Mehr Flüge, mehr Lärm am Willy-Brandt-Airport: BER-Anrainer bereiten neue Nachtflug-Klage vor
Wie früher in Tegel ist von 22 bis 23 Uhr besonders viel los am BER. Anrainer-Kommunen sehen darin einen Verstoß gegen die Rechtslage und wollen klagen.
Der Berlin-Brandenburger Airport „Willy Brandt“ steuert auf einen neuen Gerichtsprozess um Nachtflüge zu. Die Schutzgemeinschaft von acht Umlandgemeinden bereitet eine Klage vor, um die Einhaltung der Nachtflugvorgaben aus dem BER-Planfeststellungsbeschluss durchzusetzen, da aus ihrer Sicht die aktuell hohen BER-Lärmbelastungen zwischen 22 und 23 Uhr dazu im Widerspruch stehen.
Diese erste Nachtstunde ist, wie berichtet, in der östlichen Einflugschneise mit Orten wie Waltersdorf, Eichwalde oder Bohnsdorf nach Erhebungen des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD) die lauteste des Tages. „Wir prüfen, wie wir rechtlich dagegen vorgehen können“, sagte Jörg Jenoch, Bürgermeister von Eichwalde und Sprecher der Schutzgemeinschaft, dem Tagesspiegel. Eine Anwältin sei eingeschaltet. Darüber entschieden werde auf der Juni-Mitgliederversammlung.
Für den Flughafen, der nach der Eröffnung 2020 in ein langes Pandemietief mit wenigen Flügen stürzte und sich erst jetzt einem Normalbetrieb nähert, droht damit ein gravierendes Problem. Denn eine regelrechte nächtliche Rush–Hour am BER, wo – wie früher in Tegel – alle zwei, drei Minuten zwischen 22 und 23 Uhr Flugzeuge landen, darf es nach dem BER-Nachtflug-Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2011 nicht geben.
Es ist das gleiche Urteil, das in den Debatten oft angeführt wird, um eine Ausweitung des Nachtflugverbotes auf 22 bis 6 Uhr abzuwehren. Ein erfolgreiches Volksbegehren für ein strikteres Nachtflugverbot hat Brandenburgs Regierung bisher nicht umgesetzt.
Urteil aus dem Jahr 2011: Erste Nachtstunde darf keine bloße Verlängerung des Tagesbetriebs sein
„Auch die erste Nachtstunde von 22 bis 23 Uhr ist schutzwürdig; sie darf nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden“, heißt es darin wörtlich. „Auch zwischen 22 und 23.30 Uhr und 5.30 und 6 Uhr darf die Nacht jedoch nicht zum Tage werden. Die Verhältnismäßigkeit bleibt nur gewahrt, wenn das Konzept eines Ab- und Anschwellens des Flugverkehrs auch in diesen Zeitsegmenten weiter durchgeführt wird.“ Und: „Sollte sich die erste Nachtstunde entgegen dieser Prognose zu einer Stunde entwickeln, in der die Fluglärmbelastung der Anwohner in der Regel größer ist als in den Abendstunden, wäre dies eine mit dem Abwägungsgebot und § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht vereinbare Entwicklung.“
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Das heißt: Vom Abend hin zur Nacht muss der Fluglärm am BER zwingend abnehmen, worauf man sich berufen kann. Dieser Vorbehalt könne, wie der Senat bereits 2006 geurteilt habe, „auch für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelungen über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden“, heißt es.
BER-Fluglärmbeauftragter Strogies versteht Frust der Anwohner
Auch Patrick Strogies, der unabhängige BER-Fluglärmbeauftragte, hält die aktuelle Praxis für bedenklich. „Es ist zu viel Verkehr. Zur Nacht hin muss der Verkehr immer weniger werden“, sagt er. „Ein Abschwellen gibt es bisher nicht. Ich verstehe den Unmut der Anwohner.“
Dagegen hält die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) unter Chefmanagerin Aletta von Massenbach alles für rechtens. „Der aktuelle Flugbetrieb verträgt sich mit dem Planfeststellungbeschluss. Ansonsten würden die Behörden ihn nicht stattfinden lassen“, sagt FBB-Sprecher Hannes Hönemann.
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Die Zeit von 22 bis 23 Uhr sei nicht die Spitzenstunde des Tages am BER, wenn man nicht allein den Osten, sondern alle Flugbewegungen am Airport betrachte. „Am späten Morgen und späten Nachmittag finden pro Stunde deutlich mehr Flüge statt.“ Wird das Abschwellen umgesetzt? Antwort: „Seit März 2020 findet pandemiebedingt nicht der Flugverkehr statt, von dem der PFB ausgegangen ist. Insofern lässt sich die Frage nicht beantworten.“ Die FBB argumentiert, dass es bei der stundenweisen Verteilung der Flugbewegungen „noch kein vollständig typisches Profil aus der Vor-Corona-Zeit“ gibt.
Ab 22 Uhr nimmt die Flugzahl wieder sprunghaft an
„Während die attraktiven Slots für späte Ankünfte an allen Flughäfen schon relativ gut genutzt werden, gibt es über den Tag noch freie Slots, die mit steigendem Flugverkehr belegt werden.“ Nach einer Präsentation der FBB („Flughafen BER - Durchschnittliche Anzahl der Flugbewegungen pro Stunde“) nehmen Flüge von 19 bis 22 Uhr kontinuierlich von über 30 auf unter 20 ab und steigen ab 22 Uhr sprunghaft wieder auf rund 27 an.
Brandenburgs Umweltministerium beobachtet das aufmerksam und hat nach eigenen Angaben „unverzüglich das Landesamt für Umwelt mit einer Prüfung und Bewertung der Daten beauftragt.“ Ergebnisse würden dem Infrastrukturministerium und der Oberen Luftfahrtbehörde übergeben.
Luftfahrtbehörde sieht bisher kein Problem
Entscheidungsrelevant für den weiteren Fortgang ist aus Sicht des Umweltministeriums auch, „ob sich die festgestellte hohe Belastung in der ersten Nachtstunde östlich des Flughafens relativ zu den Stunden des Tages verfestigen wird.“ Die Obere Luftfahrtbehörde, die dem Infrastrukturministerium (MIL) untersteht, sieht dagegen bisher gar kein Problem. Aus den bislang bekannten Flugbewegungszahlen ließen sich keine Abweichungen von den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses ableiten, erklärte MIL-Sprecherin Katharina Burkardt auf Anfrage. Allerdings laufe die Prüfung noch. Es gebe noch „kein finales Ergebnis.“
Wie berichtet ist der BER bereits wegen zu vieler und zu lauter Kurzstarts in die Kritik geraten. Sicher dürfte eins sein: Um den BER ist weiterhin Krach vorprogrammiert.
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