Piloten sprechen von „Kotzkurve“: Bei Ostwind sollen Flugzeuge am BER mit riskantem Manöver starten
Direkt nach dem Abheben sollen Piloten am neuen Hauptstadtflughafen bei Ostwind eine scharfe Kurve fliegen. Das schützt vor Lärm, ist aber nicht ohne Risiko.
Wenn der Betrieb am BER in gut zwei Monaten startet, wird Fluggästen sowie Autofahrern auf der Autobahn die „Hoffmannkurve“ genannte Flugroute von der neuen BER-Südbahn auffallen: Die Piloten fliegen bei Ostwind gleich nach dem Abheben eine 145-Grad-Rechtskurve, nur 180 Meter über der Erde.
Die Bewohner von Waltersdorf, Zeuthen, Schulzendorf und Eichwalde östlich des BER erfreut die von einem Vorruheständler und Privatpiloten aus Brandenburg erarbeitete „Hoffmannkurve“: Das rasche Abdrehen nach rechts erspart ihnen Fluglärm. „Wenn die Maschine abgehoben hat, kann man die Sekunden zählen: 21, 22, 23 – und dann legt sich das Flugzeug teils noch über der Startbahn sanft rein in die Kurve“, so beschrieb es Hoffmann aus Eichwalde dem Tagesspiegel.
Der Flugbeginn der Kurve per Hand auf halber Höhe des Fernsehturms ist von der Deutschen Flugsicherung vorgelegt und vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) geprüft, sagte BAF-Sprecherin Kerstin Weber. Die 2012 festgelegten Route gilt heute identisch. Die offiziell „LULUL 1B“ lautende Route entspricht den Vorgaben der International Civil Aviation Organization (ICAO).
Doch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) selbst hat die „Hoffmannkurve“ schon früh als anspruchsvoll bezeichnet: Flugkapitäne müssten mehr leisten, mehr Systeme an Bord seien beteiligt, hat der frühere Direktor, Nikolaus Herrmann, gesagt. Laut BAF-Flugrouten-Experte Wolfgang Ruths sollen Hoffmannkurve wie alle anderen Routen ausgewertet werden, sobald valide Daten vorliegen. Klagen gegen die Route beschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg abschlägig.
Der Berufsverband „Cockpit“ hat zu Zeiten der Flugrouten-Festlegung dem Tagesspiegel geschildert, die Kurve unverzüglich nach dem Abheben erhöhe das Sicherheitsrisiko unnötig, weil sich Piloten in der kritischen Startphase lieber allein auf einen Geradeaus-Steigflug konzentrierten. Die Kurve werde auch „Stunt“- oder „Kotzkurve“ genannt.
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Menschen mit Flugangst könnten beunruhigt sein, wenn ihr Flieger gleich nach dem Abheben, ohne ein Hindernis wie einen Berg vor sich zu haben, eine drastische Kurve zurück fliegt. Laut Cockpit erhöht der Kurvenflug per Hand die Komplexität, was im Notfall zum Problem werden könne, wenn ein unerwünschtes Ereignis wie Vogelschlag, Triebwerks- oder etwa Hydraulikprobleme auftrete.
Kurve spart Sprit und Zeit
Laut „Cockpit“ sind Kurven in niedriger Höhe und mit geringerer Steigleistung fehleranfälliger. Das BAF sagte dem Tagesspiegel jetzt dazu, die Route sei sicher und Piloten können nach Planung der Flugroute durch die Fluggesellschaft als Alternative die „GORIG“-Route für längeren Geradeaus-Steigflug wählen. Wegen der kürzeren Flugzeit und geringerem Treibstoffverbrauch würde voraussichtlich die Kurve oft bevorzugt.
Laut Ruths müssten Piloten bei der Ausführung der Hoffmannkurve auch den „Steiggradienten“ miteinbeziehen: Trotz der Kurve mit geringerer Steigung müssen sie im Kreuzungsbereich südlich von Schönefeld dann höher als anfliegende Maschinen in der Luft sein.
Eine andere Kurve, nicht ganz so steil, wird nun doch nicht geflogen. Das betrifft die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, die gleich hinter der Nordbahn liegt und am stärksten von Fluglärm betroffen sein wird. Das BAF hat dort nun doch erneut eine Geradeaus-Flugroute bei nächtlichen Starts in Westrichtung festgelegt, obwohl das Oberverwaltungsgericht die Route 2013 schon einmal gekippt hatte, weil die Flugzeuge dort direkt über das Zentrum fliegen.
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Zwischenzeitlich war auf Druck der Gemeinde deshalb vorgesehen, dass die Maschinen kurz nach Start nach Norden und damit in Richtung Berlin abdrehen, was nun nicht geschieht. Den Schwenk begründete die BAF damit, dass eine Nordumfliegung des Ortes „den Flugverkehr insgesamt näher an große, dicht besiedelte Gebiete von Berlin“ heranführen würde.
Anders als damals wird die Gemeinde gegen die erneute Festsetzung nicht klagen. Aus Empörung über diese neue Rathaus-Linie trat jüngst der frühere SPD-Bürgermeister Ortwin Baier, inzwischen Landtagsabgeordneter, aus Partei und Fraktion aus.