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Kult am Pult. Ben de Biel, einst Betreiber der „Maria“, hat das Berliner Clubleben entscheidend mitgeprägt
© Ben de Biel

Fotoausstellung: Ben de Biel: Dokumentar des Berliner Nachtlebens

Ben de Biel hat die Maria am Ostbahnhof betrieben. Den Club gibt es nicht mehr – aber jede Menge Fotos. Sie zeigen, was Nachtschwärmer in den vergangenen Jahren erlebt oder verpasst haben.

Backstage entstehen immer die Aufnahmen ohne Halbwertszeit. Peaches, die kanadische Sängerin, beäugt am Schminktisch misstrauisch ihr eigenes Spiegelbild. Im Vordergrund ragt ein Tischkicker mit Aschenbecher in den Bildausschnitt. Eine Schwarz-Weiß-Szenerie, die den Alltag jenseits der Show beschreibt. Der Fotograf Ben de Biel hatte exklusiven Zugang in diese private Sphäre kurz vor dem Auftritt. 13 Jahre lang betrieb er den Club „Maria am Ostbahnhof“, ein gute Adresse des Berliner Nachtlebens, die seit 2011 nur noch Legende ist.

850 Fotos aus der Maria, dem White Trash und dem Ritter Butzke sind ab dem heutigen Dienstagabend im Westflügel des Ritter Butzke in Kreuzberg zu sehen. Ben de Biel hat sie in den vergangenen zwei Jahren gemacht. Die Fotos sind teils als klassische Drucke zu sehen, die meisten wurden zu einer Slideshow zusammengefasst, die in Endlosschleife auf eine Leinwand projiziert wird. Ben de Biel sieht sich als Dokumentar des Clublebens, er will weder inszenieren noch manipulieren. Er ist einfach dabei und wartet auf den richtigen Moment, um den Auslöser zu drücken. Die Ausstellung hat somit auch zeithistorischen Wert, denn mit dem Verschwinden von Clubs wie der Maria ändern sich auch die Räume und Kulissen, in denen gefeiert wird.

Ein größerer Teil der Besucher wird schon aus Nostalgie in die Ausstellung kommen. Die Wahrscheinlichkeit, sich auf einem Foto wiederzuentdecken, ist nicht gering. Etwa die Hälfte der Bilder sind schwarz-weiß fotografiert. De Biel verehrt den Fotokünstler Jim Rakete, dessen Portraits den Betrachter fesseln, weil sie das Wesentliche hervorheben, aber auch viel Spielraum für Interpretationen lassen. Wenn Gesichter das Foto dominieren, verzichtet de Biel gerne auf Farbe, aber die Wirklichkeit einer Clubnacht mit ihren Lichtshows ist eben vor allem bunt. Da kommt wieder das Dokumentarische durch, dem sich de Biel verpflichtet fühlt. Kunst mag das eine oder andere Foto auch sein, aber sich als Künstler zu definieren, war nie sein Anspruch.

Ben de Biel kam 1990 nach Berlin. Vorher hatte er in Hamburg, Hannover und Darmstadt gelebt und sich vor der eingemauerten Inselgroßstadt gefürchtet. Er geriet in die Endzeit der Hausbesetzersubkultur, fotografierte vergessene Hinterhöfe und das Wohnkommunenchaos – auch zu diesen Themen hat er schon eine Fotoausstellung organisiert. „Ich habe immer was gemacht, was mit meinem eigenen Leben zu tun hat.“ Reportagen im journalistischen Stil hat er bisher noch nicht ausprobiert. Das Clubleben auf seinen Fotos ist so, wie de Biel es genossen hat. Mit der Ausstellung zieht er auch eine persönliche Bilanz, denn sein Dasein als Clubbetreiber sei jetzt unwiederbringlich zu Ende, sagt der 49-Jährige. Das Fotografieren liege ihm ohnehin näher als das Geschäftliche, das mit einem Club verbunden ist.

Aus dem Nachwendeberlin hat Ben de Biel schon viele Fotos verkauft. Die eigene Vorstellungskraft reicht oft nicht mehr aus, um das Kopfkino der Clubgänger anzuregen. Als nächstes könnte er das innere Gefüge der Piratenpartei für die Nachwelt aufbereiten; de Biel ist auch Pressesprecher der Berliner Piraten. Benjamin Biel, so heißt er mit richtigem Namen, blickt auf eine Punk-Sozialisation zurück. Seine sanfte Stimme lässt die Deutung zu, dass er eher zu den friedfertigen Systemverweigerern gehörte. Zumindest sei er schon immer eher visuell orientiert gewesen. In der Schulzeit hatte er dadurch Probleme. In einer Geographiestunde schaute de Biel aus dem Fenster und erklärte der Lehrerin, er habe gerade eine Wolke in den Grenzen Frankreichs gesehen. Dafür bekam er eine glatte Sechs.

Vernissage im Ritter Butzke, Ritterstraße 26, Kreuzberg, Dienstag, 20 Uhr. Die Ausstellung ist jeweils Freitag und Samstag im Oktober zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Thomas Loy

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