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Kneipen und Bars dürfen ab dem 2. Juni wieder öffnen. Aber wirtschaftlich lohnt es sich nicht für alle.
© Britta Pedersen/dpa

Kneipen und Bars dürfen am 2. Juni wieder öffnen: „Bars of Berlin“ fordern nachhaltige Strategie für „Gastfreundschaft und Vielfalt“

Mehr als 50 Betriebe machen Druck für ein Rettungskonzept. Besonders die queere Szene könnte leiden, wenn Bars die Krise nicht überleben.

57 Unterstützer hat die Initiative „Bars of Berlin“ mittlerweile. Der Zusammenschluss besteht mehrheitlich aus Schankwirtschaften in der queeren oder Schwulenszene. Sie fordern die Etablierung eines Runden Tisches „Gastfreundschaft und Vielfalt“ auf Senatsebene, der speziell ein „nachhaltiges Konzept zur Rettung der Berliner Bars“ erarbeiten soll.

Kneipen und Bars, die kein Essen servieren und nicht ihre Tanzfläche in den Vordergrund stellen, fühlen sich in den aktuellen Diskussionen ungenügend vertreten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sei "für Bars noch nicht so gut aufgestellt", sagt Mitinitiator Ulrich Simontowitz, Wirt des Schöneberger "Hafen". Man sei aber auf der Suche nach Ansprechpartnern im DEHOGA.

Berliner Clubs, vertreten durch die "Clubcommission", hätten ebenfalls unterschiedliche Forderungen als die Bars. "Erstmal möchten wir unsere unterschiedlichen Strukturen und Nöte bekannt machen", sagt Simontowitz.

Zu den Forderungen von "Bars of Berlin", gehört eine Deckelung der Gewerbemiethöhen, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent auch für Getränke und die „unbürokratische Ausweitung der Schankvorgärten“ auf Gehwege und Parkplätze.

Öffnung aktuell noch nicht wirtschaftlich

Obwohl Bars ab dem 2. Juni wieder öffnen dürfen, kritisiert die Initiative, dass die erforderlichen Abstandsregeln und die Beschränkung der Öffnung bis 23 Uhr für das wirtschaftliche Bestehen nicht ausreichen.

Auf ihrer Webseite schreibt die Initiative: „Wir betonen, dass wir unseren Beitrag zum Schutz der Gesellschaft leisten wollen. Aber um dies zu ermöglichen, brauchen wir Unterstützung. Alles andere bedeutet, uns ins kalte Wasser zu schmeißen, wo wir früher oder später untergehen werden.“

Unterstützer vor der von Schließung bedrohten Traditionsbar "Hafen" im Regenbogenkiez, Motzstraße in Berlin-Schöneberg.
Eine Größe im Kiez: Hier freuen sich Gäste des "Hafens", dass der Mietvertrag der Kneipe 2019 doch noch verlängert wurde.
© Thilo Rückeis

Der "Hafen" kann ab 2. Juni drei bis vier Tische aufstellen. Eine reguläre Öffnung sei das nicht, betont Wirt Simontowitz, und nicht ausreichend für die Wirtschaftlichkeit.

"Mit den derzeitigen Sicherheitsmaßnahmen fänden kaum zehn Gäste bei uns Platz“, schreiben die Betreiber dem Tagesspiegel. Sie stehen „vor dem Rätsel, wie die unterschiedlichen Institutionen des Berliner Nachtlebens so überleben sollen“.

Senat möchte „erneuten Shutdown" vermeiden

Die zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft schreibt auf Anfrage, dass man mit „Bars of Berlin“ auf der Fachebene „bereits im Austausch“ sei. Auch zukünftig würden man die Initiative „gerne stärker einbinden“, wobei aktuell in schon regelmäßig Runde Tische, Fokusgruppen und Einzelgespräche stattfinden würden, „auch zu Bars“.

Zwar würde es schmerzen, dass Bars und Kneipen so lange schließen mussten. „Aber Ischgl, Heinsberg und Tirschenreuth sind als zentrale Infektionsherde in die traurige Geschichte der Pandemie eingegangen“, schreibt die Sprecherin der Senatsverwaltung. Einen Anstieg der Infektionszahlen und einen „erneuten Shutdown der Wirtschaft der Stadt können wir uns nicht leisten“, heißt es weiter.

Laut Simontowitz gab es allerdings noch keinen Kontakt zwischen Senat und "Bars of Berlin". Auf der Bezirksebene dagegen "fanden erste kontruktive Gespräche statt und es etabliert sich ein wöchentlicher runder Tisch mit Vertretern aus Wirtschaftsförderung, Beauftragte für queere Lebensweisen und Tourismus", schreiben die Hafen-Betreiber.

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Ohne Bars kein schwul-lesbisches Stadtfest

Der Bezirk sehe klar, so Simontowitz, wie wichtig diese Bars und Kneipen für die gesamte queere Szene sind: Ihre Standmieten finanzieren Großereignisse wie das schwul-lesbische Straßenfest, ihre Spenden gehen an schwule und lesbische Vereine und die Teddy-Preisverleihung der Berlinale.

Vereine dürfen beim schwul-lesbischen Straßenfest kostenlos mitmachen, während Bars und Kneipen Standmieten bezahlen.
Vereine dürfen beim schwul-lesbischen Straßenfest kostenlos mitmachen, während Bars und Kneipen Standmieten bezahlen.
© Jana Demnitz

Simontowitz befürchtet, dass die Kneipen die Beschränkungen langfristig nicht überleben und damit die Unterstützung wichtiger Projekte in der Szene wegfällt. "Daran hängt ungeheuer viel."

Die „existenzielle Notsituation“ sei „keineswegs gelöst“, schreibt die Initiative in einer Stellungnahme zur Entscheidung des Senats zur Kneipenöffnung. Sie fürchtet, dass „eine ganze Kiezkultur und wichtige Räume der sozialen Begegnung“ verlorengehen könnten, wenn nicht gemeinsam eine Strategie entwickelt werden würde.

Die Senatsverwaltung hofft, dass die Öffnung hilft, die wirtschaftliche Situation von Bars zu stabilisieren. Zudem steht für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten das Soforthilfeprogramm V zur Verfügung, das mit bis zu 25.000 Euro unterstützt. Ein weiteres Programm für Selbständige und Unternehmen mit 1-249 Beschäftigten sei derzeit in der Planung.

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