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Wegen der Neugestaltung des Eingangsbereichs der Philharmonie in Berlin-Mitte wurde der Parkplatz in der Scharounstraße abgerissen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Philharmonie in Berlin: Begrünung statt Parkplätze: Konzertbesucher verärgert

Vor der Philharmonie soll es schöner werden. Konzertbesucher mit Auto sind verärgert, denn 200 Stellflächen sind nicht mehr da.

Der „Blumenwalzer“ aus Tschaikowskys „Nussknacker-Suite“ muss zur Zeit auch jene Abonnenten der Berliner Philharmoniker besänftigen, die bei einem Beschwerdeanruf in der Warteschleife hängen: Wie viele das sind, verrät man in dem Haus des berühmten Orchesters nicht. Doch wenn die Stammkundschaft sich über Baumaßnahmen und Parkplatzverluste beklagt, fällt das ins Gewicht.

Gebuddelt wird auf dem Vorplatz des Scharoun-Baus an der Potsdamer Straße seit Anfang Oktober, Pflasterberge türmen sich auf der abgesperrten Fläche. Zur „Aufwertung“ der Hofeingangssituation, die das geschmähte Kulturforum abrundet, soll dort ein baumbestandener Platz mit Sitzgelegenheiten entstehen, von Blumen ist nicht die Rede; an der Scharounstraße kommt ein Rasenfeld mit Ölweiden hinzu.

Das hat man sich bei der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft Grün Berlin so ausgedacht, aber Besucher des Musentempels fühlen sich übergangen. Seit drei Jahrzehnten besitze sie ein Konzert-Abo, schreibt Tagesspiegel-Leserin Ursula Uhlir. Als Schwerbehinderte könne sie von der Tiefgarage mangels Aufzug nicht ins Foyer gelangen, nun seien die ebenerdigen Parkplätze am Haus gesperrt und man nehme Normalverbrauchern zunehmend sogar die Tiefgarage weg, nach angeblich zuvor erfolgter Publikumsbefragung.

Weggefallen seien 138 Außenparkplätze

„Bis jetzt wurde es seitens der Philharmonie weder für notwendig erachtet, die Abonnenten direkt hierüber zu informieren, noch wurde dies bekannt gemacht.“ Sie überlege, ihr Abo aufzugeben: Einen der am Haupteingang geplanten Behindertenplätze werde sie künftig kaum ergattern.

Angesichts des empörten Klientels muss Elisabeth Hilsdorf als Pressesprecherin der Philharmonie eine Nuss knacken, die der Senat ihr vors Haus gelegt hat. Von Desinformation könne freilich keine Rede sein: Auf ihrer Homepage, per Senatspressemitteilung sowie durch Aufsteller und Plakate vor Baubeginn habe man die Veränderungen kommuniziert.

Die Begeisterung für das Ende der 1990er Jahre beschlossene und nun plötzlich umgesetzte Begrünungskonzept halte sich allerdings unter ihren Kollegen in Grenzen, den Publikumsprotest verstehe sie. Offenbar habe es da bei der Behörde noch Geld gegeben, „das verbaut werden musste“. Weggefallen seien 138 Außenparkplätze, knapp 70 restliche könnten noch genutzt werden. Autos von Schwerbehinderten stehe Straßenrand zwischen Philharmonie und Kammermusiksaal zur Verfügung. Auf weitere 110 Tiefgaragenplätze hätten zunächst der eigene Klangkörper und Mitarbeiter Zugriff, 300 Parkkarten kursieren intern. Nur wenn Gastorchester spielen, die über kein Stellplatzprivileg verfügen, bleibt mehr Parkraum für Konzertbesucher.

Öffentliche Verkehrsmittel nutzen

Rollt ein Gast-Kontrabass also künftig besser per Fahrrad an? Die Philharmonie fasst 2250, der Kammermusiksaal 1180 Besucher. Das Publikum, antwortet Elisabeth Hilsdorf, solle möglichst öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder Plätze im Parkkeller des Sony Centers – und dafür bis zu 15 Minuten mehr Zeit einplanen, sich im unübersichtlichen Center und seinen Aufzügen orientieren und sicherheitshalber den Umweg-Bogen zur Ampel an der Ecke Potsdamer Straße machen, statt die Ben-Gurion-Straße weiter oben direkt zu überqueren.

Während des Staus bei der TTIP-Demo Anfang Oktober habe sich übrigens gezeigt, wie wichtig reservierte Orchester-Stellplätze seien: Ohne die hätte man nicht 15, sondern erst 30 Minuten später den Beethoven-Abend beginnen können! „Und sobald unser Grünbereich dann fertig ist,“ seufzt die Pressesprecherin, „wird wahrscheinlich gegenüber das Museum der Moderne gebaut – da wird sich die Parksituation wieder verändern.“

Längere Wege „sind zumutbar“

Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, muss zunächst die Zahlen korrigieren: Alle 200 öffentlichen Parkplätze (darunter fünf für Behinderte) auf dem Dreiecksareal zwischen Potsdamer und Scharounstraße seien bereits passé; die paar am Musikforschungs-Institut bleiben für dessen Mitarbeiter vorgesehen. Pallgen verteidigt die Eingriffe: 26 Jahre nach dem Mauerfall dürfe die Philharmonie nicht mehr mit dem Rücken zur verschwundenen Schandmauer ausgerichtet sein, sie solle an ihrem ehemaligen Hinterhof-Eingang Richtung Potsdamer Platz aufgewertet werden.

„Dafür hat etwas anderes zu weichen.“ Die längeren Wege „sind zumutbar.“ Eine erste Bauphase bis Sommer 2016 betreffe aktuell den neuen Grünbereich; bei der zweiten, 2016/17, werde die Herbert-von-Karajan-Straße zweispurig zurückgebaut. Dort sollen, statt der bisher 13 vorhandenen, insgesamt 18 Behindertenparkplätze entstehen. Anschließend werde in einer dritten Phase die zur Potsdamer Straße führende Scharounstraße für den motorisierten Individualverkehr gesperrt, um einen „Kulturraum für Flaneure“ zu gewinnen. „Die Welt ändert sich ja“, sagt Pallgen.

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