Neuer Skandal um Flughafengesellschaft: BER täuschte Aufsichtsrat über Risiken
Die BER-Flughafengesellschaft hat die drohende Imtech-Pleite bis zuletzt verschwiegen. Nach "Tagesspiegel"-Informationen erfuhr der Aufsichtsrat davon erst, als tatsächlich die Insolvenz angemeldet war.
Der unvollendete Berliner Hauptstadtflughafen BER gerät erneut ins Zwielicht. Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) dem Aufsichtsrat das schon Anfang 2015 einkalkulierte Risiko einer drohenden Pleite des Gebäudeausrüsters Imtech verheimlicht. Danach hat der Flughafen zwar schon vor sieben Monaten Vorkehrungen für den möglichen Ausfall der zweitwichtigsten Baufirma getroffen, die die für 2017 geplante Eröffnung gefährden könnte, und bereits eine Ersatzfirma gesucht. Doch der Aufsichtsrat erfuhr davon erst, als Imtech Anfang August tatsächlich Insolvenz anmeldete.
Zudem wird der Flughafen vom Chaos um die abgesagte Eröffnung im Mai 2012 eingeholt. Der „Bild am Sonntag“zufolge geht die BER-Antikorruptionsbeauftragte Elke Schäfer Hinweisen nach, dass frühere BER-Manager und andere Führungskräfte damals überhöhte Millionenrechnungen der Firmen Siemens, Bosch und der Telekom-Tochter T-Systems durchgewunken haben sollen, was auf Untreue und Betrug hinauslaufen könnte.
Mit den Turbulenzen wird sich der Projektausschuss des Aufsichtsrats befassen, der regulär am heutigen Montag in Schönefeld tagt. Der Flughafen selbst schließt einen finanziellen Schaden aus. Sprecher Ralf Kunkel betonte am Sonntag, dass der BER-Bau noch laufe, „es von keiner der Firmen bisher Schlussrechnungen gibt“. Die FBB habe aber entschieden, im Zuge der Schlussrechnungen „sämtliche seit Projektbeginn geleisteten Abschlags- und Nachtragszahlungen einer nochmaligen, gesamthaften Prüfung zu unterziehen“. So könnten „Überzahlungen einzelner Firmen ausgeschlossen werden“.
Dem Bericht zufolge hatte der Flughafen in den Monaten vor der abgesagten Eröffnung 2012 fast jede Rechnung von Siemens, Bosch und T-Systems anstandslos bewilligt. So seien an Siemens – Regionalmanager war dort der heutige Technikchef Jörg Marks – auf eine Forderung in Höhe von 22,9 Millionen Euro 22 Millionen Euro gezahlt geworden. Bei T-Systems habe man 99 Prozent der Nachträge bewilligt. Das interne Controlling hält eine derart hohe Nachzahlungsquote demnach für „ungewöhnlich und verdächtig“.
Die Arbeiten auf dem Flughafen gehen weiter
Auch Imtech hat aus dieser Zeit noch eine Millionenrechnung am Flughafen offen. Im neuen Terminal baut Imtech – in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Firma Caverion (Arge IMCA) – große Teile der Haustechnik, etwa die Strom-, Klima- und Sprinkleranlage. Am 5. August 2015, kurz vor der Insolvenz, habe die Arge einen abschließenden Nachtrag über 35 Millionen Euro für 2011/2012 auf Anordnung erbrachte Zusatzleistungen eingereicht, sagte Imtech-Sprecher Harald Prokosch dem Tagesspiegel. „Es sind keine zusätzlichen Kosten.“ Vielmehr würden mit dieser Rechnung – unterlegt mit einem Bauverlaufs-Gutachten und Anordnungen der Leistungen durch den damaligen Projektsteuerer und die Bauabteilung des Flughafens – eine Vielzahl bisher eingereichter und in der Summe höherer Nachträge zusammengefasst. Es gehe um Schriftverkehr im Gigabyte-Volumen.
Für das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen mit 959 Baustellen und 4000 Mitarbeitern in Deutschland ist das viel Geld. Die Summe ist höher als die Verbindlichkeiten des inzwischen ebenfalls insolventen Mutterkonzerns Royal Imtech, der seinem deutschen Ableger nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters Peter-Alexander Borchardt rund 21 Millionen Euro geschuldet hätte.
Imtech und der Insolvenzverwalter haben demnach ein Interesse daran, dass es trotz Insolvenz am BER weitergeht. „Am Flughafen werden die Arbeiten normal fortgesetzt“, sagte Imtech-Sprecher Prokosch. Man sei mit 100 Monteuren auf der Baustelle, eine Aufstockung sei geplant. „Es sind keine Probleme absehbar.“
Der Flughafen hatte sich bereits im Februar für einen möglichen Ausfall Imtechs gewappnet. Flughafenchef Karsten Mühlenfeld zufolge wurde eine Ersatzfirma gesucht, die notfalls einspringen könnte. Damals war ein Ex-Bereichsleiter verhaftet worden, der von Imtech mit 150000 Euro bestochen worden sein soll. In den turnusmäßigen Berichten zum „Risikomanagement“, die nach dem BER-Fiasko 2012 für den Aufsichtsrat eingeführt worden waren, tauchte dies nicht auf.