Berlin setzt Zivilpolizisten ein: BER-Gegner fühlen sich kriminalisiert
Nicht nur Demonstrationen von BER-Gegnern, sondern auch Informations- und Diskussionsveranstaltungen sollen von Zivilpolizisten beobachtet worden sein. Die Bürgerinitiativen fühlen sich beobachtet und protestieren, doch die Polizei widerspricht dem Vorwurf.
Die Fronten sind so hart wie beim Streit um die Flugrouten des neuen Großflughafens BER: Seit die Innenverwaltung wie berichtet am Dienstag bestätigt hat, dass bei Demonstrationen und anderen Veranstaltungen von BER-Gegnern auch Zivilpolizisten eingesetzt wurden, laufen die betroffenen Bürgerinitiativen in Stahnsdorf oder Friedrichshagen Sturm gegen diese Praxis. „Wir haben die Sorge, dass man uns diskreditieren und kriminalisieren will“, sagte am Donnerstag Joachim Quast von der Friedrichshagener Bürgerinitiative. Die Polizei hält dagegen, es gehe ihr um nichts anderes als um den Schutz von Demonstrationen und Veranstaltungen „im Interesse der engagierten Bürger“.
SPD will Überwachung der BER-Gegner im Abgeordnetenhaus diskutieren
Beschäftigen wird der Streit nach der Sommerpause auch das Abgeordnetenhaus. SPD und Grüne wollen dann genauer wegen der Einsätze nachfragen. „Wir wollen herausbekommen, welche Veranstaltungen von Beamten in Zivil beobachtet wurden und wie die Polizei dies im Einzelnen begründete“, sagt der innenpolitische SPD-Sprecher Thomas Kleineidam.
Eine kleine Anfrage des Abgeordneten der Piraten und Vorsitzenden des Flughafen-Untersuchungsausschusses, Martin Delius, hatte den Konflikt ausgelöst. Delius wollte von der Innenverwaltung wissen, ob Einsatzkräfte in Zivil an Veranstaltungen der Bürgerinitiativen teilnahmen. Ende Juli erhielt er von Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) eine kurz gehaltene Antwort. Dienstkräfte in „bürgerlicher Kleidung“ würden zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung eingesetzt, heißt es pauschal.
Auch den Piraten ist diese Auskunft zu ungenau. Sie rügen vor allem die Anwesenheit von Zivilbeamten bei Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Bei Demos und Kundgebungen seien verdeckte Polizisten ja üblich, heißt es. Wenn diese jetzt aber auch zu den anderen Veranstaltungen geschickt würden, laufe das auf eine „Überwachung bürgerschaftlichen Engagements“ hinaus. Ein Vorwurf, dem die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Polizei selbst entschieden widersprechen. Es gehe doch nicht ums Ausspionieren, ums Protokollieren von Inhalten, sagen unisono GdP-Chef Michael Purper und Polizeisprecher Stefan Redlich. Der Staatsschutz und die Abteilungen des Landeskriminalamtes für Rechts- und Linksextremismus seien im Übrigen mit den Veranstaltungen überhaupt nicht befasst, ergänzt Redlich.
Zivilpolizisten sind für Lagebeurteilung unerlässlich
Die Polizei habe die klare Aufgabe, angemeldete Veranstaltungen von der Demo bis zur Mahnwache zu begleiten und „deren Durchführung zu ermöglichen“. Dazu brauche man realistische Lagebeurteilungen. Redlich: „Um diese zu bekommen, sind Zivilpolizisten unerlässlich. Selbst bei tausenden friedlichen Protestlern ist nie auszuschließen, dass sich externe Gewalttäter einmischen.“ Und im Hinblick auf geplante größere Umzüge könne es auch mal sinnvoll sein, schon informative Treffen zu deren Vorbereitung in Zivil zu beobachten. Solche Einsätze seien aber eher selten. So war bei den Montagsdemos in Friedrichshagen nach Auskunft der zuständigen Polizeidirektion „seit Juli 2011 noch kein einziges Mal ein Zivilbeamter anwesend“. Bei Infoveranstaltungen in Räumen sei die Polizei sogar gehalten, „mit offenem Visier“ anzutreten, sagt Redlich. „Wir müssen unsere Anwesenheit nach dem Versammlungsgesetz dem Veranstalter melden.“ Und den Initiativen stellt er ein gutes Zeugnis aus. „Deren Demos verliefen bislang alle ungestört.“
SPD-Polizeiexperte Thomas Kleineidam und Benedikt Lux (Grüne) sehen angesichts des Hin und Her „dringend Aufklärungsbedarf“. Sie wollen den Streit im Innenausschuss zur Sprache bringen.