftiger trifft ein Einbruch die Opfer auch psychologisch. Der Verlust der gestohlenen Gegenstände ist schon schmerzlich genug, traumatisch ist aber vor allem das Gefühl, dass Fremde in die eigene Sphäre eingedrungen sind. Der Kontrollverlust. Zwar ist die Zahl der Einbrüche insgesamt leicht leicht rückläufig. Doch die Saison beginnt jetzt wieder.

Von Oktober bis März nimmt laut Gesamtverband der Versicherungswirtschaft die Zahl der Haus- und Wohnungseinbrüche um 40 Prozent im Vergleich zum Sommerhalbjahr zu – die Dunkelheit erleichtert den Einbrechern den Job. In Berlin wurden vergangenes Jahr 11507 Wohnungseinbrüche angezeigt, ein Rückgang um 308 gegenüber dem Vorjahr.

Seit 2011 bewegen sich die Zahlen immer zwischen 11000 und 12000 jährlich. Ein andere Zahl steigt dafür stetig und erreichte vergangenes Jahr den Rekordwert von 43 Prozent: die Versuchsquote. Das bedeutet, dass fast jeder zweite Einbruchsversuch scheitert. Laut Polizei ist es optimal für die Verhinderung von Einbrüchen, wenn folgende Faktoren zusammentreffen: intelligent eingesetzte Technik, sicherheitsbewusstes Verhalten und aufmerksame Nachbarschaft.

Am heutigen Sonntag ist bundesweit der „Tag des Einbruchsschutzes“; im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke gibt es von 12 bis 16 Uhr eine Sonderaktion mit Aufklärung und Beratung zur Frage, wie man seine Wohnung richtig sichert. Der Strafrahmen ist im Sommer verschärft worden: Für Einbrüche in dauerhaft genutzte Privatwohnungen droht eine Mindeststrafe von einem Jahr.

Auch mehrere Tagesspiegel-Kollegen sind schon Opfer von Einbrüchen geworden und schildern nachfolgend ihre Erlebnisse.

Seither ist der Hund im Haus

Das Loch in der Scheibe war schon vom Gartentor aus zu sehen, kein Wunder, es war praktisch so groß wie die gesamte Terrassentür. Meine Frau, die an diesem frühen Abend im November vor einem Jahr zufällig zur selben Zeit nach Hause kam, fluchte, was sie sonst fast nie tut. Die Terrassentür ließ sich nicht mehr öffnen, sie hing verkantet im Rahmen. Schuld war ich, sechs Wochen vorher hatte ich die Empfehlung eines Einbruchsexperten befolgt und zwei zusätzliche Rahmenschlösser angebracht, abschließbar. An denen war der Einbrecher offenbar im ersten Anlauf gescheitert.

„Warten Sie bitte und verändern Sie nichts“, sagte ein Polizist am Telefon. Wir saßen etwa eine Stunde zwischen den Scherben im Wohnzimmer, dann klingelte es. Zwei Beamte zeigten ihre Dienstmarke an der Tür, drinnen verstrichen sie ihr Fingerabdruckpulver. „Das sehen wir selten, dass die durch die Scheibe gehen, zu hohes Verletzungsrisiko“, sagen sie; normalerweise gelte die Regel, nach fünf Minuten erfolglosen Rumgehämmers sind die weg.

Recherchen bei den Nachbarn ergaben später: Der Einbruch erfolgte gegen 18Uhr, der oder die Einbrecher hatten erst den geschlossenen Rollladen aus der Wand gerissen, insgesamt 15 Minuten rumgefummelt und dann zwei Steine durch die Scheiben geworfen. Das war alles recht laut, so laut, dass ein Nachbar später angab, er habe gedacht, es müsse sich um etwas Offizielles handeln, Bauarbeiten vielleicht.

Drinnen waren die Einbrecher ausgesprochen sorgsam gewesen, Bücher haben sie nicht etwa aus den Regalen gerissen, sondern abgestellt, Schubladen auch. Gestohlen haben sie keinerlei Unterhaltungselektronik, auch keine PCs, sondern nur Schmuck, eigentlich sogar nur die Ringe, darunter den golden Ehering meines verstorbenen Vaters. Bin ich heute noch traurig drüber. Materiell war der Schaden an der Tür erheblich höher als der des Diebesgutes.

„Lassen Sie sich ihr schönes Zuhause nicht verdrießen“, sagte der Polizist beim Gehen. Tatsächlich hatten wir unser altes Reihenhaus für so schrabbelig gehalten, dass sich kein Einbrecher dafür interessieren würde, stehen doch in der Nachbarschaft viel schönere Häuser. Übrigens haben wir jetzt Dreifachverglasung, einbruchshemmend. Meine Frau hat nur wenige Ringe. Die Nachbarn sind hellhöriger geworden. Und der Hund bleibt jetzt meistens zu Hause.

Schmuck in die Gefriertruhe!

Eine Nachbarin aus dem Haus rief mich an und sagte: „Ich glaube, du solltest nach Hause kommen, deine Wohnungstür steht offen ...“ Ein Tageseinbruch-Klassiker – die Polizei vermutete einen der in Berlin üblichen Fischzüge einer „Bande aus dem osteuropäischen Raum“. Auf alle Fälle mehr Schaden als Beute, zumindest, was mich betrifft.

Denn gegenüber im ersten Stock, bei den Nachbarn, hatten die Diebe auch gleich mal reingeschaut. Das jung verheiratete Paar war danach um seinen Hochzeitsschmuck ärmer, ich vor allem um zwei kleine Erbstücke von Oma. Geld konnten sie nicht erbeuten, wir hatten keines zu Hause, und um größere Stücke war es offenbar nicht gegangen. Die Diebe suchten meist kleine Beuteteile, die schnell versilbert werden können, sagt die Kripo. Der Bruch selbst dauere nur ein paar Minuten.

Die Vorgehensweise sei immer ähnlich. Einige aus der Einbrechertruppe beobachteten ein Haus ein paar Tage lang, wüssten, wer wann zur Arbeit geht. Zwei unserer Einbrecher wurden am Tag zuvor übrigens von einer Mieterin im Hausflur gesehen und angesprochen. Da taten sie, als suchten sie jemand. Die Mieterin fand das seltsam. Aber: Hätte sie etwas verhindern können? Trotz des hohen Gartenzaunes und einer massiven Haustür waren die Diebe hereingekommen. Vermutlich hatten sie im Hinterhaus geklingelt; die Mieter dort haben keine Gegensprechanlage und drücken meist den Türöffner.

Der Einbruch erfolgte im Wortsinn mit der Brechstange; unsere Wohnungstüren – gut restauriertes Massivholz mit einer Schließkonstruktion von drei Haken, die im Türrahmen einrasten – waren im Eimer. Die Wiederherstellung inklusive Schlosserneuerung und Notdienst kostete die Hausratversicherung um die 3500 Euro – pro Tür. In den Wohnungen herrschte kleineres Chaos: Der Inhalt von Schränken und Schubladen lag auf dem Boden.

Sie hatten dort gesucht, wo meist Wertsachen gebunkert werden: zwischen Socken und Unterwäsche, im Schreibtisch, in Töpfen auf den Küchenborden, hinter den Badezimmerfliesen bei den Wasseruhren… Es dauerte Wochen, ehe die beschädigten Schlösser und Türen endgültig repariert waren, sich mit der Versicherung zu einigen und die Unterlagen mit dem Nachweis der gestohlenen Werte zu beschaffen. Der Verlust der beiden Erbstücke – das Einzige, was ich von meiner Großmutter noch hatte – schmerzte.

Was echt nervte, war, dass ich diverse Putztage brauchte, um den schwarzen, schmierigen Ruß des polizeilichen Fingerabdruckpulvers auf weißen Türen und Mobiliar zu tilgen. Ein Tipp: Immer erst trocken wischen, dann erst nass. Die Ratschläge der Kripo immerhin waren interessant. Erstens: Türverriegelungen helfen nur, wenn die Schließvorrichtung im Mauerwerk jenseits des Türrahmens einrastet; alles andere kann aufgestemmt werden.

Angeblich ist die altmodische Eisenstange, die früher als Verriegelung von Wand zu Wand quer über die Innentür lief, noch immer das Beste. Zweitens: Immer erst sicherstellen, wer klingelt, ehe man jemanden ins Haus lässt. Drittens (Einbrecher bitte wegsehen!): Schmuck, wenn schon nicht in den Safe, dann wenigstens in einer Tupperdose in der Gefriertruhe aufbewahren (und möglichst nicht „Schmuck“ , sondern „Gulasch“ oder so draufschreiben).

Viertens: Abends das Licht von der Zeitschaltuhr anknipsen lassen, wenn man ausgeht. Fünftens: Das Radio angeschaltet lassen, wenn man die Wohnung verlässt. Das kostet etwas Strom, hält aber Eindringlinge ab. Denn die horchen an der Tür, ehe sie sie aufstemmen. Das zeigte sich auch in meinem Fall: Als der Mann von der Spurensicherung ordentlich Kontaktmaterial aufgepinselt hatte, sah man am Türblatt den Abdruck einer Wange und eines Ohrs.

Leider half das nicht bei der Ermittlung, ebenso wenig die Fingerabdrücke. Monate später teilte die Staatsanwaltschaft brieflich mit, die Ermittlungen seien ohne Ergebnis eingestellt. Ich glaube, meine Nachbarn haben von der Versicherungssumme keinen neuen Hochzeitsschmuck mehr angeschafft, sondern lange über eine teure Sicherung ihrer Wohnungstür nachgedacht. Wir sprechen jetzt jeden im Flur an, den wir nicht kennen.

In unserem Haus, Nähe Oranienplatz in Kreuzberg, wurde, solange es frisch saniert aussah, ganze siebenmal eingebrochen. Seit außen der Putz blättert, haben wir Ruhe. Oder es hat sich unter den Clans aus dem „osteuropäischen Raum“ herumgesprochen, dass hier keine reichen Leute wohnen.

Diebstahl beim Umzug

Unter Gewaltanwendung verschaffen sich viele Einbrecher den Zugang.
Unter Gewaltanwendung verschaffen sich viele Einbrecher den Zugang.
© Getty Images/iStockphoto

Ein kleiner Umzug stand an, eher ein Umräumen. Vom 4. in den 5. Stock, zehn Stufen, ein Treppenabsatz, dann neun. Die Türen standen natürlich offen, während ich am Feiertag die Bücher in Waschkörben nach oben stemmte. Ich war ständig zwischen den Etagen unterwegs, da sah ich keine Gefahr. Und dann: Wer würde mit so wenig Aussicht auf unerkannte Flucht ausgerechnet so weit oben auf Beute gehen? Dachte ich. Dann war mein Laptop vom Schreibtisch verschwunden. Der erste wirklich teure, den ich mir geleistet hatte. Der erste richtig schöne, samt seiner ungewöhnlichen Schutzhülle, die ich für dieses Schätzchen gefunden hatte. Ich habe aus Scham, meinen Leichtsinn zu offenbaren, nicht einmal Anzeige erstattet. War das juristisch überhaupt ein Einbruch – die Türen standen schließlich offen? Meine Handtasche – zwei wurden mir in zwei Jahren gestohlen – darin der geerbte alte Füllhalter meiner Mutter, jetzt mein Laptop, mein schöner Begleiter durch den Arbeitstag: Ich habe zu einigen sehr nahen Gebrauchsgegenständen ein Verhältnis, als hätten sie eine Seele. Sie zu verlieren, auch noch mit unbekanntem Verbleib, schmerzt wie der Verlust eines Körperteils. Auch ein halbes Jahr später noch ist das schlimmer als zu wissen, dass jemand Unbekanntes in meine Wohnung eingedrungen ist.

Fingerabdruck auf der Seele

Bei uns zu Hause kam der Einbrecher über das Terrassenfenster, Anfang Dezember vor sechs Jahren, am frühen Abend, er durchwühlte Schränke im Schlafzimmer, im Arbeitszimmer, nahm mit, was er auf die Schnelle fand, Schmuck, eine Uhr, einen Laptop, eine Sonnenbrille. Als wir nach Hause kamen, ging ein Windzug durch die Wohnung, das Fenster stand offen, es fühlte sich an, als wäre er gerade in dem Moment verschwunden, als wir die Wohnungstür aufschlossen.

Zwei Polizisten kamen, nahmen den Fall auf, ziemlich routiniert, und dämpften resigniert unsere Hoffnungen auf einen Fahndungserfolg. Es war unheimlich, in dem Zimmer einzuschlafen, das der Einbrecher erst wenige Stunden zuvor durchwühlt hatte. An der Schranktür war noch das schwarze Pulver, mit dem die Beamten Fingerabdrücke gesichert hatten. Ob sie vom Täter stammten, haben wir nie erfahren.

Aber die unsichtbaren Spuren, die er hinterließ, waren viel schlimmer: Gefühle der Ohnmacht, Wut und Traurigkeit – vor allem über den verlorenen Familienschmuck. Die Versicherung hat den Schaden ersetzt, von dem Geld haben wir Fenster und Türen besser sichern lassen und eine Alarmanlage gekauft. Einige Wochen nach dem Einbruch teilte die Staatsanwaltschaft mit, das Verfahren sei eingestellt. Aber die Tat ist geblieben, sie gehört zum Inventar. Wenn ich unsere Wohnung verlasse und die Alarmanlage scharf schalte, ist die Erinnerung auf Knopfdruck wieder da.

Während die Familie schlief

Merkwürdig. Warum lagen das Portemonnaie und die Uhr nicht auf dem Tisch im Erdgeschoss, dort also, wo sie jeden Abend hingelegt wurden, auch am letzten? Noch schlaftrunken, dachte ich darüber nicht lange nach. Machte mir auch keine Gedanken, als die zehnjährige Tochter aufstand und erzählte, dass sie nachts aufgewacht sei, weil jemand vor dem Haus den Rasen gemäht habe – jedenfalls sei es genau so ein Geräusch gewesen. Eigentlich habe sie runtergehen wollen, um nachzuschauen, sei dann aber wieder eingeschlafen. Dann klingelte es. Die Nachbarin, schon auf dem Weg zur Arbeit, stand vor der Tür: Sie habe ein Portemonnaie auf dem Gehweg gefunden, Bankkarten und Führerschein. Mein Portemonnaie. Mein Führerschein und meine Bankkarten. Nur das Geld war weg.

Da war ich schlagartig wach. Und sah die geöffnete Schublade, in der die für ein Geschenk weggelegten Geldscheine fehlten, und die Kommode, in der kein Laptop mehr war. Und dann auch das Bohrloch in der hölzernen Terrassentür, durch das die Diebe eine einfache Drahtschlinge zum Fenstergriff schoben, um so die nicht abschließbare Tür zu öffnen. Da erst kam der Schock darüber, dass die Diebe sich so unbemerkt in unserem Haus aufgehalten haben, während die ganze Familie schlafend in ihren Betten lag. Ein unangenehmes Gefühl, das noch lange, sehr lange nachwirkt. Danach haben wir endlich die Türen mit abschließbaren Griffen ausrüsten lassen.

Der Staatsschutz sucht einen Brief

Zurück von einem Wochenendtrip, versuchte ich vergeblich, die Wohnungstür aufzuschließen. Der Schlüssel passte einfach nicht mehr. Dann bemerkte ich die Spuren am Schloss. Waren es etwa Einbrecher? Der eilig zu Hilfe gerufenen Polizei gelang es, uns Zugang zur Wohnung zu verschaffen – doch als der Blick auf einen Zettel im Eingangsbereich fiel, klappte dem Polizisten die Kinnlade runter: ja, tatsächlich Einbrecher. Allerdings vom Staatsschutz geschickte!

Auf der Suche nach einem Bekennerschreiben, das man bei uns zu Hause vermutete, hatten sich die Beamten gewaltsam Zugang zu unserer Wohnung verschafft. Zuvor hatten sie im Büro meines Mannes, seinerzeit Redakteur bei der „taz“, nach dem Schriftstück gesucht – auch dort erfolglos.

Bei ihrem Auftrag durchwühlten sie – durchaus nicht gesetzeskonform – auch Schubladen und Schränke in meinem Zimmer. Sie machten selbst vor meiner Unterwäsche nicht halt. Das hatte zwar ein gerichtliches Nachspiel, das ich gewann. Dieses verstörende, demütigende Gefühl, wenn ein Fremder in die eigene Intimsphäre eindringt, ist jedoch leider geblieben.

... und ein verhinderter Einbruch

Beinahe hätte ich den Einbrecher noch gesehen. Er muss wohl geklingelt haben, um zu checken, ob jemand zu Hause ist. Doch hinten in der Küche hört man bei uns die Klingel manchmal nicht. Als ich dann dieses laute Geräusch an der Wohnungstür hörte, habe ich spontan gerufen „Ey“. Das war für den Einbrecher das Signal, wie ein geölter Blitz zu verschwinden. Wir wohnen im 4. Stock, und als ich unten ankam, war der junge Mann schon über alle Berge, quer durch den Park Richtung U-Bahn. Ein Passant hatte ihn noch gesehen und eine Aussage bei der Kripo gemacht. Die kam dann auch bei uns vorbei, aber seitdem habe ich nichts mehr gehört. Die Ermittlungen müssen im Sande verlaufen sein.

Wir haben jetzt diese beiden Schieber, mit denen man die Flügel einer Altbautür öffnet, mit Schrauben arretiert. Was mir gefehlt hätte, wenn der Einbrecher uns beklaut hätte, wäre der goldene Ring von Tante Anni gewesen und die Perlenkette aus Thailand. Sonst gibt es bei uns sowieso nicht viel zu holen. Wütend auf den Einbrecher bin ich trotzdem immer noch. Ein paar Wochen später hat mein Mann mir gemailt, dass schon wieder eingebrochen wurde. Das war aber am 1. April.

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